Nach einer chronischen Traumatisierung in der Kindheit oder/und durch Narzissmus in der Partnerschaft etc. sind die betroffenen Menschen oftmals fehlgeprägt. Nicht wenige halten die toxische Behandlung, die ihnen widerfahren ist, für normal, weil sie es schlichtweg nicht anders kennen. Menschen, die ihre chronische Traumatisierung erkannt haben, beginnen zumeist, diese aufzuarbeiten. Die Erkenntnis rückt die Heilung und nicht mehr das Leiden in den Fokus. Man beginnt den Weg der Genesung zu beschreiten. Einige Anzeichen einer psychischen Stärkung beziehungsweise einer psychischen Erholung nach einer Traumatisierung haben wir bereits im ersten Teil dieser zweiteiligen Artikelreihe (Link: Anzeichen der Heilung von einer Traumatisierung – Psychisches Wachstum (1)) aufgezählt. Daran schließen wir nahtlos an. Hier sind weitere Anzeichen, die dir zeigen können, dass du nach einer chronischen Traumatisierung auf dem Weg der inneren Heilung bist.

Anzeichen für eine psychische Erholung nach einer Traumatisierung

Blumenwiese mit Baum Himmel Sonnenschein

Statt durch grauem Nebel gehst du aufrecht durch ein Leben mit Licht. © David Schiersner under cc

Viele Menschen, die nach einer chronischen Traumatisierung heilen, berichten davon, wie sich plötzlich Verhaltensänderungen, neue Gedanken oder eine abgeschwächte Impulsivität etc. einstellten. Sie fühlten sich weniger ausgeliefert. Mit jedem Mal, wenn sie eine Änderung bei sich bemerkten, waren sie überrascht davon, dass es plötzlich so anders ist. Der Weg der inneren Heilung ist ein Weg der Aufgeschlossenheit, der Geduld und Nachsicht mit sich, der Zurückgewinnung des Vertrauens in sich, der Gelassenheit und der Selbstliebe. Gehen wir ihn weiter und betrachten nachfolgend gemeinsam weitere Wegpunkte auf diesem Lebensweg.

Du schaust mit mehr Abstand auf deine Vergangenheit

Nachdem man erkannt hat, dass einem in der Kindheit durch ungesunde Verhaltensmuster deiner Bezugspersonen eine chronische Traumatisierung widerfahren ist, erscheint das komplette Leben und alles, was man kannte, in einem neuen Licht. Nicht jeder, der chronisch traumatisiert ist, hat in seiner Kindheit zwangsläufig körperliche Gewalt oder sexuellen Missbrauch erfahren. Sehr häufig können der Traumatisierung ein emotionaler Missbrauch und Vernachlässigung zugrunde liegen. Viele Eltern sind sich bezüglich ihres Verhaltens gar nicht bewusst, da sie gleichermaßen einen Missbrauch in ihrer Kindheit erfahren haben.

In einer Studie der Berliner Charité wurden Kinder untersucht, die eine schwierige Kindheit haben. Im Zusammenhang damit wird in der Dokumentation „Traumatisiert – die Psyche im Ausnahmezustand“ eine schwierige Kindheit wie folgt umrissen:

Die 86 Kinder der Berliner Kinderstudie haben das, was man eine schwierige Kindheit nennt. Ihre Eltern kümmern sich wenig um sie, sind schnell gereizt und werden leicht wütend. Zudem ist die finanzielle Lage der Familien oft angespannt.

(aus der Dokumentation: Traumatisiert – die Psyche im Ausnahmezustand)

Wenn du von einer chronischen Traumatisierung heilst, brichst du folglich eine Generationslast auf. Du erkennst die schädlichen Verhaltensweisen und möchtest diese im Umgang mit deinen Kindern verändern. Vielleicht fühlte die Angst in deinem Inneren sich für dich so normal an, dass du diese gar nicht mehr als Angst erkannt hast, weil du dieses Gefühl der angstvollen Anspannung seit deiner Kindheit nicht anders gewohnt bist? Du dachtest, es wäre dein Normalzustand.

Bei der Heilung registrieren wir mehr und mehr, wie sich innerer Frieden anfühlt. Immer öfter erleben wir Momente, die uns vollkommene Zufriedenheit schenken. Wir werden innerlich stabiler und sind emotional und gedanklich immer öfter bei uns. Aus dieser Distanz heraus schauen wir weniger mit Groll, Scham oder Selbstmitleid auf das, was uns an Missbrauch widerfahren ist. All diese Gefühle sind berechtigt und dürfen auch sein. Im Laufe der Heilung schwächen sie sich immer weiter ab. Wir wissen, dass wir jetzt in Sicherheit sind und die Kontrolle über unser Leben haben.

Selbstfürsorge: Du erkennst, wann du eine Pause brauchst

Frau im Park Yoga Kriegerposition

Du nimmst dich bewusst zurück und gewährst dir Pausen. © Dave Rosenblum under cc

Ein Anzeichen für die psychische Erholung nach einer Traumatisierung durch eine emotionale Abhängigkeit in der Kindheit oder durch einen narzisstischen Partner ist, dass du viel eher spürst, wann du erschöpft oder überfordert bist und eine Pause brauchst. Anstatt dass du dich für andere aufopferst, dich ständig von ihnen treiben lässt und irgendwann vor Erschöpfung emotional eskalierst, gewährst du dir viel früher die Möglichkeit des Rückzugs und der Ruhe. Und noch viel wichtiger: Du hast verstanden, dass du ein Recht darauf hast.

Selbstabgrenzung: Du kannst „Nein“ sagen

Vielleicht bereitet es dir noch Unbehagen, eine Frage oder Bitte von einem anderen mit Nein zu beantworten. Aber irgendwann stellt es sich automatisch ein. Das „Nein“ kommt einfach aus deinem Mund. Du setzt Grenzen und das sogar ohne Schuldgefühle.

Du suchst dir Hilfe, wenn du Hilfe brauchst

Natürlich sind nicht alle Menschen Feinde. Aber wenn man chronisch traumatisiert ist, neigt man dazu, sich abzuschotten aus der Angst heraus, verletzt zu werden. Bei deiner Heilung triffst du auf neue Menschen, die dir mit aufrichtigem Interesse und Wärme begegnen. Du beginnst dich zu öffnen. Manche davon werden zu deinen Freunden. Wie selbstverständlich entwickelt sich mit der Zeit ein natürliches Gleichgewicht zwischen euch. Ihr seid füreinander da und du baust dir mehr und mehr ein soziales Netzwerk auf, das dich stützt. Auch Selbsthilfegruppen sind eine wunderbare Gelegenheit, auf Gleichgesinnte zu treffen.

Du bist authentisch

Je mehr du innerlich heilst, desto authentischer wirst du. Es dauert etwas, bis man innerlich wahrhaftig fühlt, dass es vollkommen in Ordnung ist, wie man ist. Damit einhergehend hörst du auf, dich zu verstellen und aus Gründen des Selbstschutzes oder der Aufrechterhaltung der Fassade eine Rolle zu spielen.

Du erkennst deine Wünsche und Bedürfnisse

Bei chronisch traumatisierten Menschen konnte sich die eigene Persönlichkeit oftmals nicht entwickeln. Weil die Menschen in ihrem Umfeld zu viel Raum für sich beanspruchten und zu wenig Verantwortung für sich übernahmen, wurde es den Kindern gewissermaßen nicht erlaubt, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse kennenzulernen. Viele dieser traumatisierten Erwachsenen wissen im Grunde gar nicht, wer sie eigentlich sind. Im Laufe der Heilung entwickeln sie ein tieferes Verständnis von sich. Sie erspüren ihre Ziele und Wünsche und Vorstellungen vom Leben.

Du löst deinen Selbstwert von deinem Outcome

Sporthalle Mannschaft no Stress no Smoking Schilder

Durch die Heilung von einer Traumatisierung wirst du gelassener. © Lisa Risager under cc

Chronisch traumatisierten Menschen wurde in der Kindheit zumeist suggeriert, nicht zu genügen. Ihnen wurde der Wert abgesprochen. Stattdessen wurden sie häufig bewertet, was für nicht wenige in negativen Konsequenzen mündete. Diese Leistungs- und Bewertungsangst als eine Folge davon, ebenso wie Minderwertigkeitsgefühle, zwanghafter Perfektionismus oder andererseits z. B. Prokrastination als eine Arbeitsstörung, trägt sich bis ins Erwachsenenalter. Ein Anzeichen für die psychische Erholung nach einer Traumatisierung ist, dass du bei der Arbeit dein Bestes gibst, ohne dich unter höchstem Stress und verbunden mit Versagensängsten vollends zu verausgaben. Erhältst du negatives Feedback, wirft es dich weniger aus der Bahn. Stattdessen erkennst du es an und verbesserst dich. Du hast erfahren während deiner Heilung, dass auch der Arbeitsprozess ein beständiger Lernprozess ist und negatives Feedback dein Leben nicht zum Einstürzen bringt und du deshalb nicht weniger wert bist. Im Gegenteil, dein Leben läuft weiterhin stabil und du nutzt die Gelegenheit, dich weiterzuentwickeln und zu verbessern. Selbst wenn du das Feedback zunächst erst einmal sacken lassen musst.

Erholung von einer Traumatisierung: Du lernst loszulassen

Dinge auf sich zukommen lassen, war für viele von uns ein Ding der Unmöglichkeit. Wie soll das gehen, wenn man nicht alles kontrollieren kann? Das Leben könnte einen überwältigen und dann ist alles vorbei! So ähnlich war das Mindset bei vielen von uns aufgestellt. Im Laufe der Selbstentwicklung schaffst du wirklich loszulassen, ohne dich in alle möglichen antizipierten Katastrophen-Eventualitäten zu verstricken. Du hast verstanden, dass du nicht alles kontrollieren kannst und musst. Du vertraust darauf, dass du die Dinge lösen wirst, wenn die Zeit reif dafür ist. Alles, was du im jeweiligen Moment zum Lösen eines Problems tun kannst, tust du, aber ansonsten übst du dich in Loslassen. Das lässt dich ruhiger durch das Leben gehen.

Gehst du den Weg der Heilung nach einer Traumatisierung, nutzt du die zweite Chance auf ein erstklassiges Leben (da dir die erste Chance in deiner Kindheit versagt wurde).

Auf deinem Weg der psychischen Erholung nach einer Traumatisierung wünschen wir dir weiterhin viele Erkenntnisse und weitere Zugewinne an Stabilität, Stärke und Selbstliebe. Die in der Artikelreihe getätigte Aufzählung der möglichen Verbesserungen auf deinem Weg der Genesung ist nicht erschöpfend und muss nicht zwangsläufig vollständig zutreffen. Sei nachsichtig mit dir, wenn du einige dieser Punkte bei dir nicht beobachten kannst. Vieles wird sich ändern – und auf jeden Fall zum Guten! Du warst in deiner Kindheit ein Überlebender, jetzt wirst du ein Lebender!