Die Psyche in den Wechseljahren kann von einigen Veränderungen betroffen sein. Neben hormonellen Einflüssen können mitunter auch soziale Umbrüche eine Rolle spielen, die sich auf das seelische Erleben auswirken können.
Psyche in den Wechseljahren: Zeit des Umbruchs
Die Wechseljahre werden von vielen Frauen als eine Phase des Umbruchs erlebt. In einem durchschnittlichen Alter zwischen Mitte vierzig bis Mitte fünfzig erfolgen die hormonellen Umstellungen, die den Übergang zu einer Lebensphase kennzeichnen, in der keine Schwangerschaft mehr möglich ist. Etwa ein Drittel der Frauen scheinen kaum Beschwerden während dieser Zeit zu empfinden, andere bemerken lediglich leichte Auffälligkeiten. Doch etwa ein Drittel beklagt stärkere Symptome, die das körperliche Befinden und seelische Erleben deutlich beeinträchtigen.

Yoga ist gut für die Psyche in den Wechseljahren. © Dave Rosenblum under cc
Körperliche Symptome, die in den Phasen der Wechseljahre auftreten können, sind beispielsweise Hitzewallungen, unregelmäßige Blutungen, Schweißausbrüche, Kreislaufbeschwerden, Schlafstörungen oder häufig ein plötzlich auftretender starker Harndrang mit ungewolltem Urinverlust sowie eine Belastungsinkontinenz beim Husten, Lachen oder Niesen.
Psychische Belastungen bei einigen Frauen
Einige Frauen erleben im Zuge der Wechseljahre eine bemerkbare seelische Belastung. Dazu zählen beispielsweise psychische Symptome wie:
- vermehrte niedergeschlagene Stimmung und Antriebslosigkeit, bis hin zu eventuell depressiven Symptomen
- stärkere Müdigkeit, Erschöpfung und eine geringere Motivation
- erhöhte innere Anspannung, Nervosität und Ängstlichkeit, Sorgen machen
- Reizbarkeit und allgemein Stimmungsschwankungen
- verringerte Libido
- eventuell Konzentrationsprobleme
Die Wahrscheinlichkeit, während der Wechseljahre von einer depressiven Erkrankung oder Angsterkrankung betroffen zu sein, scheint laut einer Fach-Veröffentlichung in der Springer Medizin Zeitschrift »Drugs & Aging« aus dem Jahr 2022 erhöht zu sein. Weitere Forschung in Bezug auf etwaige ursächliche Ausmaße durch die hormonellen Veränderungen ist diesbezüglich jedoch vonnöten und muss noch abschließend geklärt werden.
Nicht zwangsläufig sind diese Veränderungen alleinig auf die hormonellen Umstellungen zurückzuführen. Gegebenenfalls können sich bei manchen Frauen bestehende seelische Belastungen durch die Wechseljahre noch verstärken.
Soziale Veränderungen im Lebensabschnitt
Neben den hormonellen Veränderungen, die eventuell ein verändertes seelisches Empfinden mit sich bringen können, finden bei einigen Frauen auch soziale Umbrüche während des Lebensabschnittes der Wechseljahre statt. Diese können zudem mit einer vermehrten empfundenen seelischen Belastung einhergehen. Vorstellbare psychologische Entwicklungsaufgaben, mit denen man in diesem Alter umgehen muss, können beispielsweise sein:
- das Altern der eigenen Eltern und hinzukommende Pflegeaufgaben
- gesundheitliche Probleme aufgrund eines älter werdenden Körpers
- Auszug der erwachsenen Kinder; möglicherweise Scheidung und Alleinsein
- berufliche Einschnitte, eventuelle Kündigung, ein niedrigeres Beschäftigungsniveau oder eine drohende schlechtere Absicherung im Alter durch die Erziehungsverantwortung in den vergangenen Jahren
- ein gefühlter Abschied vom Jungsein und der Möglichkeit, Kinder zu bekommen
- lang andauernde, innerlich schwellende seelische Konflikte, die nun aufbrechen
Psyche in den Wechseljahren stärken

Der zweite Lebensabschnitt einer Frau steht auch für ihre Chance auf mehr Unabhängigkeit und die Neuausrichtung ihrer Ziele. © Oregon Department of Transportation under cc
Im Durchschnitt scheinen die Beschwerden während der Wechseljahre etwa 7,4 Jahre anzudauern, wie eine Studie der Forschungsgruppe um die Professorin Nancy E. Avis von der Wake Forest University School of Medicine aus dem Jahr 2015 zeigt.
Frauen sind den auftretenden psychischen und körperlichen Symptomen nicht hilflos ausgeliefert. Neben einer angemessenen medizinischen und therapeutischen Versorgung, beispielsweise durch eine Hormonersatztherapie, nötigenfalls den Einsatz von Antidepressiva sowie eine passende psychotherapeutische Intervention, können sie auch selbst etwas tun, um ihr seelisches und körperliches Wohlbefinden zu stärken.
Möglichkeiten für mehr Wohlbefinden
In vielen anderen Kulturkreisen werden die Wechseljahre weniger negativ betrachtet, als es in den westlichen Gesellschaften mit einem Ideal von Jugend und Schönheit der Fall ist. Dort steht die Reife und die familiäre und soziale Einbindung älterer Frauen deutlich mehr im Mittelpunkt. Wohingegen in westlichen Kulturen die Wechseljahre eher mit einem »weniger gebraucht werden« verbunden sind. Demzufolge ist es auch eine Frage der Interpretation, wie positiv oder negativ sich der Blick auf die Wechseljahre gestaltet. Darüber hinaus können Frauen an den nachfolgenden Punkten ansetzen, um gut durch die Wechseljahre zu kommen:
- Eine gesunde Ernährung und sportliche Aktivitäten tragen zu einem verbesserten Wohlbefinden, nicht nur während der Wechseljahre, bei. Tabak- und Alkoholkonsum sind zu vermeiden.
- Eine gute soziale Einbettung durch die Familie und den Freundeskreis kann zur Verbesserung der Stimmung und einer stärkeren Ausgeglichenheit beitragen.
- In Bezug auf den eigenen Lebensweg können neue Ziele erwogen werden. Schließlich dauert das Arbeitsleben noch eine Zeit lang an und immer mehr Menschen entschließen sich, auch über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten. Neue berufliche Perspektiven können sich eröffnen und angegangen werden, jetzt, da die Kinder aus dem Haus sind.
- Achtsamkeitsübungen wie Yoga oder Meditation werden auch immer häufiger im klinischen Kontext bei Depressionen oder Angsterkrankungen als Ergänzung zu den eigentlichen Therapien eingesetzt. Regelmäßig im Alltag eingebaut bringen sie mehr Gelassenheit und ein höheres Wohlbefinden mit sich.
- Eine regelmäßige Tagesstruktur schenkt Sicherheit und kann das Angsterleben mindern. Phasen der Anstrengung sollten sich mit Phasen der Entspannung abwechseln. Neue Hobbys oder eine ehrenamtliche Tätigkeit erweitern den Horizont und bringen mehr Dankbarkeit in den Alltag.
Nicht zwingend müssen die Wechseljahre zu einer Phase im Leben werden, die mit einem gefühlten Verlust oder Abschied in Zusammenhang steht oder die Psyche in den Wechseljahren auf eine andere Art belastet. Vielmehr steht diese Phase auch für einen Neubeginn, für eine Chance. Immer mehr Frauen berichten, wie sie diese Zeit des Umbruchs und der neu gewonnenen Freiheit von bisherigen familiären Verpflichtungen nutzen, um sich beruflich und allgemein im Leben noch einmal völlig neu aufzustellen.
Fazit: Wechseljahre als Einladung zur Selbstfürsorge

Wechseljahre verändern das Frau-sein, doch nicht unbedingt zum Schlechteren. © Sketched Life under cc
Die Wechseljahre markieren einen biologischen, aber auch einen psychologischen Übergang. Frauen können sie für sich nutzen, um sich selbst bewusster zu begegnen. Womöglich machen sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder zum Mittelpunkt ihres Lebens. Über Jahre oder Jahrzehnte hinweg haben viele von ihnen Tag für Tag funktioniert: Kindererziehung, Pflege der Angehörigen sowie berufliche und familiäre Anforderungen. Durch die Wechseljahre entsteht möglicherweise erstmals wieder die Option, auf sich zu schauen. Wer bin ich jenseits der Verantwortung – und wer möchte ich sein?
Die Wechseljahre können mit viel Selbstreflexion einhergehen. Hinterfragt werden bisherige Werte, Überzeugungen und eingefahrene Verhaltensweisen. Zunächst sind manche Frauen vielleicht etwas orientierungslos, die neue Identität wirkt ein bisschen verloren. Oft erwächst aber aus der Unsicherheit Potenzial. Sind die Bahnen weniger festgefahren, kann man sie neu ausrichten. Das gilt für das Innenleben genauso wie für das äußere.
Wer den Mut hat, sich mit den emotionalen und existenziellen Fragen der Lebensphase zu beschäftigen, kann eine emotionale Reifung erfahren. Aus den Zweifeln, Unsicherheiten und Ängsten heraus können die Frauen lernen, mehr auf sich zu vertrauen. Sie können versuchen, weniger gefallen zu wollen, und stattdessen einfach mehr auf sich zu schauen. Sie lernen, ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen und falls nötig Grenzen zu setzen.
Bestenfalls geht damit einher, sich weniger Druck zu machen. Irgendwann erkennen viele, dass man nicht ständig funktionieren muss, nicht immer produktiv und sinnvoll handeln muss. Generell können und sollten alle Menschen sich das eigene Nicht-Funktionieren hin und wieder gestatten. Sich zu entspannen und Pausen zu nehmen, bedeutet, freundlich mit sich selbst umzugehen. Das gilt im normalen Alltag, aber umso mehr, sobald man sich überfordert, niedergeschlagen oder gereizt fühlt. Eine gesteigerte Sensibilität und Verletzlichkeit ist nicht unüblich in den Wechseljahren. Es kann sehr heilsam sein, solche Gefühle als Teil der eigenen Reifung zu begreifen.
Soziale Stabilität und Psyche
Ein gefestigtes soziales Umfeld trägt dazu bei, solide und mit stabiler Psyche durch diese Zeit des biologischen Umbruchs zu kommen. Familie, Freundschaften, Selbsthilfegruppen oder themenspezifische Online-Foren können emotionale Belastungen abmildern. Der Austausch mit anderen Frauen fördert das Verständnis für sich selbst. Zusammen ist man weniger allein, so heißt es doch.
Bei Bedarf kann eine psychologische Begleitung unterstützend dazu beitragen, seelische Lasten abzustreifen und neue Perspektiven zu entwickeln. Auch stabilisiert sie das Selbstwertgefühl. Es wird Zeit, sich von überholten Leitbildern wie einem Ideal, stets perfekt sein zu müssen, zu verabschieden. Wem es bisher noch nicht so gut gelungen ist, sich von solchen übersteigerten Erwartungen zu lösen, der kann in den Wechseljahren diese neue Sichtweise als Chance für sich begreifen.
Die Weiblichkeit neu entdecken
Mit den Wechseljahren verändert sich der Bezug zur eigenen Weiblichkeit. Das Ende der Fruchtbarkeit kann widersprüchliche Gefühle mit sich bringen. Manche empfinden es als befreiend, nicht mehr vom biologischen Zyklus beeinflusst zu sein. Andere empfinden einen Abschiedsschmerz. Damit zusammenhängen kann die Angst vor Vergänglichkeit oder dem Altwerden.
Ein bewusst neuer Zugang zu sich ist gefragt. Weiblichkeit endet nicht mit der Menstruation. Sie wird bewusster, kraftvoller, manchmal ungezwungener. Zahlreiche Frauen fühlen sich sogar erst jetzt zum ersten Mal in ihrem Körper wohl – weil sie irgendwelche Maßstäbe losgelassen haben.
Wechseljahre als Chance
Die Wechseljahre können demnach ein psychologischer Wendepunkt sein, bei dem das bisherige Leben reflektiert wird. Beziehungen werden geklärt oder neu ausgerichtet und man setzt sich mit sich selbst auseinander und wie das weitere Leben verlaufen soll. Solche Prozesse führen zwangsläufig zu emotionaler Reifung und persönlichem Wachstum.
Die Psyche in den Wechseljahren bringt so manches Mal gänzlich neue Lebensentscheidungen hervor. Manche Frauen gehen beruflich neue Wege, sie machen sich selbstständig oder beginnen ein Studium oder sie nähern sich einer anderen Beschäftigung an, die sie schon längst einmal umsetzen wollten. Die Wandlung führt weg von der Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen hin zu einem selbstbestimmteren Dasein und der Befreiung von seelischen Belastungen. Frauen, die sich diesem Prozess trotz mancher vielleicht unguter Gefühle und Empfindungen stellen, haben die Chance, aus den Wechseljahren stärker, ruhiger und selbstbewusster hervorzugehen, sich der eigenen Werte und Wertigkeit bewusst zu sein und einen Zugang zu sich zu finden.