Glück und Zufriedenheit sind nicht alles. Doch alle streben wir mehr oder weniger Glück und Zufriedenheit an. Unser Leben kann glücklich, gelungen, gut, wertvoll oder auch erfolgreich sein. Das ist nicht dasselbe, obwohl es Überschneidungen gibt. Das Leben eines Tyrannen kann erfolgreich gewesen sein, gut war es nicht. Ein für die Menschheit wertvolles Leben muss nicht zwingend glücklich gewesen sein, und so weiter.
Es gibt Grund zur Skepsis, wenn man vom Glück allzuviel redet, schreibt und liest, liegt der Verdacht ja schon nahe, dass es mit dem eigenen Glück nicht so weit her ist. Wer sucht schon Glück und Zufriedenheit, außer dem, der sie noch nicht gefunden hat? Auf der anderen Seite, ein bisschen mehr geht ja immer. Oder ist das schon Maßlosigkeit? Eventuell eine, die dem Glücklichsein sogar im Weg steht? Aber vielleicht ist auch das schon eine Anmaßung, das Glück mit moralischen Kategorien zu versehen. Dann wäre eben ein gutes oder wertvolles Leben nicht zwingend ein glückliches. Denn man kann auch ein mieser Mensch sein und dennoch glücklich, zumindest bis zum Beweis des Gegenteils.
Glück, oder noch mehr das Glücklichsein, gehört zu jenen Eigenschaften, die einem andere nicht zuschreiben können. Man weiß nur selbst, ob man glücklich ist. Andere können darüber befinden, ob das Leben des anderen erfolgreich oder gelungen war, das ist eine eher öffentliche Zuschreibung, aber glücklich? Man kann allenfalls noch erklären, in dieser oder jener Situation hätte jemand verdammtes Glück gehabt, etwa bei einem schlimmen Unfall mit heiler Haut davon gekommen zu sein. Aber das kann genau den gegenteiligen Effekt haben. Nicht wenige bekommen Schuldgefühle und werden depressiv, wenn ihnen ein solches „Glück“ widerfährt. „Warum ich?“, fragen sie sich. Gewöhnlich meinen wir es genau spiegelbildlich, wenn wir „Warum immer ich?“ fragen. Warum habe ich immer so ein Pech und den anderen geht es so gut? Doch auch das Gegenteil macht uns keinesfalls zwangsläufig froh, scheinbar unverdientes Glück können wir nicht gut annehmen.
Auf der anderen Seite ist das verdiente Glück natürlich irgendwann auch kein Glück mehr, sondern mehr oder weniger das, was man als gerechten Lohn empfindet. Wer intensiv für eine Prüfung lernt, wird weniger das Gefühl haben, riesiges Glück gehabt zu haben, er war ja an sich sehr gut vorbereitet. Glücklich kann man dennoch sein, wenn man ein Ziel erreicht hat, auf das man zusteuerte.
Der statistische Ansatz
Das irgendwie zur Mode gewordene Schimpfen über Glücksratgeber ist nicht mein Fall. Warum sollte man das Glück nicht systematisch erforschen, man versucht es mit der Gesundheit oder anderen Lebensbereichen ja auch. Geschimpft wird meist, weil man das Gefühl hat, die Ratgeber seien oft zu rezeptbuchartig und oberflächlich. So als müsse man, als bislang unglücklicher Mensch, nur ein paar Dinge verändern und schwupp, ist alles anders und man strahlt nur vor Glück und guter Laune.
Das sind oft Übertreibungen, manchmal vielleicht in ihrer Schlichtheit ärgerlich, aber sicher ist auch da was dran. Die Frage ist ja auch, als was man das Glück nun sieht. Man muss mitunter lernen zu bemerken, dass man an sich zufrieden ist, sich wieder gewahr werden, wie gut es einem eigentlich geht. Aber das ist eine Kopfsache, eventuell kann auch dieser Schuss nach hinten losgehen, denn wenn man vor Augen geführt bekommt, wie dankbar man eigentlich sein müsste. Fühlt man sich aber dennoch eher unglücklich, ist man obendrein auch noch undankbar. Auch das steigert nicht das Glücksempfinden.
So banal oder mechanistisch es auch klingen mag, Glück und Zufriedenheit kann man lernen. Zumindest ein wenig. Oder auch nur: Man kann Unglück verlernen. Das ist vielleicht nicht der Höhepunkt des Glücks, aber womöglich ist, jemanden aus tiefgefühltem Unglück zu befreien, sogar der edlere Ansatz. Unglück basiert oft auf falschen Skripten. Das sind verinnerlichte Glaubenssätze, die im eigenen Leben eine große Wirkung haben, die aber im Wesentlichen darauf beruht, dass die Sätze ständig wiederholt wurden. Sie brennen sich ein, weil man irgendwie nie über sie nachgedacht hat. „Wenn Du es jetzt nicht schaffst, schaffst Du es nie.“ Warum eigentlich? Fast alle falschen Skripte sind bei Licht betrachtet problemlos als fragwürdig bis unsinnig zu identifizieren, man lässt sie nur oft im Halbdunkel und da wirken sie gut.
Allein sich immer wieder mittels irgendwelcher Zeichen, die man sich in der Wohnung an prägnante Stellen klebt, daran zu erinnern, dass man glücklich sein darf, tut seine Wirkung. Ob das Glück nun erlernbar ist, weiß man nicht, aber Unglück scheint zu einem guten Teil verlernbar zu sein.
Aber was ist Glück eigentlich? Sind es kurze Glücksmomente, die wir da im Blick haben oder ist mit Glück eher eine dauerhafte Grundstimmung gemeint? Eine aktuelle statista-Umfrage in Deutschland: „Was glauben Sie, was macht einen Menschen glücklich?“ wird auf Platz 1 zu 89 % mit Gesundheit beantwortet, es folgen Partnerschaft (79 %), Familie (74 %), Menschen (68 %), eine Aufgabe (64 %), Kinder (62 %), Beruf (59 %) und weitere.[1] Die Auswahl zeigt, dass hier viel eher der langfristige Zustand gemeint ist, als die Glücksmomente.
Aber würde zu dieser Auffassung von Glück nicht besser der Begriff Zufriedenheit passen? Glück hat ja mehr etwas Herausragendes und vielleicht tatsächlich Momentanes. Oder ist es so, dass wir das Glück konservieren wollen? Aber ist das dann noch Glück? Ist Glück überhaupt möglich, erlebbar, wenn es Alltag geworden ist, bedarf es nicht des Kontrastes?
Das ist zumindest denkbar. Die Traumatherapeutin Luise Reddemann integriert in ihr Konzept immer wieder den Aspekt der Bewusstmachung dessen, wie gut es uns eigentlich im Moment geht. Schmerzfrei, ohne Hunger, Durst, Krieg, Seuchen und in politischer Freiheit zu leben, ist schon so selbstverständlich, dass wir es kaum noch als Glück ansehen.
Europaweit wird ebenfalls die Gesundheit als der Glücksfaktor Nummer 1 genannt. Geld und vor allem auch Arbeit scheinen in Europa bedeutender zu sein, wenn es ums Glück geht. Deutschland nimmt wie so oft einen mittleren Platz bei Glück ein, grob ist der Norden und Westen glücklicher als der Süden und Osten und die Jungen sind glücklicher als die Alten.[2]
Kann man, außer seinen Blick dahin zu wenden, wie es uns eigentlich geht, sonst noch etwas tun? Gesundheit, Familie und Arbeit, das ist zum Teil schicksalhaft, aber zum anderen Teil ist man daran natürlich beteiligt. Auch die Mixtur, die die Glücksforschung ans Licht bringt, ist ambivalent.