Viele Bücher erscheinen über Glück und erklären uns, wie wir ein gutes Leben führen können, welche Zutaten dazugehören, was man weglassen sollte.

Unbestritten hat die Glücksforschung wichtige Erkenntnisse hervorgebracht und Impulse gegeben. Doch wir wollen den Rahmen der Frage hier einmal erweitern: Was ist eigentlich ein gutes Leben? Wann leben wir glücklich und erfolgreich?

Wenn wir ein durchschnittliches Alter bei akzeptabler Gesundheit erreichen und finanziell abgesichert sind? Wenn wir eine Familie gegründet und Nachkommen gezeugt haben? Wenn wir ein paar unserer Träume erfüllen konnten? In der Jugend verrückt waren und dann die Kurve kriegten und vernünftig geworden sind? Wenn wir an unsere Grenzen gegangen sind und darüber hinaus? Oder doch, wenn man still und unauffällig durchs Leben geht, sich aus Streits heraushält? Vielleicht ganz im Gegenteil, wenn man sich engagiert, sich einmischt, dort nicht wegschaut, wo es andere tun?

William A. Miller befragte in „Der Goldene Schatten. Vom Umgang mit den dunklen Seiten unserer Seele“ Menschen am Ende ihres Lebens, was sie rückblickend anders machen würden, wenn sie noch mal neu beginnen könnten. Die meisten würden mutiger sein, mehr wagen.

Qualität oder Quantität?

meditierende buddhistische Mönche

Trotz Beschränkung ein intensives Leben © Greg Walters under cc

Kann man es auf diese Frage reduzieren? Für den einen mag ein gutes Leben ein sicheres sein, für die anderen ist genau das der längste Albtraum der Welt. Extremsportler, Abenteurer und Künstler haben offenbar ganz andere Ansprüche an ihr Leben. So bekennt sich Opern- und Theaterregisseur Hans Neuenfels in einem Cicero Interview offen dazu, zu viel Alkohol zu trinken, sagt aber auch, dass er ohne denselben viele Höhepunkte nicht erlebt hätte. Viele von uns legen viel Wert auf die eigene Gesundheit, Neuenfels jedoch sagt, er werde abtreten, wenn ihm sein Blutdruck wichtiger sei als ein Vers von Kleist.

Volksbühnen-Intendant Frank Castorf arbeitet mit Trinkern, Koksern, Menschen auf der Grenze des Lebens, die aber andererseits hochbegabt sind, sich auf der Bühne die Haut vom Leib reißen und ihr Leben in einer Intensität leben – vielleicht machmal zu intensiv -, die andere Menschen kaum je erreichen.

Oder doch? Muss es der Exzess sein? Viele Mönche und Nonnen leben in großer Schlichtheit und mit einem mitunter rigiden Tagesablauf, aber offenbar auch ungeheuer intensiv. Und wenn man es glauben darf, dann sind die begabtesten unter ihnen auch sehr zufrieden. Ihr Rezept scheint so simpel wie unzeitgemäß zu sein: Sie sind für andere da.

Die Mischung machts, oder?

Vielleicht ist es die Mischung. Intensiv und dabei möglichst lange. Aber intensiv, bedeutet das an der Grenze oder durch Drogen verstärkt, was sogar Freud noch meinte, oder sollte der Geist klar sein, wie die Buddhisten annehmen? Man kann Wagemut und Sicherheitsdenken schlecht in ein Leben pressen.

Möglicherweise gibt es ein paar Dinge, die uns zu Antworten führen. Zum einen seinen Weg zu finden, egal ob der einen ins immer gleiche Büro führt oder ob man Exzentriker wird. Es muss nur zum eigenen Leben passen.

Dann vielleicht allen Aspekten des Lebens ein wenig Raum zu geben. Auch den Abgründen und Schattenseiten. Sie nicht zu verdrängen, sondern als Herausforderung zu betrachten. Man umschifft die Schwierigkeiten dann nicht, die das Leben bietet, man nutzt sie, um an ihnen zu wachsen.

Die vielen Kleinigkeiten, die das Leben bietet, würdigen zu können. Ein Waldspaziergang im milden Frühlingsduft, ein Blick an den Sternenhimmel, Public Viewing, eine Tasse Espresso, ein gutes Gespräch, eine Partie Billard, ein Grillabend mit Gitarre und Gesang, das Wunder Internet erkunden, konzentrierte Arbeit, in Ruhe ein Buch lesen, ein Flirt, ein Theaterstück anschauen… eine Aufzählung, die kein Ende findet.

Sind es am Ende wirklich die Mystiker, die den Königsweg gefunden haben? Die Ambivalenz von Ichüberwindung und Selbstfindung, die so schwer zu formulieren ist.

Meister Eckhart versichert uns jedenfalls, sich ganz und gar in den (Gottes-)Dienst zu stellen, sei höchste Form der Freiheit. Das ist fast wie ein Zen Koan. Wie man das macht? Einfach nur zu sich finden, ohne sich große Gedanken zu machen. Gott, so meint der Mystiker, hat einen schon so gemacht, wie es richtig ist, darum entspannen und einfach nur leben.

Das macht ein gutes Leben zu führen so schwierig – man will nicht glauben, wie einfach es sein kann.

Quellen:

  • Cicero , 1.2012, S. 104 – 107
  • Cicero, 4.2012, S. 114 – 119