Seit vielen Jahrzehnten erscheint uns die wahre Liebe wie ein heiliger Gral. Wer sie gefunden hat, kann sich glücklich schätzen. Doch woher weiß man, dass es wahre Liebe ist?

In Frauenmagazinen heißt es seit Jahrzehnten: Er liebt dich, wenn er aufmerksam ist, dir zu Weihnachten genau das schenkt, was du im Sommer mal beiläufig in einem Satz erwähnt hast. Ebenfalls gern herangezogen, wird das Beispiel: Wenn er dich liebt, wird er bei einem gemeinsamen Kinoabend mit dir eine Romanze ansehen anstatt einen Actionfilm. Aber sollen das wirklich Anzeichen von Liebe sein? Oder entsprechen diese Beispiele nicht vielmehr Klischees von Liebe und Romantik, welche uns in den Medien vorgespielt werden?

Interesse für den anderen versus Selbstaufgabe

Mal ehrlich, würde man von uns Frauen verlangen, dass wir bei einem gemeinsamen Kinoabend ihm zuliebe einen Actionfilm anstatt einer Romantikkomödie sehen sollen, würden sich viele von uns brüskieren. Von Selbstaufgabe wäre die Rede. Abhängigkeit. Wie viele von uns würden mitleidig lächeln, brächte sie ihm eine Flasche Bier für einen gemeinsamen Videoabend mit, nur weil er es eben gern mag. Wenn er mit ihr ins Museum geht, ist das für viele von uns ein Anzeichen von Liebe. Aber was ist damit, wenn sie ihn auf einem Paintball-Treffen mit seinen Jungs begleitet?
Oft ist es nur eine Frage der Perspektive, die uns dabei helfen kann, Stereotype zu hinterfragen – um sich darüber Gedanken zu machen, was wahre Liebe tatsächlich sein könnte und anhand welcher Punkte man sie womöglich erkennt.

Woran erkennt man denn nun wahre Liebe?

nackte Frau im Zimmer, Spiegel, Schatten

Eine Voraussetzung für wahre Liebe bedeutet: sich aus der eigenen Isolation heraus zu begeben © Leda Carter under cc

Ziehen wir einmal Wissenschaft und Forschung dazu heran. Nach Sichtung der Studienlage ergeben sich einige wunderbar einfache Aspekte von Liebe, die – auf den Einzelfall betrachtet – nicht zwingend auftreten müssen und sicherlich nicht erschöpfend sind.

Narzissmus/Selbstbezogenheit geht konträr zu Liebe

Obwohl sie natürlich nicht bei einem Paintball-Spiel dabei sein muss, wenn es so ganz und gar nicht ihrem Gemüt entspricht, und er sich auch nicht genötigt fühlen sollte, ins Museum zu gehen, wo er dann fortwährendes Gähnen unterdrücken muss (wie man sieht, funktioniert das Spielen mit Klischees auch in diesem Artikel), kann als ein Grundpfeiler der Fähigkeit zu Liebe Empathie verstanden werden. Geht die Konzentration auf sich selbst derart weit, dass ein Einlassen auf den anderen nicht möglich ist, wird es schwerlich zu Liebe kommen können. Narzissmus und Selbstbezogenheit gehen demnach konträr zu Liebe.

Neuropsychologische Studien zeigen, dass Verliebtheit eher mit Belohnungszentren in unserem Gehirn assoziiert ist, Liebe dagegen mit Empathie und Fürsorge. Der Teufel steckt im Detail. Überspitzt gesagt, konzentriert sich Verliebtheit mehr auf einen selbst, wahre Liebe dagegen eher auf den anderen. Verliebte mögen die Gefühle, die der andere in ihnen auslöst. Sie spüren die Aufregung. Die Aufmerksamkeit, die der andere ihnen entgegenbringt, aber auch die Art, wie der andere einen sieht.
Bei wirklicher Empathie und Fürsorge geht es eher darum, sich selbst zurückzunehmen. Seine Kenntnisse und Fähigkeiten für den anderen einzusetzen, damit es ihm – etwa nach einem schlechten Arbeitsalltag – wieder gut geht. Der Grad ist ein schmaler, da ja auch das Gefühl, jemandem helfen zu können, positive eigene Gefühle erzeugt. Liebe ist also mit vielen Facetten verwoben, die nicht immer unbedingt voneinander abgrenzbar sind.

Beinahe klassisch erscheinen uns unter diesem Punkt Aspekte wie Zuhören, nächtelang Gespräche führen, verzeihen können, weil man den anderen und seinen Standpunkt versteht.

Menschliche Gehirne sehnen sich nach Verbundenheit

Seit Jahrtausenden ist es für das Überleben der Menschen wichtig, im Verbund mit anderen zu agieren. Wer allein war, der hatte schlechte Chancen, den nächsten Winter überleben zu können. Auch wenn sich in unserer heutigen Gesellschaft diese Überlebenschancen verbessert haben, menschliche Gehirne sehnen sich fortwährend nach Verbundenheit.

Aus der Forschung weiß man, dass Menschen, die sich in bestimmten Situationen miteinander verbunden fühlen, einander Mimiken und Gestiken spiegeln, bis hin zu einzelnen physiologischen Parametern, die sich angleichen.

Oxytocin, auch „cuddle hormone“ beziehungsweise „Kuschelhormon“ genannt, wird ausgeschüttet, wenn wir Küsse und Umarmungen erhalten. Dadurch fühlen wir uns mit dem anderen verbundener.

Bedeutet Liebe automatisch Sex?

Mann und Frau umarmen sich

Umarmungen und Küsse schaffen Verbundenheit © Christian Gonzalez under cc

Die Forschungslage zeigt, dass die Häufigkeit für Sex in Beziehungen mit der Intensität der Liebe korrelieren kann. Allerdings fanden sich bei etwa 25 % der Probanden einer Studie, dass diese nach eigenen Angaben ihren Partner zwar intensiv lieben, obwohl beide im Monat zuvor keinen Sex gehabt hatten. Wie bei so vielem scheint dies vor allem individuums- und situationsabhängig zu sein und nicht zwangsläufig miteinander in Beziehung zu stehen.

So simple wie es ist: Liebe bedeutet Arbeit

Während Verliebtheit beinahe von selbst kommt, bedeutet wahre Liebe immer auch ein Stück weit Arbeit: an sich selbst, an dem anderen, sowie an der Beziehung.
Man teilt den Alltag miteinander und viele Probleme, die es zu bewältigen gilt. Das schafft Konfliktpunkte, schweißt aber auch zusammen. Selbstreflexion als unabdingbare Voraussetzung für wahre Liebe.

Der andere „erstrahlt“ in positivem Licht

Studien weisen darauf hin, dass Menschen, die einander erfolgreich lieben, in positivem Sinne aneinander denken, wenn sie sich an verschiedenen Orten aufhalten. Selbstredend bezieht sich das nicht zwangsläufig auf die erste Wut nach einem Streit. Vielmehr ist gemeint, dass man im Allgemeinen auf die positiven Eigenschaften des anderen fokussiert ist. Natürlich kennt man auch seine Schwächen, aber diese stehen erst in zweiter Reihe.

Hier schleicht sich eine kleine selbsterfüllende Prophezeiung ein: Genauso wie Menschen sich fröhlicher fühlen, wenn sie beginnen zu lächeln, genauso erstrahlt der Partner in positivem Licht, je positiver die Gedanken sind, die auf ihn Bezug nehmen. Dieser kleine Kniff der Natur ist nicht weiter verwerflich und steht der wahren Liebe sicher nicht im Wege. Aber Achtung: Sich einen ganz und gar nicht passenden Partner schön zu reden/denken, dürfte schwierig werden, da dann der Unmut überwiegt.

Wer sich attraktiv findet, der wächst zusammen

Aus Studien weiß man, dass Menschen, die einander attraktiv finden, stärker emotional zusammenwachsen können. Demnach kann physische Anziehung eine Art „Make-up“ für einige Unstimmigkeiten in der Beziehung sein. Selbst wenn es bei Themen wie Geld oder ähnlichem zu Beziehungsstress kommen kann, berichten Paare durchaus von intensiver Liebe zueinander, solange sie sich physisch attraktiv finden. Auch hier gilt vermutlich: Das Maß ist entscheidend. Selbst der schönste Partner kann verblassen, wenn mit ihm kein Auskommen ist.

Ohne Selbstzufriedenheit keine Liebe

Rückansicht eines Paares auf der Straße, Hände haltend

Wahre Liebe als lebenslange Reise und Entwicklung © Federico Ettlin under cc

Ähnlich wie bei Empathie und Co. gilt auch die Selbstzufriedenheit als ein Eckpfeiler für wahre Liebe. Zwar kann eine Beziehung die individuelle Zufriedenheit erhöhen, aber die Rolle der eigenen Zufriedenheit sollte dabei nicht unterschätzt werden. Salopp formuliert: Man muss mit sich im Reinen sein, um sich auf den anderen einlassen zu können. Nur so ist es auch möglich, sich von dem anderen angenommen zu fühlen. Eine Grundvoraussetzung für Glück in der Partnerschaft.

Die Studienlage untermauert vor allem für die Gruppe der Frauen, dass die persönliche Zufriedenheit mit dem Empfinden von Liebe in der Partnerschaft korreliert.

Gemeinsame Erfahrungen stützen Liebe

Gemeinsame Erlebnisse (ohne totale Selbstaufgabe) schaffen Verbundenheit. Ob es sich dabei um das gemeinsame Erlernen neuer Fähigkeiten handelt (Tanzen, Sprache etc.) oder darum den Erfahrungsschatz zu erweitern, indem man zum Beispiel eine Städtereise tätigt, ist zweitrangig. Es sollte für beide Partner von Bedeutung sein. Lässt man einmal die Klischees außen vor (wie Tanzkurs oder Städtereise), kommt man auch auf wunderbare Alltagsdinge, die man miteinander teilen kann: Kochen, Gespräche etc. reichen schon aus, um Verbundenheit in der Partnerschaft zu schaffen.

Life is a Journey – Partnerschaft auch!

Die eigene persönliche Entwicklung im Auge zu behalten, genauso wie die des Partners und auch die Entwicklung als Paar kann von großem Nutzen für eine Partnerschaft sein. Einander zu stützen und zu fördern, um als Gemeinschaft stärker zu werden, kann ein wunderbares Ziel für Leben und Liebe sein.
Paare, welche ihre Beziehung als lebenslange Reise betrachten, bei der man sich immer wieder weiterentwickelt, haben gute Chancen auf wahre Liebe und lebenslanges Beisammensein.

Quellen