Die Psychosomatik wird oft missverstanden, auf beiden Seiten der Arzt-Patienten-Beziehung.
„Alles psychosomatisch“, lautet die manchmal etwas hilflose wirkende Aussage von Ärzten, wenn sie mit einem Patienten nicht mehr weiter wissen. Aber intern, oft nicht dem Patienten selbst gegenüber.
„Psychosomatisch? Ich bin doch nicht verrückt, ich habe wirkliche Schmerzen“, ist eine verärgerte, aber ebenso unglückliche, Reaktion von Patienten.
Für manche ist die Psychosomatik etwas eher Marginales, entweder man ist „richtig“ krank, dann geht man zum Arzt, oder eben nicht, dann „hat“ man auch nichts. Keine gute Situation, denn der sich unverstanden fühlende Patient, wechselt gerne den Arzt, also verschreibt ihm dieser irgendwelche Medikamente oder Anwendungen, von denen der Patient, der ja eigentlich „nichts hat“, tatsächlich nichts hat, die ihn aber ein wenig beruhigen und gleichzeitig bei der Stange halten.
Ein stiller Pakt zwischen Arzt und Patient: Ich tue so, als ob ich deine körperlichen Symptome ernst nehme und du kommst dafür weiter zu mir.
Dabei wird der Anteil von psychosomatischen Erkrankungen in normalen Arztpraxen auf mindestens 16-31% geschätzt, andere sehen die Psyche als Ursache noch wesentlich stärker beteiligt (bei bis zu 80% aller Beschwerden). Belastbare Zahlen sind schwer zu erhalten, weil das, worunter Patienten leiden, ohnehin objektiv nicht zu erfassen ist: Schmerzen, Unruhe, das Gefühl krank zu sein, Angst vor einem drohenden Infarkt, Verdauungsbeschwerden, Atemnot.
Zudem hat das Kind viele Namen: Konversionsstörung, somatoforme Störung, Somatisierungsstörung, hypochondrische Störung und mehr.
Die Psychosomatik hat viele Gesichter
Psychosomatische Symptome sind nicht nichts, sondern eine Erkrankung. Das Problem ist nur, dass die Seele oder Psyche sich nicht selbst melden kann. Sie braucht den Umweg über den Körper. Das kann dann nagende Angst sein oder eine Depression, maximale Erschöpfung, Schwindel, Schlaflosigkeit oder Schmerz.
Echter Schmerz, den man im Körper merkt! Echte Angst um ein Organ! Das Herz rast, der Blutdruck schwankt, die Hände sind eiskalt und zittern, all das ist nicht erfunden. Die Symptome sind sogar derart gravierend, dass Betroffene es oft einfach nicht glauben können, dass sie organisch gesund sind.
Was schmerzt, ist die Seele. Oft kostet es Mühe, den Patienten davon abzubringen, immer wieder seine Organe zu betrachten und den Fokus auf die Psyche zu legen.
Wie klappt es denn in der Beziehung, mit der Arbeit, stimmt das Sexualleben? Wie entspanne ich mich, kann ich das überhaupt? Bin ich mit meinem Leben zufrieden, kann ich gleichermaßen gut geben und nehmen? Kann ich mich abgrenzen, habe ich einige meiner Träume verwirklicht?
Wenn man auf diese Fragen antwortet: „Ich würd‘ ja gerne, aber wissen sie, mein Herz (Magen, Rücken, Darm, Knie, Asthma, Blutdruck …) macht mir da immer einen Strich durch die Rechnung“, kommt man in einen Begründungszirkel, den ein Therapeut hinterfragen kann. Ist es nicht auch schön, nicht arbeiten zu müssen, die Puppen tanzen zu lassen, kein Sex haben zu müssen, Aufmerksamkeit zu bekommen?
Die normale Reaktion auf so einen therapeutischen Angriff ist Verärgerung. „Glauben sie etwa ich mach das extra?“ Nein, das glaubt auch der Therapeut nicht, aber vielleicht gibt es da was im Patienten, von dem er selbst noch nichts ahnt oder was er meint nicht zugeben zu können, oder gar fordern zu dürfen, etwa, mal „Nein“ zu sagen, mal nicht Gewehr bei Fuß zu stehen. Wenn man nicht „Nein“ sagen kann, sagt der Körper das eben und dann geht nichts mehr.
Jede kleinste Anstrengung und Aufregung ist bereits zu viel, von jetzt auf gleich ist alles anders.
Psychosomatik heißt, sich selbst kennen zu lernen
Man muss dann lernen, auf sich zu hören, auf den Körper, aber mehr noch, auf jenen Teil der Seele, der bislang nie richtig beachtet wurde: Aus Angst, Schuldgefühlen, Pflichtempfindungen, anerzogener Hilflosigkeit oder Rücksichtslosigkeit sich selbst gegenüber. Andere und anderes sind doch viel wichtiger, Anerkennung bekomme ich nur, wenn ich zuverlässig funktioniere.
Oft aber nicht mal das und dann meldet sich das eigene Herz und fragt einen nach den wahren Herzenssachen. Oder der Rücken fragt, wofür man sich so krumm legt oder wofür man sich wirklich gerade machen möchte. Wer die Sprache versteht, ist einen Schtitt weiter, die Psychosomatik kann dazu verhelfen.