Manchmal ist weniger tatsächlich mehr. © Brigitte Machscheidt under cc

Es ist nicht so, wie du denkst, lautet der Klassiker in Filmen, wenn er oder sie gerade in flagranti erwischt wird. Meistens ist es dann doch das, was man denkt. Bei der Frage nach Glück und Zufriedenheit scheint der Satz aber oft seine volle Berechtigung zu haben.

Glücklich und zufrieden wollen wir vermutlich alle sein, aber nicht jeder ist es. Dabei sind die Wege zum Glück, die wir im ersten Teil von Glück und Zufriedenheit ausführten, durchaus verschieden. Doch zeigen sich immer wieder merkwürdige Befunde.

Denn einerseits wissen wir natürlich selbst am besten, ob wir glücklich oder zufrieden sind und in welchem Ausmaß. Da ist es wie bei Schmerzen, Stress. Lärm oder Freude, wer sollte besser darüber Auskunft geben können, als der jeweils betroffene Mensch? Ebenso wie wir wissen, ob und wie zufrieden wir sind, wissen wir auch, was uns glücklich macht, oder?

Tatsächlich sind an diesem Punkt gewisse Zweifel angebracht und wie Bas Kast in seinem Buch Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und wo das Glück zu finden ist schreibt, wollen wir eigentlich überraschend bis erschreckend oft das Falsche, zumindest dann, wenn es darum geht, dass wir wirklich glücklich werden wollen.

Denn Glück, damit verbinden wir oft Gesundheit, einen gewissen Wohlstand und dass wir selbst entscheiden können, wie wir leben wollen. Das klingt solide und sogar noch einigermaßen bescheiden, wenn wir voraussetzen, dass Menschen, die glücklich werden wollen, dies nicht dadurch tun, dass sie andere drangsalieren, erpressen oder übers Ohr hauen. Gehen wir von normal netten Menschen aus, wie Sie und ich es sind, dann könnte man sagen, dass Gesundheit, Wohlstand und die Freiheit, sich entscheiden zu können schon einen Großteil dessen ausmachen, was uns glücklich macht.

Für die Gesundheit wird das in einem hohen Maße stimmen, obwohl es auch hier bedeutende und daher individuell mögliche Abweichungen existieren. Menschen, die gesund sind, können an dieser beglückenden Tatsache durchaus vorbei leben und ihren Status als Selbstverständlichkeit des Lebens ansehen. Das ändert sich dann irgendwann, wenn man mit den ersten und folgenden Zipperlein konfrontiert wird oder tatsächlich ein größeres Unglück das eigene Leben heimsucht.

Im Rückblick und durch die neue Perspektive dessen, was einem genommen wurde erkennt man dann, was man am bisherigen Leben hatte, oft ohne dass einem das zuvor immer bewusst war. Es ist halt für die meisten normal, gesund zu sein. Und Normalitäten zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass wir sie nicht wahrnehmen.

Das Verhältnis von Wohlstand und Glück

Wer arm ist, sehnt sich nach Wohlstand, in jeder Beziehung. Oft ist mit Wohlstand aber allein ein materieller gemeint, also im besten Fall das klassische Lebensmodell, war heute schon immer weniger gilt: Beruf, Ehe, Auto, Kind, Haus und Hund. Fertig ist das Lebensglück.

So zumindest das Klischeebild der letzten Jahrzehnte, für die schrumpfende Mittelschicht. Daneben gibt es mehr Menschen, als es uns als Gesellschaft gefallen kann, die in den Genuss der meisten materiellen Zutaten zum Glück gar nicht kommen. Ihr erster Wunsch ist daher auch die Teilhabe, weil sie das nachvollziehbare Gefühl haben, von wichtigen Bereichen des Lebens ausgegrenzt zu sein und ein Leben bestenfalls zweiter Klasse zu führen. Man überlebt, kommt irgendwie durch, wird überall mit Basisprodukten und -leistungen abgefertigt, mehr aber auch nicht. Eine Änderung ist nicht zu erwarten.

In Folge (1) lesen wir:

„Aber was ist Glück eigentlich? Sind es kurze Glücksmomente, die wir da im Blick haben oder ist mit Glück eher eine dauerhafte Grundstimmung gemeint? Eine aktuelle statista-Umfrage in Deutschland: “Was glauben Sie, was macht einen Menschen glücklich?” wird auf Platz 1 zu 89 % mit Gesundheit beantwortet, es folgen Partnerschaft (79 %), Familie (74 %), Menschen (68 %), eine Aufgabe (64 %), Kinder (62 %), Beruf (59 %) und weitere. Die Auswahl zeigt, dass hier viel eher der langfristige Zustand gemeint ist, als die Glücksmomente.“[1]

Materielle Güter sind unter den ersten Nennungen gar nicht dabei. Aber dennoch sind ein wenig mehr Auswahl, etwas mehr PS im Wagen und Quadratmeter in der Wohnung ja auch nicht zu verachten, auch das Gehalt darf ruhig noch etwas weiter steigen, wenn man schon oder noch zur Mittelschicht gehört. Die Abstiegsangst, gehört in ihr nicht selten längst dazu. Also, wenigstens noch mitnehmen und genießen, was man sich ja nicht selten durch harte Arbeit erworben hat?

Bas Kast untersucht die Ziele und sein Befund ist nahezu überall: Es ist nicht so, wie du denkst. Natürlich wünschen wir uns mehr, wenn wir wenig haben. Aber wann ist es eigentlich genug? Genug nicht in einem moralischen (manchmal moralistischen) oder Verbotssinn, sondern bezogen auf das, was uns glücklich macht.

Wir wollen die Wahl haben, niemand soll uns etwas vorschreiben. Das haben wir uns hart erkämpft, aber bereits bei so etwas mehr oder minder Banalem wie dem Fernsehprogramm, neuerdings dem bezahlten, dreht sich die Geschichte ein wenig. Die Auswahl wird größer, aber wir müssen eben auch unser eigener Programmdirektor werden. Das bindet Kräfte und Zeit, auch wenn es lächerlich klingt, aber es ist in dem Moment nicht mehr lächerlich, wenn das gleiche Muster sich auf zig weitere Lebensbereiche erstreckt, wie man ausführlicher in Wenn Wahrnehmung und Realität von einander abweichen nachlesen kann. Ein Land wird zur Servicewüste, beworben wird das mit der sympathischen Formel, dass man dies, das und jenes jetzt ganz bequem von zu Hause aus erledigen kann. Verschwiegen wird, dass man es neuerdings selbst machen muss.

Aber ist es nicht genau das, was wir wollten, mehr Auswahl und Selbstbestimmung? Ja, und Bas Kast stellt dar und belegt, dass uns das nicht glücklicher macht, sondern unzufriedener. Wenn wir keine Wahl haben, ist das schlecht, eine überschaubare Auswahl zu haben, macht froh, wird die Auswahl gewaltig, sind die Menschen verwirrter und haben sie schließlich eine Entscheidung getroffen, sind sie mit dieser messbar unzufriedener.

Freiheit und Glück

Das setzt sich fort, bis in Lebensbereiche, in denen wir uns unsere Freiheiten gesellschaftlich hart erkämpft haben. Die Rechte von Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderung oder einer abweichenden Sexualität wurden gestärkt, wir können stolz darauf sein. Doch die Befunde von Kast sind mitunter verstörend. Die Frauen der Amish, einer christlichen Religionsgemeinschaft in den USA, die auf so gut wie alle Formen der Modernisierung verzichtet, sind in eine rigide und antiquiert wirkende Form von patriarchaler Hierarchie eingebunden. So weit, so gut oder schlecht und Kast betont, dass er das niemals wieder als Gesellschaftsmodell will. Aber die Amish sind nicht nur so gut wie allen Medizinstudenten bekannt, weil sie wenig krank werden und die längste Lebenserwartung haben, auch ihre Frauen sind im Durchschnitt wesentlich zufriedener als weitaus liberaler lebende Frauen der Gegenwart.

Alles im Leben der Amish ist penibel vorgeschrieben, die Freiheit wirkt da dramatisch eingeschränkt, dennoch scheint es ihr Glück nicht zu trüben. Gestüzt wird der Befund auch durch Ulrich Schnabel und sein Buch Die Vermessung des Glaubens, in dem er aufzeigt, dass Religionsgemeinschaften mit hohen Hürden beliebter sind, als solche, die jeden aufnehmen.

Aber wie sind diese Befunde in eine moderne Lebenspraxis zu übersetzen? Schauen wir weiter, nämlich auf den Zusammenhang von Geld und Glück.

Geld und Glück

Vielleicht das schwierigste Thema. Unsere Gesellschaft ist ohne Geld nicht mehr vorstellbar, ob das eher gut oder schlecht ist, darüber wird gestritten. Mit Geld kann man sich einiges kaufen, auch das, von dem man sich ein wenig Glück verspricht. Schön, wenn man sich das eine oder andere leisten kann.

Eines soll klar sein. Wer wenig Geld hat profitiert fast immer davon, wenn er mehr bekommt, doch auch Geld ist mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Erstens, bleibt der Zugewinn an Glück hinter dem Zugewinn an Geld recht bald zurück. Soll heißen: Mehr Geld macht erst mal glücklicher, aber sehr bald schon nicht mehr und ob man dann zwei, vier oder 20 mal mehr Geld zur Verfügung hat, spielt dabei keine Rolle mehr.

Der nächste Punkt: Geld macht distanziert. Wer nichts hat, ist dann und wann auf die Hilfe anderer angewiesen. Die helfen einem auf lange Sicht aber nur, wenn man ihnen auch hilft. Also muss man nett und hilfsbereit sein und ein soziales Netz um sich haben, wie die Amish. Das kann durchaus zum engen Korsett werden und einem sogar die Luft zum atmen rauben, aber auf der anderen Seite ist immer jemand da – ob man will, oder nicht.

Unsere Gesellschaft funktioniert ähnlich, nur sind die Regeln nicht so rigide. Es gibt aber eine Ausnahme. Wer genug Geld hat, braucht nicht nett zu sein, der kauft sich im Zweifel nämlich die inzwischen für alle Lebensbereiche existierenden Profis. In den Worten von Bas Kast:

„Unsere Möglichkeit, in so gut wie jeder Lebenssituation auf professionelle Unterstützung zurückgreifen zu können, hat unsere Freiheit, Unabhängigkeit und Mobilität einmal mehr erhöht – wenn man die Leute, auf deren Hilfe man angewiesen ist, nicht kennen muss, um diese Hilfe zu bekommen, kann man gehen, wohin man will. Sobald man genügend Geld hat ist man im Prinzip überhaupt nicht mehr auf persönliche Beziehungen, etwa einen Freundeskreis, angewiesen. Zugleich fördert die Professionalisierung des Soziallebens das Bruttoinlandsprodukt: Jeder Termin mit einem Psychotherapeuten schlägt konjunkturell zu Buche, während ein Abend unter guten Freunden in dieser Hinsicht weitgehend wertlos ist.“[2]

Geld löst also die sozialen Kontakte, das scheint auf mehreren Ebenen nachweisbar zu sein. Man muss schon nett sein, um stets viele andere mobilisieren zu können, mit Geld bekommt auch der größte Drecksack, was er will. Allerdings eben nur für die Dauer einer Geschäftsbeziehung und wir Menschen sind Beziehungswesen, die echte Kontakte brauchen. Obendrein sogar lange und tiefgehende Beziehungen, sei es zu engen Freunden, Familien oder Partnern. Geld dämpft den Schmerz sozialer Ausgrenzung aber glücklich scheint es nicht zu machen. Das sieht man daran, dass zwar viele reichere Länder vordere Plätze in in der Glücksstatistik einnehmen, aber eben auch arme, in denen sozialer Zusammenhalt groß geschrieben wird.