Verwirrende Wege der Macht

So werden die Wege, die die Macht nimmt, immer verwirrender. Einerseits sind Körperkraft, Fitness und physische Attraktivität eindeutige Eigenschaften um Macht zu gewinnen, doch es kommt sehr auf den Lebensbereich an. Attraktivität macht vieles leichter, aber zu viel Attraktivität ist, zumindest bei Frauen oft mit dem Makel behaftet, sie habe ihre Position ja gar nicht durch ihre Fähigkeiten erreicht, sondern durch ihr Aussehen. Fesch und durchtrainiert zu sein ist gut, aber wenn man zu voluminös aussieht, wirkt auch das wieder merkwürdig. Es mag einem Türen zu Sportarten und in den Security-Bereich öffnen, aber beides wird nicht richtig ernst genommen, auch wenn es Machtgewinn im regionalen oder einem Nischen-Bereich bedeuten kann.

Charismatiker

Porträtfoto Aleister Crowley.

Aleister Crowley, ein umstrittener Charismatiker.© Rajah Siwale under cc

Doch merkwürdiger Weise wirken nicht selten Menschen charismatisch, die nicht vordergründig physisch attraktiv oder aufgrund eindeutiger Kriterien mächtig sind. Doch sie haben etwas, eine bestimmter Ausstrahlung, die uns rätselhaft in den Bann zieht. Sind es tatsächliche Fähigkeiten oder ist es der Ruf, der ihne voraus eilt? Es ist wohl beides, denn nicht alle wirken auf jeden charismatisch. Weiß man, dass jemand charismatisch oder auch besonders ist oder wirkt, wird man vermutlich etwas finden, was dies bestätigt. Weiß man hingeben nicht, mit wem man es da zu tun hat und tritt ihm völlig unverkrampft und unvoreingenommen gegenüber, zerfällt vielleicht auch die Aura des Besonderen.

Doch den Ruf besonders zu sein, muss man sich ja erst mal verdienen. Das mögen besondere Fähigkeiten sein, der beste Schachspieler, ein glänzender Redner zu sein, die Fähigkeit zu haben, sich nicht einschüchtern zu lassen. Oder Genie, Hartnäckigkeit, Unbeirrbarkeit zu besitzen. Manche Menschen haben eine besondere Präsenz. Manchmal ist es etwas, was das Gegenüber als geradezu dämonisch erscheinen lässt. Vielleicht eine besondere Form der Rücksichtslosigkeit oder Durchsetzungsfähigkeit. Die Fokussierung auf ein bestimmtes Ziel, dem man alles andere unterordnet. Doch Charisma gibt es auch auf dem Gegenpol, bei besonders ausgeglichenen oder liebenswürdigen Menschen.

Sie sind irgendwie anders als andere, lassen sich nicht aus der Ruhe oder von ihrer Linie abbringen. In der Tat kennen wir das von Heiligen und Psychopathen, die tatsächlich anders sind als der Durchschnitt.

Wer fühlt sich von Macht angezogen?

Wir wissen, dass sich Mensch mit narzisstischen Tendenzen von Machtthemen besonders angezogen fühlen. Aber der Wille zur Macht, zum Führen ist nicht per se pathologisch. Oft sind es auch Jugendliche, die sich ausprobieren wollen und eine gewisse Faszination für bestimmte Praktiken und Techniken haben, die Macht versprechen. Psychotechniken, Verkaufstricks, magische Praktiken. Manchmal als Mittel zum Zweck, bisweilen ist die Lust an der Macht Selbstzweck. Aber charismatische Führer kennen wir aus der Politik, Sekten, Religionen, dem Sport. Ihre bloße Gegenwart kann faszinieren, Menschen verändern.

Menschen denen Anerkennung und Lob versagt geblieben ist, haben oft ein starkes Verlangen nach Kontrolle über sich und über andere. Oft gehen Machtbestrebungen des Einzelnen in die Richtung, typisch menschliche Reaktionen nicht zu zeigen. Nicht zu blinzeln, anderen in die Augen zu starren, ohne dem Blick auszuweichen, Ekel und Schmerzen tolerieren zu können, besonders ehrgeizig zu sein.

Bei Frauen ist es oft das Wissen, Macht über Beziehungen zu haben, Geliebte oder Muse zu sein und das Wissen, sich wieder entziehen oder versagen zu können, jedoch konkurrieren Frauen heute auch offen und erfolgreich mit Männern. Das sich Versagen ist entweder eine Form der Gedankenlosigkeit, des unempathischen Desinteresses, einer Bestrafung oder Form des Sadismus, welche wir ebenfalls als Spielarten der Macht kennenlernten.

Eine Reaktion, wenn die Psyche wesentliche Bedürfnisse nicht erfüllt bekommt, ist die Abspaltung und Verleugnung dieses Mangels. „Brauch ich doch gar nicht“, ist das Gefühl, was man dann hat. Empathie, Fairness, Anerkennung, Mitleid, Verzeihen, Liebe, all das haben manche Menschen nie erlebt und wenn es ihnen begegnet, reagieren sie neidisch und können nichts damit anfangen. Diese Lebensbereiche sind bei ihnen ausgeblendet und so versagen sie auch anderen das, was sie nie erlebt haben.

Manchmal ist dieser Mangel an spezifisch Menschlichem aber genau das, was Macht ausmacht. Man hat zwar nicht bekommen, was die anderen bekommen haben, aber das hat man ja immerhin überlebt, oft genug mit dem authentischen Gefühl es nicht gar zu brauchen. Man ist zäh, tapfer und merkt, dass andere brauchen, was man selbst entbehren musste und das ist wiederum ein Mittel um diese zu manipulieren. Teils ist das bewusst, andererseits ist einem der eigene Mangel nicht mehr bewusst.