Tee und Fürsorge als Vorteile von Krankheit

Tee und Fürsorge bei Krankheit © Sasha Fujin under cc

Sich dem Thema Krankheit zu nähern, ist schwierig, erst recht, wenn es um etwaige Vorteile durch Krankheit geht. Der Kranke sollte nicht zusätzlich noch gescholten werden. Mit einer Krankheitsdiagnose und den Folgen umzugehen, ist schon schwierig genug und erfordert einiges an Selbstregulation. Grund genug, sich mit dem Thema auf einfühlsame Weise, sachlich und vorurteilsfrei zu befassen.

Psychologen fassen diese Vorteile durch Krankheit unter dem Begriff „sekundärer Krankheitsgewinn“ zusammen. Und dieser ist nützlich – für den Kranken selbst aber auch für das soziale Umfeld.

Nutzen des sekundären Krankheitsgewinns

Um die Vorteile durch Krankheit einmal zu verdeutlichen, nehme man sich das Beispiel eines Schnupfens oder einer Grippe. Im Normalfall bewirken diese eine Anteilnahme des sozialen Umfeldes, gegebenenfalls etwas Ruhe, eine liebevolle Geste oder einen heißen Tee. Nähert man sich schwerwiegenderen Erkrankungen, so werden diese Zuwendungen, gestützt auf Anteilnahme (sog. Empathie) und Hilfsbereitschaft, vermutlich größer ausfallen – Vorteile durch Krankheit, die durchaus ihren Nutzen haben.

Der Kranke erfährt Unterstützung und Stärkung, kann sich aussprechen und im Alltag Hilfe holen und sich so auf den eigentlichen Heilungsprozess konzentrieren – damit er möglichst schnell wieder ein gesundes Mitglied der sozialen Gruppe werden kann. Darüber hinaus schweißen Fürsorge und Empathie die Gruppe zusammen. So gesehen, also überaus nützliche Vorteile durch Krankheit.

Dass der Krankheitsverlauf selbst in direktem Zusammenhang mit empathischen Bemühungen aus dem Umfeld stehen kann, zeigt eine wissenschaftliche Studie.

Empathie und Krankheitsverlauf

Del Canale et al. (2012) untersuchten bei Patienten, die an Diabetes Mellitus erkrankt waren, inwiefern ihr Krankheitsverlauf mit dem Empathiegrad des behandelnden Arztes korrelierte. Sie fanden heraus, dass Patienten von Ärzten mit höheren Empathie-Scores weniger akute metabolische Komplikationen hatten, verglichen mit Patienten, deren Ärzte geringere Empathie-Scores aufwiesen.

Einfühlungsvermögen und Ernst genommen werden scheinen sich also durchaus auf das Befinden der Erkrankten direkt auszuwirken und nützliche Vorteile durch Krankheit zu sein. Aber sind sie auch grenzenlos? Die Antwort ist: nicht unbedingt.

Zu viele Vorteile durch Krankheit – Gefahr der Reaktanz

Über einen längeren Zeitraum können empathische Bemühungen, Unterstützung und Hilfsbereitschaft im sozialen Umfeld auch wanken – gerade wenn diese Vorteile durch Krankheit in besonderem Maße eingefordert werden. Die eigenen Belastungen und Probleme können zwar vorübergehend zu Gunsten des Erkrankten zurückgestellt werden, auf lange Sicht wäre dies jedoch schon problematischer. Vor allem wenn man die Einforderungen seitens des Erkrankten in Abhängigkeit von der tatsächlichen Situation (also z.B. dem Erkrankungsgrad) als nicht angemessen empfindet, könnte Reaktanz, d.h. eine gewisse Abwehrhaltung, die Folge sein. Schnell können dann diese Vorteile durch Krankheit dem Erkrankten zum Nachteil gereicht werden.

Diese psychologischen Phänomene variieren allerdings u.a. in Abhängigkeit vom eingeschätzten und tatsächlichen Grad der Erkrankung, der gewünschten oder eingeforderten Unterstützung sowie der Persönlichkeit von Erkranktem und Zuwender.

Gegenseitiges Verständnis und Miteinander

bettlägerig zu sein belastet

Ein Pflegefall betrifft die gesamte Familie © José Goulão under cc

Zum Abschluss sollte vor allem eines festgehalten werden: Eine schwere Erkrankung ist eine ungewohnte und von allen Beteiligten viel fordernde Lebenssituation. Einem Erkrankten Unterstützung, Empathie – eben gewisse Vorteile durch Krankheit – zukommen zu lassen, ist in jeglicher Hinsicht gerechtfertigt und steckt in jedem von uns.

Demzufolge sollten Erkrankte sich keine Gedanken darüber machen, ob sie Hilfe in Anspruch nehmen – ganz im Gegenteil. Man sollte sich bewusst machen, dass das Umfeld bereit ist zu helfen. Denn hilflos daneben zu stehen, wenn jemand erkrankt ist, wäre auch für Familie, Freunde und Bekannte überaus unbefriedigend. Vorteile durch Krankheit sind also auch für das soziale Umfeld wichtig und hilfreich.

Wenn allerdings einmal Sorgen und Probleme über den Kopf wachsen und ungeduldige oder schroffe Aussagen bzw. Verhaltensweisen zutage treten, wäre gegenseitiges Verständnis gefragt sowie ein gemeinsames Miteinander, um diesen anstrengenden Weg zusammen zu bewältigen.

Quelle:

  • Del Canale, S., Louis, D.Z., Maio, V., Wang, X., Rossi, G., Hojat, M. & Gonnella, J.S. (2012). The relationship between physician empathy and disease complications: an empirical study of primary care physicians and their diabetic patients in Parma, Italy. Academic Medicine, 87 (9), 1243-1249.