Die Macht der Bedürfnislosigkeit
Ganz allgemein scheint Bedürfnislosigkeit ein Machtmittel zu sein, denn man kann sich so Manipulationsversuchen entziehen, ist weniger schnell verführbar. Entweder entspringt diese Bedürfnislosigkeit eiserner Kontrolle und Selbstdisziplin oder jemand hat eine andere Quelle der Freude, Selbstgenügsamkeit oder Belohnung aufgetan. Exzentriker und Mystiker haben diese Quellen oft gefunden und oft entsprechend wenig Interessen an Machtspielen und Manipulation.
Doch auch die Bedürfnislosigkeit oder die Härte, die man sich antrainiert, hat ihre Grenzen. Der Mensch ist ein Beziehungswesen und insofern auf andere angewiesen. Gesundheit, Liebe, ein gutes Gewissen, Autonomie kann man nicht kaufen, erpressen oder erzwingen, sie müssen uns gewährt oder geschenkt werde. Ihr Reiz liegt genau darin, dass Liebe, Achtung und Anerkennung Geschenke sind, um die man werben muss. Wenn man kein Vertrauen hat, dass man liebenswert ist (weil man es nie erfahren hat), versucht man oft andere zu zwingen. Der Despot macht das offen und bewusst, in der letzten Wendung die wir machen wollen, schauen wir noch einmal auf unbewusste Machtthemen, die uns gar nicht so sehr oder überhaupt nicht als solche erscheinen.
Die paradoxe Macht der Ohnmacht
Wer krank ist, genießt in unserer Gesellschaft eine Sonderstellung. Er bekommt Ruhe, Sorge und Schutz. Bestimmte Pflichten sind ihm abgenommen, bis er wieder gesund ist. Darin liegt auch ein erhebliches Machtpotential. Eine komplexe Konstellation, die sich in einem Viereck zwischen emotionaler Erpressung, primärem und sekundärem Krankheitsgewinn, Psychosomatik und Krankheit als Weg bewegt. In allem schimmert durch, dass man mindestens unbewusst merkt wie leicht man Zuwendungen und Gratifikationen bekommt, wenn man nur krank genug ist. Sonst muss man etwas leisten, hier muss einfach nur sagen, dass man nicht kann. Eine Verlockung, sich in dieser Situation nach Bedarf oder dauerhaft einzurichten, wenn der Mirgäneanfall oder die Schmerzen immer dann kommen, wenn man sich drücken kann, aber sich nicht traut sich offen zu einem „Nein“ zu bekennen. Es ist ebenfalls eine Verlockung, dem anderen zu schnell ein solches Verhalten zu unterstellen, weshalb es wichtig ist, dass die Deutungen auch zutreffen.
Das Ende des eigenen Machtwahns
Keine Frage: Man kann andere manipulieren. Bewusst oder unbewusst, offen oder verdeckt und es ist ein häufiges Spiel, vielleicht sogar ein allgegenwärtiges, wenn man nicht denkt, das alles nur, aber eventuell auch mit Macht zu tun hat. Es gibt viele Strippen an den man ziehen kann und Macht, Einfluss und Kontrolle zu haben gibt ein gutes Gefühl. Zu wissen, dass man überzeugend rüber kommt ist hilfreich, wenn man Ideen durchsetzen möchte, was ja keinesfalls nur egoistisch motiviert sein muss.
Doch jeder der an Strippen zieht sollte wissen, dass am andere Ende der Strippe er selbst hängt. Verstrickt in Stricken hätte man sie vorgefunden, heißt es in der Tragödie des Ödipus über Jokaste, seine (wahre) Mutter, die zugleich ein Sinnbild für Welt ist und die sich das Leben genommen hat, als Ödipus ihr auf die Schliche gekommen ist. Verstrickt in Stricken findet sich auch der vor, der zu viele Machtspiele spielt. Nicht, weil sie zwingend scheitern, es gibt auch geschickte Manipulateure, sondern weil man am andere Ende der Strippen allein da sitzt … und es bleibt.
Ich habe nie so ganz verstehen können, warum die Einstellung die Kontrolle, Blendung und Manipulation als den Normalfall deklariert oder asl grandios suggeriert auf den zweiten Blick immer noch so attraktiv erscheint. Auf den ersten Blick kann ich das sehr gut verstehen. Reichtum, Einfluss und Kontrolle sind natürlich Annehmlichkeiten, aber es ist ja schon ein erkennbarer Ersatz, wenn ich mir das, was andere so bekommen erkaufen, erpressen oder ergaunern muss. Natürlich ist es besser, als wenn man gänzlich leer ausgeht, während das Bedürfnis das haben zu wollen, was andere auch haben einen fortwährend quält. Wohl dem, der sich das dann, wenigstens auf Umwegen, besorgen kann. Aber sobald die Umwege zum Selbstzweck mutieren, sinkt meine Fähigkeit das noch beneiden zu können. Zu künstlich, zu anstrengend, verlogen ist vielleicht ein hartes Urteil, aber zu einsam wäre es mir.
Otto Kernberg spricht an einer Stelle von der „Fähigkeit zur Abhängigkeit“. Abhängigkeit klingt für uns erst einmal alles andere als attraktiv, aber es meint die Fähigkeit ertragen zu können, dass man ein Mensch ist, dem das Urteil anderer Menschen wichtig ist. Der Liebe und Zuspruch, Aufmerksamkeit und Anerkennung braucht. Menschen, bei denen Macht ein übergroßes Thema ist, haben diese Fähigkeit zur Abhängigkeit oft nicht und legen auf ihre Autonomie und niemanden zu brauchen sehr großen Wert.
Quellen:
- [1] Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Macht#Theorien_der_Macht
- [2] Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Macht#Theorien_der_Macht
- [3] Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Macht