Seit langem ist bekannt, dass Narzissmus in der Liebe ein schwieriges Thema ist. Doch es gilt einige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Dieser Beitrag ist auf Anregungen unseres Lesers Maxi entstanden.
Man weiß, dass Menschen mit narzisstischer Problematik, die ein fließendes Kontinuum von normalem über pathologischen Narzissmus bis zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung darstellt, oberflächlich charmant sind, doch was heißt das?
Der Charme der Narzissten
Viele Narzissten haben ein gewinnendes Wesen, wirken geistreich, interessiert, können themenspezifisch sogar sehr gut zuhören. Oft sind sie gute Schauspieler, die den Laden in Schwung bringen, doch es gibt auch eine stillere Variante, die dann zu umfangreichen Monologen ansetzt, wenn ihr Thema dran ist. Es kommt drauf an, was Narzissten leicht von der Hand geht, das bauen sie aus, dort entwickeln sie Ehrgeiz, der Rest interessiert sie nicht. Für etwas zu arbeiten, was ihnen nicht auf Anhieb (oder viel schneller als „den anderen“) gelingt, kränkt sie und sie verlieren sofort das Interesse, denn eines ihrer Hauptmotive ist, dass sie anerkannt, bewundert und gelobt werden wollen.
Das macht sie oft zu Spezialisten und Perfektionisten im Leben. Ein Gebiet auf dem Frauen oft gut punkten können und für das sie anerkannt werden, ist das Aussehen. Schön und immer öfter sexy hat die Frau zu sein, aber Narzissten wollen eigentlich nicht irgendwem gefallen, sondern möglichst allen und wenn schon selektierend, dann den ganz Besonderen. Das bringt erkennbar Spannungen in eine Partnerschaft, denn normalerweise ist man am Ziel und befriedigt, wenn man eine Partnerschaft gegründet hat und kann die dortigen Möglichkeiten erkunden, doch bei Narzissten sieht das mitunter anders aus. Zwar können sie nahezu alles daran setzen jemanden zu erobern, oft um sich und der Welt zu beweisen, dass man jede(n) erobern oder haben kann, doch wenn das Ziel dann erreicht ist und das Objekt der Begierde tatsächlich anbeißt, ist, vielleicht nach einem kurzen Rausch, die Luft schnell raus.
Der Wunsch war ja zu erobern und wie im Leben des Narzissten die anderen oft nur Zuschauer sind, die durch beliebige andere ausgetauscht werden könnten – Hauptsache irgendwer schaut bewundernd zu, wer das ist ist egal, die Hauptrolle ist ohnehin vergeben – so ist es nicht selten auch in der Liebe.
Es sind die Beziehungen, in denen der eine scheinbar Himmel und Hölle in Bewegung setzt um den anderen endlich zu kriegen und wenn es gelungen ist, ist manchmal vom einen auf den andere Tag Schluss und der Eroberer wirkt total verändert und bisweilen desinteressiert, kalt, abweisend. Denn ebenso schnell wie sich Narzissten manchmal „verlieben“ (oft eher ein neidisches besitzen wollen) so schnell ist die Liebe dann auch wieder dahin, was natürlich die Partner entsetzt, traumatisiert und vor den Kopf stößt.
Aber bis dahin entwickeln Narzissten, die sich in den Kopf gesetzt haben jemanden zu erobern (was nicht selten eine eher sportliche, statt liebende Komponente hat) einen großen Charme und nicht selten umgibt sie eine Aura des Besonderen, manchmal des – durchaus anziehend wirkenden – Dämonischen, zunächst hat man das Gefühl es mit einem auf irgendeiner Ebene faszinierenden Menschen zu tun zu haben. Etwas zugespitzt formuliert kann man sagen: Sie kommen mit jedem klar, weil niemand sie interessiert. Außer anderen besonderen, mächtigen, skurrilen Menschen, die sich vom sie oft langweilenden Durchschnitt abheben und die sie zwischenzeitlich idealisieren und für sich ausschlachten können. „Stell Dir vor, wen ich kenne.“
Die vermeintliche Selbstliebe der Narzissten
Warum brauchen Narzissten eigentlich die ständige Anerkennung, sie lieben sich doch selbst?
Das dachte man früher, heute ist man zu der Überzeugung gelangt, dass Narzissten sich nicht selbst lieben, sondern hassen.[1] Als Kompensation für diesen Selbsthass, errichten sie (unbewusst) ein idealisiertes, grandioses Selbstbild und sind deshalb beständig darauf aus und angewiesen, es von anderen bestätigt zu bekommen. Dieses fragile idealisierte Selbstbild, können sie anerkennen, ihr tatsächliches Sosein nicht. Sie hassen es obendrein auf Lob von anderen angewiesen zu sein (aus Neid, denn sie können andere nicht loben, sich nicht herzlich und aufrichtig mit anderen freuen) und entwerten sogleich die sie Lobenden, als Leute, die sowieso nicht beurteilen können, was sie geleistet haben. Damit vergiften sie das, was sie so dringend brauchen, Lob und Anerkennung. Was sich anhört wie ein Teufelskreis, ist tatsächlich einer.
Der asymmetrische Narzissmus in der Liebe
Eine typische Form der narzisstischen Beziehung ist die asymmetrische Konstellation. Der große Mann (und wohl seltener: die großartige Frau) gibt sich die Ehre und lässt sich auf eine Beziehung ein. Das Mindeste was erwartet wird, ist andauernde Bewunderung und Dankbarkeit und es wird als schwere Kränkung empfunden, wenn diese ausbleiben. Im Vorbeigehen wird dem unterlegenen Partner genau erklärt, wie er sein Leben zu leben hat und wehe dem, wenn die Erwartungen nicht umgesetzt werden. Dem unterlegenen Partner muss immer klar sein, was er für ein Glück hatte, dass der andere, aus Güte und Großherzigkeit sich ausgerechnet ihm zuwendet.
So etwas kann eine Zeit lang klappen, doch die Gefahr ist gegeben, dass der unterlegene Partner den Narzissten schnell langweilig und sich selbst wahlweise schwer unter- oder überfordert und irgendwann gegängelt fühlt. Unterfordert, weil sein Leben auf bewundern, loben und dankbar sein reduziert ist. Überfordert, weil nie alles großartig am anderen ist und gegängelt, weil der Großartige stets besser weiß, was für den anderen das Richtige ist. Über kurz oder lang führt das zu Konflikten. Langeweile ist eine Reaktion auf die Asymmetrie, da der Bewunderer ebenso wie der Bewunderte als komplette Personen, mit alle ihren Widersprüchen und Facetten überhaupt keinen Raum haben, sondern auf enge Rollen reduziert sind. Solange beide mit exakt dieser Rollenverteilung zufrieden sind, kann so eine Konstellation klappen.
Nicht selten suchen sich Narzissten unbewusst Partner, die sozial oder intellektuell weit unter unter ihnen stehen, um den bewunderten Part einnehmen zu können.
Der symmetrische Narzissmus in der Liebe: Das perfekte Paar
Denkbar ist auch, dass zwei Narzissten sich treffen und lieben oder bewundern lernen. Da alle Narzissten Bewunderung brauchen, ohne jedoch selbst loben zu können, braucht das narzisstische Paar die öffentliche Bühne, auf der beide genügend Aufmerksamkeit bekommen. Allein unter sich kehrt auch hier schnell Langeweile in das „perfekte“ Leben ein und immer wieder Streits. Denn Aggressionen gehören zum Weltbild der Narzissten dazu. Ich/Wir hier oben und da der Pöbel, die dumme Masse. Man kann sich zwar eine Zeit lang damit über Wasser halten, dass man sich wechselseitig erzählt, wie anders, wie genial, erfolgreich, attraktiv oder originell man ist und lebt. Doch da das Bild was Narzissten über andere haben eben äußerst reduziert ist, kommt ein echter Vergleich nie infrage und wird auch gescheut. Verglichen wird das ideale Selbst mit zu Zerrbildern entwerteten anderen, da das Bild von anderen immer durch Neid geprägt ist: Die Idioten, mit ihren primitiven Vergnügen, stehen zwar weit unter uns, dummerweise macht ihnen ihr schlichtes Leben aber nicht selten mehr Spaß. Narzisstien spüren das manchmal wie einen Stachel und es macht sie ärgerlich bis depressiv.