Ein Tag der den Fortschrittsmythos ins Trudeln brachte. © quapan under cc

Die Welt besser machen, das wollten schon viele. Dass sie vielen derzeit wieder als ein nicht besonders heimeliger Ort erscheint, spricht nicht unbedingt dafür, dass dies gelungen ist.

Doch diese Diagnose wäre verkürzt bis unfair. Tatsächlich ist die Geschichte der Menschheit eine der Ambivalenzen, der Fortschritte, Stagnationen und Rückschritte. Da diese Ambivalenzen sowohl individualpsychologisch als auch kollektiv schwer verarbeitet werden können, ergaben und ergeben sich immer wieder Behauptungen der Eindeutigkeit, die sagen, dass der Mensch eben genau so sei und die verwirrend komplexe Vielfalt auf einen oder zwei Aspekte reduzieren. Nur ist man auch bei der Einschätzung dessen, worum es im Leben wirklich geht wie der Mensch nun so ist, nicht einig. Mal sollen wir rein rational, oder nur von Emotionen gesteuert sein; entweder egoistisch oder vollkommen kooperativ. Die Geschichte der Menschheit selbst wird als Weg des Fortschritts interpretiert und von anderen als ein Weg der Zerstörung und Degeneration.

Die Fortschrittsoptimisten gelten ihren Kritikern als Naivlinge, die Pessimisten als Menschenfeinde. Dabei ist eine solide Mitte ein Weg, der privates Glück und kollektiven Nutzen verbinden kann und so ziemlich alles, was wir dafür wissen müssen ist heute bekannt.

Die Extreme und ihre Psychologie

Man kann die Bausteine der Psyche als eine Kombination aus narzisstischen und paranoiden Komponenten beschreiben. Wem das zu pathologisierend klingt, der kann dazu auch Wunsch nach Wohlgefühl und Vorsicht sagen. Diese Komponenten beginnen im Gesunden und sie begegnen uns wieder in allen Stufen der Pathologie, wie in Narzissmus und Paranoia knapp dargestellt. Ebenso treffen wir in kollektiven Bereich auf sie, in den Stufen der Massenregressionen und je mehr man die roten Linien und Zusammenhänge zwischen beiden sieht und versteht, umso besser kann man sie auf das eigene Leben anwenden und umsetzen.

Das eine Extrem ist vorschneller Aktionismus und Augenwischerei. Man tut irgendwas, einfach um was zu tun, feiert sich gerne dafür, ohne den Blick darauf zu wenden, ob die Aktion sinnvoll war oder erfolgreich, auch über den Tag hinaus. Aber man hat sich Luft gemacht und Druck abgelassen. Die ebenfalls aktionistische Augenwischerei besteht oft darin, dass man nur so tut, als wolle man etwas verändern, wortreich ankündigt, was man dann doch nicht umsetzt, was aber nicht auffällt und auffallen soll, weil man schon wieder anderes ankündigt. Viel Getöse, wenig Konstruktives, in beiden Fällen. Das Grundgefühl was diese Akteure und auch jene, die sie im Grund nicht kritisieren wollen, teilen, ist, dass doch im Grunde alles viel zu kompliziert und aussichtslos ist, um sich wirklich damit zu befassen. Also macht man einfach irgendwas, von dem man denkt, dass es gut ankommt oder bei dem man Spannungen abbauen kann. Vordergründig sind die Aktionisten anders, aber oft genug ebenso wenig gewillt darüber nachzudenken, was denn nach der Veränderung kommen soll. Sie denken, der Wandel selbst würde automatisch zu einer Verbesserung führen, je revolutionärer, desto besser.

Das andere Extrem ist Suche nach Gründen dafür, warum das alles sowieso nichts bringt. Allein anfangen möchte man nicht, es müssten sich schon alle ändern, das werden sie aber nicht tun und darum macht man selbst auch nichts. Etwas virtuoser ist die Aufzählung, dass die eine kleine Veränderung nichts bringen wird, zwei oder drei weitere im Grunde auch nichts ändern und wenn man dann bei 64 von 65 Punkten angekommen ist, wie Greenzero Gründer Dirk Gratzel, werden die meisten sagen, dass man solche Veränderungen nun wirklich nicht von ihnen verlangen könne. Kurz, Veränderungen werden verweigert, weil sie ohnehin nichts bringen, bis zu dem Punkt, an dem sie eine Zumutung sind, unterm Strich eine effektive und vor allem bequeme Selbstentmachtung, nicht selten getragen von einer Erzählung, in der man sich selbst als Opfer des Lebens sieht, von dem man sowieso nichts erwarten darf. Im Gegenteil, hier wäre erst mal eine Entschädigung fällig, dann wäre man gewillt die Welt besser zu machen, vielleicht.

Eine gesunde und pragmatische Mitte

Die Welt besser machen, kann man eher von einer flexiblen Mitte aus, einer Mitte in vielerlei Hinsicht. Man kann sich schon selbst befragen, wie ernst man seine eigenen Einwände eigentlich nimmt oder ob sie eventuell Ausdruck von Bequemlichkeit sind. Gegen Bequemlichkeit ist erst einmal nicht einzuwenden, warum soll das Leben immer nur Plackerei sein, das Leben darf auch Spaß machen. Der pragmatische Ansatz wäre, den Bereich zu finden, den man wirklich gerne lebt.

So ist unser Leben ja ohnehin. Selbst bei Menschen, die gerne leben ist nicht jeder Tag ein 6er im Lotto, sondern es gibt die üblichen Schwankungen. Zufriedene Menschen gehen vermutlich nur anders mit ihnen um. Aber man kann sich eben auch, ohne es zu wollen auf Misserfolge und Unwirksamkeit programmieren, das ist ein depressiver oder paranoider Blick. Auch der Optimismus kann zu leichtfertig sein, nicht selten ist auch hier der Hintergrund eine gewisse Bequemlichkeit. Ich muss nichts ändern, irgendwer wird schon was erfinden, damit die Welt besser wird. Doch wenn man immer nur wartet, was andere machen hat man irgendwann mit dem eigenen Leben nichts mehr zu tun und diese an sich doch seltsame Geschichte, wird heute viel zu oft erzählt: Man ist in alles irgendwie so rein gerutscht und weiß eigentlich auch nicht so genau, wie es dazu kommen konnte. Die Rede ist dabei die vom eigenen Leben.

Manchmal haben wir es mit der nachvollziehbaren Sorge zu tun, von irgendwelchen Ideologen zu einer radikalen Umstellung des Lebens gezwungen zu werden, die uns zu gravierendem Verzicht führen würde, ohne dass man weiß, ob dieser Verzicht die Welt tatsächlich verbessert. Ohnehin ist die reine Aussicht auf Verzicht für die meisten Menschen nicht so prickelnd. Doch es stellt sich noch eine andere, viel grundsätzlichere Frage:

Kann die Welt überhaupt ein guter Ort sein?

Wir leben im aufgeklärten Westen nicht frei von Ideologien, auch wenn wir das gerne glauben wollen. Die inzwischen etwas angestaubte Lesart lautet, dass vom europäischen Westen die Aufklärung ausging und die Welt zum Positiven veränderte. An die Stelle des alten, religiösen Weltbildes setzte sich ein humanes und aufgeklärtes Weltbild und für Fortschritte von denen alle profitierten, war kein Gebet mehr nötig, sondern eine durch Wissenschaft und Technik initiierte Industrialisierung.

Manche mischen noch den Humanismus in die Erzählung hinein und so entstand ein ziemlich verklärtes Bild, in dem Fortschritt und Humanität Hand in Hand gingen und sich die Vernunft langsam, aber stetig, gegen den alten Aberglauben durchsetzten und die Welt immer besser machen würde. In der westdeutschen Geschichte lag der Höhepunkt dieses Fortschrittsglaubens irgendwo vom Beginn der 1970er bis zum Anfang oder der Mitte der 1980er, als die nahezu selbstverständliche Verbindung von Fortschritt und Technik symbolträchtig und vor den medialen Augen der Welt mit dem Space Shuttle Challenger und dem Atomkraftwerk in Teschernobyl explodierten.

Interessant war, dass der Fortschrittsoptimismus sich davon nie wieder erholte. Es kam die deutsche Einheit, die kurz alles überdeckte, das Ende des Kommunismus, der für manche das Ende der Geschichte sein sollte, es kamen Euro und Internet, aber dass sich in den relevanten Bereichen Wohlstand, soziales Miteinander, Sicherheit alles bestens entwickelte, kann man nicht behaupten. Der langsame Fortschritt der Vernunft verschwand allmählich, eine neue Unsicherheit bezogen auf die Zukunft machte sich breit und gleich in welcher Reihenfolge und aus welcher Perspektive man die jüngste Geschichte betrachtet, das verbindende Grundgefühl, dass die nächste Generation es mal besser haben wird, war irgendwann dahin.

Die Büchse der Pandora scheint geöffnet, man braucht nur die Stichworte aufzuführen: Bei der Lesart vom Sieg der Vernunft über die Religionen, als letzter Bremse der Vernunft schien irgendwas nicht zu stimmen, denn selbst da wo die Religionen zurück gedrängt wurden, sprudelte kein fröhlicher Humanismus, sondern eher ein lebensferner Funktionalismus. Es ging durch Phasen der Arbeitslosigkeit, des Terrorismus, der sozialen Desorientierung, der Neoliberalismus machte nicht alle reich, sondern immer mehr Menschen arm, die Umweltzerstörung und ist ein Thema, das trotz angestrengter Ignoranz nicht von selbst verschwunden ist: Der Klimawandel kommt noch dazu, wir sind sehr viele Menschen geworden, die Migrationsströme nehmen zu und sind nicht reibungslos, die Renten sind nicht sicher, dafür stecken wir in einer Phase der neuen kalten Krieges, inmitten einer Pandemie, die bei uns gerade Pause macht, bei der man weltweit aber das Kapital Delta schreibt. Dazu werden Themen die Eurozentrismus und Kolonialismus aufgearbeitet und wie immer man das findet, mit „Weiter so“ gewinnt man inzwischen keine Wahlen mehr. Irgendwas muss sich ziemlich dringend ändern, nur was?

Perspektivwechsel

Nicht nur hier brauchen wir einander. © Maximillia Cieszynski under cc

Schaut man sich eine allgemein beliebte Religion wie den Buddhismus mal genauer an, so muss man fragen: Woher kommt eigentlich die Überraschung? Aus Sicht des Buddhismus ist die Grundsituation des Lebens hier auf Erden, die des Leidens. Der Buddhismus bietet dann, wenn man das Kleingedruckte liest, gar nicht so einfache Wege aus dem Leid an, aber dass wir hier im demnächst vollendeten Paradies leben können, davon war nie die Rede.

Auch andere Strömungen, die nicht aus der Aufklärung gespeist sind, sehen unser Leben keineswegs als zunehmende Erfolgsgeschichte an und selbst wer sich den Fortschritt auf die Fahnen geschrieben hat, muss sich mit seiner Dialektik und Ambivalenz beschäftigen oder Scheuklappen aufsetzen. Einfach zu sagen, das sei eben eine fatalistische Perspektive, die mit religiösen Glaubenssystemen einher geht, hieße zu kurz zu springen, mit Nietzsche finden wir jemanden im Herzen Europas, der unsere christliche Lesart gegen den Strich bürstet und auch nicht in einer Kuschelwelt landet. Immerhin war Nietzsche die Ungeheuerlichkeit des Schrittes bewusst, Gott zu töten.

Der Fatalismus ist jedoch nicht nur schlecht. Er hat im Grunde zwei positive Komponenten: Demut und Gelassenheit. Zur Gelassenheit kann er führen, weil er von der Gewissheit ausgeht, dass die Dinge in letzter Konsequenz ohnehin nicht in unserer Hand liegen. Das muss nicht dazu führen, dass man sich um nichts mehr kümmert, sondern man kann den Rahmen einfach enger ziehen und sich vornehmen, sich selbst und die eigene Umgebung in Ordnung zu bringen und zu halten, für den Rest muss man sich nicht zuständig fühlen, da gibt es andere, der demütige Aspekt.

Manchen ist das zu eng und bieder, sie wollen statt dessen die Welt über politische Weichenstellungen verändern, aber der nagende Befund bleibt: Unser Leben ist zur Zeit nicht schön. Die Institutionen, denen man ehedem vertraute, haben so gut wie alle an Ansehen verloren. Es ist nicht der Lebensstandard, auch wenn nach wie vor die Sicherheit der Mitglieder der Mittelschicht auch im Alter dazu zu gehören schrumpft, was ebenfalls nagend ist, ist die kollektive Desorientierung. Ein westliches Weltbild existiert derzeit eigentlich nicht. Der Optimismus ist reduziert. Einerseits sieht eine Mehrheit die eigene Zukunft optimistisch, die der Gesellschaft jedoch nicht. Das geht quer durch Europa, alle Alters- und Bildungsklassen. Durch die Pandemie bedingt ist die persönliche Verunsicherung nun auch gewachsen, das Glücksgefühl der Deutschen moderat gesunken und vielleicht stimmt es, dass Lebenssinn an die Stelle des Lifestyle gerückt ist.

Komm‘ lass uns die Welt besser machen, ist ein Aufruf der dazu passt. Kein Aktionismus, kein so tun, als ob. Aber auch keine Selbstbestrafung oder -verdammung. Ein besseres Leben kann und soll Spaß machen und es spricht viel dafür, dass das kein Wunschdenken ist, sondern sich von selbst ergibt, wenn man den Blick auf die Psyche der Menschen richtet.

Wann ist die Welt eigentlich besser?

Das ist eine der entscheidenden Fragen und Hürden. Denn wann und wodurch die Welt gut und lebenswert ist, da hat jeder andere Vorstellungen, gemäß seiner eigenen Lebenssituation, Sozialisation, geographischen und kulturellen Prägung. Relative Armut in Deutschland ist mit Leid verbunden, aber weltweit vermutlich eine Luxussituation. Sich das bewusst zu machen, hilft aber nicht wirklich, da der Mangel hier real ist und so gravierend, dass er zu einer drastischen Einschränkung der Lebenserwartung führt.

Dass eine Minderheit auf Kosten einer Mehrheit lebt ist, wird zunehmend als ungerecht empfunden, den Spieß einfach umzudrehen macht aber die Welt auch nicht viel besser. Das Bild ist heterogen, wir müssen an den passenden Stellen das stärken oder ergänzen, was eben dort gebraucht wird. Das kann nicht mit dem Gießkannenprinzip oder dem einen Ansatz für alle klappen.

Was, wenn wir uns vornehmen, wirklich niemanden zurückzulassen? Das Problem, was viele heute mit an sich wichtigen Themen haben, ist im Grunde nur, dass sie andere wichtige Themen verdecken. Einen Schiedsrichter, der uns sagt, was denn nun das wirklich wichtigste Thema ist, gibt es nicht. Wer gerade verhungert, wird nicht den Wunsch nach Freiheit als unbedingten Impuls fühlen. Wer jedoch in einem paranoiden Überwachungsstaat lebt, wird nicht glücklich, wenn man ihm erzählt, dass er doch immerhin nicht verhungert. Die einen haben Angst vor dem Rentenloch der nächsten Jahre, die junge Generation befürchtet, ihre Rente gar nicht mehr zu erleben, weil das Leben der Menschen ernsthaft (nicht nur durch den Klimawandel) bedroht erscheint, manche denken gar nicht so weit, weil sie Angst vor dem Ende des Monats haben, wenn für die letzten Tage regelmäßig kein Geld da ist, 2021, mitten in Deutschland.

Dennoch sind erreichte Sozialstandards, politische Freiheit, ein Recht auf Privatsphäre und vieles mehr, keine Wellnessthemen, denn in dem Moment, wo man sie verloren hat, wird einem das bewusst, ähnlich wie bei der Gesundheit, die man für selbstverständlich hält, bis zum Verlust. Also noch mal: Was, wenn wir uns vornehmen, wirklich niemanden zurückzulassen? Auch nicht jene, mit deren Positionen wir nicht auf Anhieb oder vielleicht auch später nicht übereinstimmen. Man kann sich zwar wünschen, wie die Menschen auf der Welt gestrickt sein sollten, nur sind sie es oft nicht. Man kann sich über Egoisten ärgern, nur sind manche Vorgaben, die andere darauf verpflichten wollen ständig an andere zu denken oft erschreckend selbstgerecht, zum anderen juckt echte Egoisten das einfach nicht.

Ich reite immer wieder auf Entwicklungsstufen und Weltbildern herum, weil ich der Meinung bin, dass hier der Schlüssel liegt. Das muss freilich ausformuliert und ausprobiert werden.

Der nächste Schritt: Innen und Außen verbinden

Wenn die Welt besser werden soll, muss sie in vielen Regionen der Welt auf unterschiedliche Weise besser werden, je nach dortigem Bedarf und dazu gehören nicht nur Brunnen, Schulen oder Wahlurnen, also institutionelle und infrastrukturelle Formen, sondern eben auch ein Blick auf die psychische Entwicklung.

Bei diesem Blick ist man inzwischen von einem einfachen höher = besser weg gekommen, wichtig sind zwei Erkenntnisse. Entscheidend ist nicht das ferne Ziel, sondern der nächste Schritt. Die andere Erkenntnis: Jede Stufe kennt ihre Übertreibungen und Entartungen, doch jede Stufe der Entwicklung hat auch positive Komponenten, die geborgen und erhalten bleiben müssen.

Das ist wichtig, aber nicht selbstverständlich, weil es oft den Versuch gibt, am besten ganze Entwicklungsstufen abzuschaffen. Die mythische oder konventionelle Stufe von Anpassung, Gehorsam und einem Einüben von Regeln, Werte und Normen ist vielen ein Dorn im Auge. Die Idee ist, dass man, wenn man hier erst angekommen ist, es mit der Freiheit für immer vorbei ist. Die Entwicklungspsychologie erzählt uns jedoch, dass diese Stufe eine Vorbedingung ist, um in eine reife Ausgewogenheit zwischen sozialer Verantwortung und individueller Freiheit zu kommen. Das ist ein Weg der misslingen kann, aber oft genug gelingt er, wenn man die Stufe verweigert, kommt man jedoch nicht über Vorformen hinaus, bei denen sich dann alles um das eigene Ich dreht. Das ist eben Egoismus oder Narzissmus. Wenn wir aber dennoch alle mitnehmen wollen, muss man auch Egoisten und Narzissten ein attraktives Angebot machen und deren einfache Frage ist: Was habe ich davon?

Diese Frage ist legitim, aber wir können sie beantworten. Narzissten und Egoisten sind keine glücklichen Menschen. Sie sind fundamental verunsichert, ihre Grandiosität ist kompensatorisch, um ihre immer wieder mal durchbrechende und zerstörerische, gefühlte Nichtswürdigkeit zu kompensieren. Sie setzen andere herab und müssen ständig rudern um besonders zu erscheinen, das ist für alle Beteiligten aufreibend. Die Welt besser zu machen, heißt auch hier bei der psychischen Verfasstheit anzusetzen. Da das nicht nur für Narzissten gilt, ist es vor allem der nächste Schritt der kulturell Kreativen, also jener, die Einfluss haben, weil sie verstehen und Ideen in die Welt setzen, das Innen mit dem Außen zu verbinden. Nicht irgendwie und in Sprechblasen, sondern verstehend erkennen, wie und wo beides ineinandergreift.

Wir schauen viel darauf, was wir äußerlich brauchen: Mindestlohn, bezahlbare Mieten, Grundeinkommen, die Möglichkeit zur kulturellen Teilhabe oder was auch immer es sei, wir schauen und wissen wenig, was uns eigentlich innerlich fundamental ernährt und was wir dort brauchen, um ein besseres Leben zu führen. Man muss die beiden Bereiche nicht gegen einander auszuspielen und sollte es auch nicht, denn sie ergänzen und bedingen einander.

Was brauchen wir, damit im Inneren die Welt besser wird?

Fundamental für eine bessere Innenwelt sind stabile und verlässliche Beziehungen. Der Mensch ist ein Beziehungswesen, die einen mehr, die anderen weniger, aber um Beziehungen dreht sich so ziemlich alles in unserer Psyche. Je tiefer die Beziehungen, desto verlässlicher und das heißt eben gerade auch, dass man zusammen durch dick und dünn geht. Familie, Freundschaften und intime Partnerschaften sind die Konstellationen dafür. Beziehungen kann man aber auch zu Tieren und sogar zur Pflanzen, und zur Gesamtheit der Natur aufbauen.

Sinn kristallisiert sich immer mehr als weiterer Baustein heraus. Wir wollen nicht einfach nur so dahin leben, sondern unser Leben soll gut, gelungen und sinnvoll sein. Den Sinn im eigenen Leben muss jeder selbst suchen und finden, es muss nicht immer die eine Sache sein, zu der man sich berufen fühlt, viele durchleben parallel oder nach Phasen gestaffelt mehrere Aspekte des Daseins und finden diese sehr bereichernd. Sehen wir Sinn im Leben, sind wir bereit Opfer zu bringen, über uns hinaus zu wachsen und haben ein gewisses Ziel vor Augen.

Menschen sind ambivalent. Einerseits wollen wir kooperieren, uns andererseits aber auch unterscheiden und Anerkennung haben. Kooperation ist ein fundamentaler innerer Antrieb, wir kooperieren aber nur mit Menschen, die selbst auch kooperieren. Tut das jemand nicht, haben wir ein Gefühl der Ungerechtigkeit, was einige bis zur Raserei bringen kann, damit ist nicht zu spaßen.

Wir sind also durchaus bereit ein Leben mit und für andere zu führen, solange wir dafür Lob und Anerkennung bekommen oder diese anderen lieben oder achten. Sind wir hinreichend mit Anerkennung gesättigt und nicht narzisstisch, können wir unser Ich in den Dienst einer größeren Sache stellen, die dann nicht nur als Verlängerung des Selbst die Um- und Mitwelt instrumentalisiert, sondern in der wir im besten Sinne selbstvergessen aufgehen können. Eine befriedigende Erfahrung von Einheit, die ebenfalls wichtig sind, um den Alltag ertragen zu können.

Viele rollen mit den Augen, wenn heute aus dieser oder jener Ecke von Verzicht die Rede ist. Doch machen wir uns einen Moment ehrlich und fragen uns, wenn wir unsere innere Welt betrachten, wie es eigentlich dort mit Erfüllung oder Verzicht aussieht. Haben wir alles, was wir als Mensch so brauchen? Schöpfen wir es so aus, dass wir ein zufriedenes oder sogar glückliches und erfülltes Leben führen? Oft genug muss das Äußere herhalten und soll das ersetzen, was uns innerlich fehlt? Genau das geht in aller Regel nicht gut.

Geld: Fluch oder Segen?

Die Erde der Erde am Morgen. Immer wieder ein kleines Wunder. © Dr. Matthias Ripp under cc

Geld ist ein kurioses Thema. So gut wie alle streben danach, obwohl es kein Wert an sich ist, ist es doch irgendwie den Rang eines ultimativen Wertes gerutscht. „Da kann ich mir nichts für kaufen“, heißt es und wer Geld hat, der ist auch wer, sagt man.

Geld ist sozialpsychologisch ein Schmerzmittel, es dämpft den Schmerz der Ausgrenzung, wie in Es ist nicht so, wie du denkst ausgeführt. Geld macht sozial distanziert, nicht zwingend, aber oft. Geld ist auch ein Machtmittel, aber das Verhältnis der Geldmengen in gewaltigen Blasen der Finanzwirtschaft mit ihrem virtuellen und spekulativen Geld zur vom realen Gegenwerten gedeckten Geldmenge der Wirtschaft ist inzwischen so groß, dass man erwarten kann, dass die virtuellen Geldberge irreal werden und irgendwann einfach nicht mehr interessieren.

Es gibt einen anderen Weg um die Macht des Geldes zu beschneiden, indem man das, was normalerweise verkauft wird, im kleinen Bereich tauscht. Es führt, wie wir inzwischen in vielen Bereichen sehen, nicht unbedingt zu guten oder gar besseren Ergebnissen, wenn man alles mögliche der Privatwirtschaft in den Rachen schmeißt, aber genau das muss man ja auch nicht.

Wenn sich irgendwo Solidargemeinschaften zusammen finden, die sich von der Idee des Tauschs Wert gegen Wert abkoppeln, ist der Bann ebenfalls gebrochen. Erst mal nur dort und in Teilbereichen des Lebens, aber jeder kann ja frei entscheiden, wie und wo er wohnen möchte und in dem Maße, wie die Privatwirtschaft unverschämter wird und der Staat zuschaut oder seine schützende Hand darüber hält, werden Wohngemeinschaften, Kommunen, Dörfer, Stadtteile und Straßenzüge attraktiver, die anders leben wollen und es tun. Die Bereiche, in denen es besser läuft werden dann attraktiver für andere Regionen und wer eine solide Grundversorgung hin bekommt wird zum Modell für anderen Regionen. Die gute Nachricht ist, dass die Idee sich vom Tausch Wert gegen Wert abzukoppeln, zwar etwas ist, was wir uns aktuell nicht vorstellen können, weil wir denken, die Welt habe überall und immer schon so funktioniert, aber das ist vermutlich ein Trugschluss. Wie oben erwähnt, haben Entwicklungsstufen und Weltbilder zwei Seitren und die positive Seite bereits der archaischen Gesellschaft war ein grundlegendes Versorgungssystem für alle, in dem Geld eine vollkommen andere Funktion hatte, als heute.

Die neue Rolle, die Idee des Tauschs Wert gegen Wert trat womöglich erst im späten Mittelalter in Europa auf, hat seit dem aber unser Denken so radikal verändert, dass wir uns nicht mehr vorstellen können, dass menschliches Zusammenleben die längste Zeit vollkommen anders funktioniert hat, als wir heute glauben. Die Kluft zwischen arm und reich zu verringern, bleibt natürlich darüber hinaus eine weiteres Gebot, schon weil die regressiven Kräfte durch das Empfinden von Ungerechtigkeit verstärkt werden.

Irgendwie schwierig: Die Rolle des Einzelnen

Wie die äußere Welt ist auch die innere nicht homogen, sondern heterogen. Wir machen die Welt besser, wenn wir dem Rechnung tragen, statt es zu ignorieren. Aus einer unterschiedlichen Entwicklung resultieren in der Regel auch andere Bedürfnisse. Innen und Außen zu verbinden ist der eine Aspekt einer neuen Sichtweise, der andere ist, die Bedeutung des Einzelnen richtig einzuschätzen.

Vielen glauben, dass die Welt richtig gut werden würde, wenn alle das gleiche tun. Vielleicht kann man sich noch vorstellen, dass es für bestimmte Bereiche des Lebens ein Vorteil sein könnte, wenn man im Gleichschritt denkt, handelt oder fühlt. Aber da nicht alle Menschen gleich sind, wollen sie eben auch nicht alle nur funktionieren. Bevor man das jedoch von sich weist: Für die Mehrzahl der Menschen ist Anpassung durchaus der Weg zum Glück, da Unangepasstheit einfach Stress bedeutet. Da sich ‚Ich bin angepasst‘ in unserer Zeit der Besonderheit nicht gut anhört, geht es überdies noch darum, dass man sich seine Vorurteile/Werte selbst aussuchen kann. Wenn man das überzeugend findet, was die meisten überzeugt, ist man freiwillig angepasst, andererseits kann man auch weiterhin behaupten frei zu sein, weil man denkt, man sei kritisch, skeptisch und dergleichen und dabei wiederholt man oft nur die Stereotype all jener, die denken, sie seien sehr frei und unabhängig. Doch auch vermeintlich kritisches Denken kann sehr konventionelle Züge annehmen, wie in Der Mainstream: Gehasst und gesucht dargestellt.

Doch hier soll es nicht um Freiheit gehen, sondern um ein besseres Leben und das kann nur heißen, dass es den Menschen gut gehen soll. Nicht jeder will sich um die Welt kümmern, allerdings macht ein nachhaltiges Leben tatsächlich glücklicher und sei es nur, weil es gerade angesagt ist und Anpassung eben doch ein gutes Gefühl ist. Das wäre ein Grund für Egoisten und mehr noch für Opportunisten, ein für alle hilfreiches Leben zu führen. Doch angepasst will niemand sein, zumindest will kaum jemand so genannt oder skizziert werden. Die meisten Menschen sind allerdings auch bei uns so, man muss ihnen nur die Möglichkeit geben, zu denken, dass sie genau das selbst zu wollen, was alle anderen wollen. Anhand unterschiedlichster Modetrends und Statussymbole kann man sehen, dass das funktioniert und da sich Moden binnen kurzer Zeit sogar in ihr Gegenteil verkehren können (und dennoch mitgemacht wird), kann es auch kein Problem sein, die Zutaten und Verhaltensweise für ein nachhaltiges Leben in den Rang eines Statussymbols, eines gelungenen und erfolgreichen Lebens zu heben.

Wer anders als die Mehrheit ist, will und wird auch anders leben, muss dabei aber keineswegs auf Krawall gebürstet sein. Aus Prinzip gegen alles sind in der Regel eher unreife Charaktere, für die jede Art von Rücksicht auf andere eine persönliche Beleidigung ist. Aber es gibt reife, wenn auch durchaus skurrile Menschen, die einfach in ihrer Welt leben, ohne anderen zu behelligen. Häufig gibt es aber auch reife Charaktere, die das eigene Fortkommen und das der Gemeinschaft nicht als Gegensatz verstehen, sondern als gegenseitige Ergänzung. Aber das reicht nicht, wenn wir verstehen wollen, wie wir die Welt besser machen können.

Der echte Qualitätssprung, den wir heute brauchen, ist der Schritt aus der Gebrauchsanweisung heraus. Vorschriften und Modetrends können hilfreich sein, aber man kann sie auch hinter sich lassen. Man braucht dazu nicht die große Geste, kein Getöse, braucht kein brüllender Revoluzzer zu sein, es reicht selber zu denken, seine Intuition zu stärken, daraus seine Schlüsse ziehen und Verantwortung für sie übernehmen. Das heißt sich selbst ernst zu nehmen und gut zu sich zu sein, ohne gleich in die vermeintliche Widerspruchsfalle zu tappen. Es gibt nicht den Zwang sich für die Gemeinschaft oder sich selbst zu entscheiden, für Umwelt oder Wohlstand. Es gibt keine Schwelle, die man unbegdingt überspringen muss, weil doch vorher alles was man verändert lächerlich wäre oder nichts bringt. Die einzige Schwelle ist die, die im eigenen Bewusstsein liegt und der große Sprung ist jener, der einen in die Lage versetzt, sich verstehend und flexibel auf die jeweilige Situation einzulassen. Der Sprung ins Integrale.

Gelingt der Sprung, verbindet man automatisch auch das Innen und Außen und spürt oder sieht, wo ein Platz in der Gesellschaft oder Weltgemeinschaft ist, an dem man die Welt besser machen kann. Dass es einem dabei – äußerlich und innerlich – auch selbst besser gehen sollte, ist kein Widerspruch. Der direkteste Weg Leid zu verringern, ist, dort zu beginnen, wo man den besten Zugang hat, also bei sich selbst. Wer Durst hat, muss etwas trinken, bricht er zusammen, hilft das ja auch niemandem. Komm‘, wir machen die Welt besser, ist kein Aufruf zur Selbstbestrafung, sondern es auch sich selbst besser gehen zu lassen.

Man ist kein Egoist, wenn es einem gut geht, während andere leiden, man ist ein Egoist, wenn einem das Leid der anderen vollkommen egal ist. Aber auch wenn man Egoist ist, kann man das ändern. Egoismus mag provozieren, aber letztlich ist auch er eine Position des Leides und das ist heute alles gut bekannt und sogar veränderbar. Allerdings können auch Egoisten mitunter gute Argumente haben und die intellektuelle Redlichkeit gebietet es, diese zu bergen und in eine Form zu übersetzen, die als echte Kritik in den Diskurs einfließen kann. Egoisten kann man die Hand reichen, wenn sie sie nicht annehmen wollen oder können, kann man sich die Mühe sparen und es zwei oder fünf Jahre später noch mal versuchen. Auch wenn es keine starren Regeln gibt, so kann man doch ein Gefühl dafür entwickeln, was ein geeigneter Zeitpunkt wäre und aus gemachten Erfahrungen lernen, wann und wo man etwas zum Besseren wenden kann und wo nicht.

Dezentral

Ein solcher Ansatz die Welt besser zu machen, ist am Ende dezentral und stärkt das Subjekt. Derzeit erleben wir Bewegungen die sich wieder nach Zentralismus, Kollektivismus, Verboten und einem starken Führer sehnen. Die Vielfalt der Welt ist verwirrend geworden, darum fokussiert man sich auf das eine große Thema, was man als besonders wichtig ansieht. Dass es viele wichtige Themen gibt, kann noch nicht von allen verarbeitet werden, aber dennoch ist auch die Fokussierung auf Teilbereiche gut und wichtig, da jedes Ganze aus Teilen besteht, die im Detail verbessert werden können.

Man kann nicht alles und jeden integrieren wollen, aber man braucht nicht vor jenen zurückschrecken, die lieber für sich oder im kleinen Kreis bleiben möchten. Die große Party ist eben nicht das, was allen gefällt. Man kann gerade im kleinen Umfeld einer großen, weil vagen Idee locker verbunden bleiben. Komm‘, wir machen die Welt besser, ist eine vage Idee, breit genug, um sie auf individuelle Art und Weise umsetzen, mit genau den Mitteln, die die größte Übereinstimmung mit den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen hat. Dann macht es Spaß die Welt besser zu machen, weil man im Grunde nichts anderes tut, als seinem Hobby nachzugehen. Ist man hier angekommen, so ist das der Ort an dem und die Art in der man aktuell am besten mitmachen kann. Man kann es ganz für sich tun und gleichzeitig ein gutes Werk für alle bereiten.

Parallel zum Zentralismus gibt es aktuell auch immer mehr dezentrale Bewegungen und Vernetzungen einzelner Menschen, kleiner Gruppen und Bewegungen, die sich auf ihre Weise gleichzeitig um Bewahrung und Fortschritt kümmern, ebenfalls auf ihre Art, mit ihren spezifischen Schwerpunkten und dies auch in eine rituelle Form bringen, wie das Erdfest. Ich hatte die Gelegenheit am diesjährigen Erdfest teilzunehmen, das ganz auf unsere Situation zugeschnitten war. In diesem Bewusstsein kann es geschehen und weiter gehen. Auf individuelle Bedürfnisse oder kleine Gruppen zugeschnitten, im Bewusstsein jedoch mit anderen vereint, die ebenso individuell auf ihre Art das Erdfest feiern. Da Rituale und Narrative oder Mythen ohnehin prima sind, ist auch das ein Weg Menschen einzubinden, in dem Bewusstsein niemanden zurücklassen zu müssen. Irgendwann auf diesem Weg merkt man selbst, wo im Moment der beste eigene Platz ist. Je mehr das Schicksal mitspielt, um so sicherer kann man sein. Komm‘, wir machen die Welt besser.