Chronischer Stress versetzt den Körper in eine dauerhafte Alarmbereitschaft. Für viele kommt der entscheidende Schuss vor den sprichwörtlichen Bug erst, wenn sich die ersten körperlichen Symptome durch die chronische Stressbelastung zeigen. Dabei könnten wir viel leistungsfähiger, selbstbestimmter und zufriedener sein, wenn wir von Vornherein das Wechselspiel von Anspannung und Entspannung als Klavierspiel des Lebens beherrschen würden. Doch dazu ist es wichtig, zu lernen, auf die physischen und psychischen Signale zu hören. Woran merkt man, dass man überlastet ist?
Das Leben als Klavierspiel: Anspannung, Entspannung, Anspannung …
Die ersten Anzeichen einer Überlastung schleichen sich eher leise in den Alltag ein. Sie sind so hintergründig, dass wir sie zunächst einfach verdrängen. Nicht selten schwächen wir Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und miese Laune als vorübergehende Problemchen ab. Irgendwann werden diese Anzeichen für uns zu einer Gewohnheit. Der Zustand der Überlastung fühlt sich für uns so typisch an, dass wir ihn für einen normalen Zustand halten. Wir kennen es quasi nicht mehr anders. Die Müdigkeit am Morgen entspricht inzwischen beinahe einem gesellschaftlichen Stereotyp. Menschen, die trotz mehrerer Stunden Schlaf morgens in die Küche schlurfen und sich mit halb geschlossenen Lidern wie automatisiert einen Kaffee zubereiten. Auch dem 14 Uhr-Tief begegnen viele von uns mit ausreichend Koffein. Ich ebenso.
Die üblichen Konzentrationsschwierigkeiten lassen sich durch einen kleinen Zuckerschub beheben, so denken wir. Bei Erschöpfung und Müdigkeit neigen einige Menschen zu regelrechtem Heißhunger. Der Körper verlangt nach Energie. Schokolade, Pommes und Burger sind nicht weit. Doch diese sind auch schwer zu verdauen. Mit dem Ergebnis, dass wir im Anschluss uns noch erschöpfter fühlen. Ein teuflischer Kreislauf.
Der erste Schritt zum Wohlfühlmensch: Erkenntnis
Vielleicht ist es an der Zeit, dieser Spirale mit anderen Verhaltensweisen zu begegnen. Keine Bange. Das hier wird kein Fingerzeig-Artikel, der das leckere Fast Food verdammt. Es gibt genügend inspirierende Foodblogger, die leckeres Comfort Food wie Burger, Pizza, Kuchen oder Pommes in gesunden oder auch mal weniger gesunden Varianten kreieren. Die Variationen sind endlos und eben das lieben wir. In diesem Artikel soll es darum gehen, die tagtägliche Gangart im Leben in Augenschein zu nehmen, ohne sich die kulinarischen Genüsse oder das Koffein für immer zu versagen. Aber es macht einen Unterschied, ob man es genießt, weil es köstlich ist, oder ob man Kaffee, Pommes, Schoki & Co. zur Kompensation eines stressigen Alltags benötigt und – wenn man ehrlich ist – schon beinahe als Suchtverhaltensweisen an den Tag legt.
Viele von uns rudern im Alltag. Wir kümmern uns um den Job, die Familie, die üblichen Pflichten – aber nicht um uns selbst. Es reicht nicht, eine kleine Auszeit einzulegen, in welcher man sich mit einem Glas Wein in die Badewanne begibt. Auch das sind eigentlich nur Werbe-Stereotype von Erholung, die uns maximal eine oberflächliche Regenerationszeit schenken. Es geht viel eher darum, den Fokus gewohnheitsmäßig mehr auf sich selbst zu richten. Die meisten von von uns sind derart damit beschäftigt, sich um alle anderen zu kümmern, dass wir es vollends verlernt haben – und nicht einmal für berechtigt halten! – uns um uns selbst zu kümmern. Selbstfürsorge und Selbstabgrenzung sind keine Phrasen, sondern Ansatzpunkte um das Dilemma aus Stress, Unzufriedenheit und Suchtkompensation aufzubrechen. Dafür benötigt man Authentizität und bedingungslose Ehrlichkeit mit sich.
Woran merkt man, dass man überlastet ist?
Beginnen wir damit, indem wir auf physischer und psychischer Ebene in uns hineinhorchen. Richten wir mal ganz ohne schlechtes Gewissen den Fokus vollständig auf uns. Hier sind einige der wichtigsten Anzeichen, woran man merkt, dass man überlastet ist.
»Ich bin nicht gut genug«
Du ruderst und ruderst, aber irgendwie erreichst du weder das Konzentrationsniveau noch die Leistung, zu welcher du einst fähig warst. Vielleicht kommen Ängste und Minderwertigkeitsgefühle hinzu, die dich zusätzlich in deiner Konzentrationsfähigkeit einschränken und dein Unwohlsein erhöhen. Es ist, als würdest du unendlich viel Zeit für die normalen Erledigungen benötigen. Fast scheint es, als würde dir die Zeit davonrennen und du bist nicht gut genug, um mit den Anforderungen mithalten zu können.
Du fühlst …
- Erschöpfung
- Konzentrationsmangel
- Ängste
- Unwohlsein
- dich nicht gut genug (Minderwert)
- als würdest du der Zeit hinterherrennen und als bräuchtest du länger für die einzelnen Arbeiten als normalerweise
- dass du viele Stunden arbeitest, aber viel weniger schaffst
»Ich fühle mich, als wäre ich nicht anwesend in meinem Leben«
Eigentlich funktionierst du nur noch. Dein Alltag scheint in kleine Zeitfenster zerstückelt zu sein, in denen du alles nacheinander bloß noch abarbeitest. Wie ein Außenstehender blickst du auf die Person in deinem Leben, die darin eigentlich nur noch Dinge erledigt, sich Proforma-Phasen der Entspannung gönnt und einen Berg an psychischem Ballast mit sich herumschleppt. Das bist du. Aber es ist, als würdest du dich lediglich selbst spielen. Du agierst nur noch aus der Funktion deiner Person heraus.
Du fühlst …
- Zerfahrenheit
- Funktionalisierung und bloßes Agieren
- keine wirkliche Wertigkeit als Mensch
- Hast und Eile
»Emotional bin ich wie ein Ping-Pong-Ball«
Es ist eine Mischung aus emotionaler Abgeflachtheit und angespannter Überreizung, die dein psychisches Erleben bestimmt. Oberflächlich betrachtet, fühlst du dich im Reinen mit dir, aber nur, weil du die emotionalen Abstufungen nicht mehr wahrnimmst. Manchmal legst du Verhaltensweisen an den Tag, bei denen du dich nicht mehr wieder erkennst. Wer ist diese Person, die da eben so ausgeflippt ist? Selbst kleine Unstimmigkeiten bringen dich schon aus der Fassung.
Der Schlaf in den Nächten ist womöglich unruhig bzw. wenig erholsam. Entweder hast du nächtliche Unterbrechungen in den Schlafphasen oder du schläfst »wie ein Stein« – und erwachst in beiden Fällen wie gerädert. Du kannst nicht mehr wirklich abschalten. Dementsprechend hält sich deine Bereitschaft, in den Tag zu starten, auch in Grenzen. Du schaffst maximal für wenige Stunden ein vernünftiges Aktionsniveau hochzuhalten, doch viel zu rasch bist du erschöpft. Es ist, als würdest du auf einem ganz schmalen Grad wandern, ehe alles komplett zu scheitern droht.
Du fühlst …
- Ermattung, Schlaflosigkeit, Schlafen »wie ein Stein«, Erwachen wie gerädert
- eine Gratwanderung
- Ruhelosigkeit (keine Pausen, kein Runterkommen, Herzrasen, nervöse Muskelzuckungen)
- nicht mehr dich als wahrhaftige Person
- Stimmungsschwankungen am Limit
- totale Gereiztheit
- Überforderung selbst bei Nichtigkeiten
- verminderte Motivation und Antriebslosigkeit
- ein verringertes Aktivitätsniveau
- ständiges Hinterfragen deiner Leistungsfähigkeit, ggf. zwanghaftes mehrmaliges Prüfen des Ergebnisses
- Unsicherheit, selbst in Dingen, bei denen du dich sonst sicher gefühlt hast
»Das wird sowieso nichts«
Mit dieser Denkweise einhergehend neigst du dazu, deine Ziele und Träume nicht mehr für voll zu nehmen. Du siehst dich selbst nicht mehr. »Das wird sowieso nichts«, sagst du dir immer wieder. Du resignierst, wirst misstrauisch und siehst die Dinge negativer, als sie sind. Des Weiteren bewertest du die Menschen wesentlich gnadenloser, als es deiner Art entspricht. Außerdem bist du mittlerweile sehr dünnhäutig, wenn man dir Kritik entgegenbringt. Einerseits erhebst du dich über andere Menschen, andererseits bist du von ihnen eingeschüchtert.
Man entdeckt Unschuld erst, wenn man sie verloren hat.
Neri Oxman, Designerin und Professorin am MIT Media Lab
(aus der Dokumentation »Abstract – Design als Kunst«)
Du fühlst …
- Resignation
- Misstrauen
- Dünnhäutigkeit, erhöhte Sensibilität gegenüber den anderen Menschen und den Umgebungsreizen (alles wirkt lauter, greller, schmerzhafter)
- Abwertung
- Einschüchterung
»Ich weiß nicht, wer ich bin«
Wenn man die Menschen fragt, wer sie eigentlich sind, antworten die meisten: »Ich bin der und der und mache das und das.« Fragt man ein weiteres Mal nach: »Ja, aber wie bist du als Mensch?«, sind die meisten zunächst erst einmal ratlos. Vielleicht antworten sie, dass sie witzig seien oder sich für Kunst interessieren würden. Eine Antwort auf eine solche Frage ist immer eine umschreibende Antwort, das ist ganz klar. Vor allem, wenn man auf die Frage eines anderen antwortet. Aber die wirklich wichtige Antwort auf eine solche Frage geht mit den Gedanken einher, die dadurch angeregt werden, und die eher eine gefühlte Antwort sind. Womit füllst du die Leere in dir? Wie erlangst du den Zustand eines tiefen Friedens? Wann fühlst du dich mit einer höheren Macht, deinen Mitmenschen, dir selbst, der Natur verbunden? Kannst du es spüren? Oder nicht?
Du fühlst …
- Ziellosigkeit
- Desillusion
- innere Leere
- nicht dich selbst (Abgestumpftheit)
»Ich suchte viel«
Du legst ungesunde Verhaltensweisen an den Tag, um Wohlbefinden zu erreichen. Ganz gleich, ob es sich um Essen, Alkohol, Tabak oder die Gaming-oder Serienwelt handelt. Der Grad zwischen der Unterhaltung während der Freizeit hin zur Suchtkompensation ist ein schmaler.
Du spürst …
- Gefühl von Verlorenheit
- Realitätsflucht
- Suchtartige Gelüste
- nicht mehr dich als aktiven Part deiner Welt
Hektischer Alltag versus Altlasten aus der Kindheit?
Erschöpfungszustände können nicht nur durch alltägliche Belastungen hervorgerufen werden, sondern auch durch psychische Altlasten aus der Vergangenheit, die im Erwachsenenalter aufgearbeitet werden wollen. Widme dich diesen: Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen – Anzeichen von Traumatisierung (2). Schenke dir Aufmerksamkeit und versuche das Leben gelassener anzugehen: Probleme gelassen angehen – Minderwertigkeitskomplexe (2). Der erste Schritt auf dem Weg zum Wohlfühlmensch ist die Erkenntnis und dass du auf die Anzeichen achtest, an denen man merkt, dass man überlastet ist. Jeder Mensch trägt für sich selbst Verantwortung. Das gilt für dich, aber auch für die anderen. Du musst dich nicht beständig um andere Menschen oder Angelegenheiten kreisen. Bemühe dich um Selbstabgrenzung: Anzeichen der Heilung von einer Traumatisierung – Psychisches Wachstum (1). Von Herzen alles Gute für dich!