Hinweisschilder

Einstellungen und Handlungen passen nicht immer zusammen. © Life Mental Health under cc

Einstellungen und Handlungen bedingen einander. Einstellungen sind das theoretische Gebilde aus Absichten, Meinungen, Idealen und Werten die sich, oft unausgesprochen (implizit), zu einem Weltbild verdichten, aus dem heraus wir aber auch bestimmte Handlungsabsichten formulieren: „Ich müsste mal wieder abnehmen.“ Oder: „Man sollte jetzt schnell was gegen den Klimawandel tun.“

Handlungen sind das, was wir zielgerichtet und absichtsvoll (intentional) tun. Also keine Reflexbewegungen und auch kein unbedachtes Kratzen am Kopf, sondern den Kühlschrank öffnen, weil man sich ein Brot machen will, oder die Unterschrift unter einen Vertrag setzen.

Das Verhältnis von Einstellungen und Handlungen wirkt auf den ersten Blick einfach: Einstellungen gehen unseren Handlungen voraus und in Handlungen drücken sich unsere Einstellungen aus. Die Erfahrungen aus Handlungen können unsere Einstellungen verändern. Wer im Biosupermarkt kauft und seinen Müll trennt, drückt durch die Handlung bereits seine Zustimmung zu bestimmten Werten aus.
Interessant wird es jedoch dort, wo diese Konstellation zerbricht und Einstellungen und Handlungen nicht mehr übereinstimmen.

Geringe Dissonanzen

Handelt ein Mensch nicht gemäß seiner Einstellungen, so führt das zu Spannungen. Zumindest in der Theorie, wie jener der kognitiven Dissonanz. Das ist sicher auch oft der Fall, oft aber auch nicht. Viele Menschen sind erstaunlich tolerant gegenüber ihren Selbstwidersprüchen. Das kann verschiedene Gründe haben.

Selbstwidersprüche werden nicht als Problem wahrgenommen

Es gibt Selbstwidersprüche, die die Betroffenen scheinbar überhaupt nicht berühren und man weiß nicht, ob sie ihnen auffallen. Darauf angesprochen entgegnen sie zuweilen unbekümmert, man müsse doch nicht immer alles so genau nehmen. Das ist merkwürdig entwaffnend, weil man sich durch einen Verweis auf die Widersprüche irgendwie als störender Eindringling empfindet.

Mangelnde Erkenntnis

Mangelnde Erkenntnis der eigenen Widersprüche sind leicht zu verstehen. Was mir nicht als Widerspruch auffällt, kann mich nicht belasten. Klingt so, als würde es nur schlichte Gemüter befallen, aber Vorsicht: Das Buch Der kleine Denkverführer: Philosophische Spiele (Baggini/Stangroom) richtet sich an gebildete und intelligente Menschen und führt ihnen ihre inneren Widersprüche von Einstellungen und Handlungen vor Augen.

Spaltung zwischen Emotion und Kognition

Es kann eine Spaltung zwischen dem, was man denkt, und dem, was man fühlt, geben. Das führt dazu, dass einem vollkommen bewusst ist, was man tut, aber überhaupt nicht merkt, wie verstörend es auf andere wirken kann, weil der emotionale Gehalt verleugnet wird.
So kann man aggressives Verhalten vor sich rechtfertigen, weil man fühlt, dass man sich selbst eigentlich nur wehrt und die Aggressionen, mit denen man durchaus in Kontakt ist, als fremde Aggressionen deutet: „Ich weiß natürlich genau, was der vorhat, aber nicht mit mir.“ Dass es möglicherweise die eigenen Aggressionen sind, auf die man gestoßen ist, wird nicht erkannt, insofern kann noch der größte Choleriker argumentieren, dass er nichts dazu könne, dass er in einer Welt von unfähigen Idioten lebt und so bleibt seine Selbstwahrnehmung, im Grunde nett und harmlos zu sein, erhalten.

Differenz zwischen Ethik und Selbstbild

Eine Variante davon ist die fehlerhafte Selbsteinschätzung. So kann es sein, dass jemand grundsätzlich und unbedingt dafür ist, dass Partnerschaften auf Augenhöhe funktionieren sollten und selbst kein Empfinden dafür hat, dass er den oder die Lebenspartner(in) selbst unablässig kontrolliert und manipuliert, was als Sorge rationalisiert werden kann.
Dasselbe sieht man, wenn selbsternannte Saubermänner sich betont für Recht, Ordnung und tadellose Moral einsetzen und dann aufgedeckt wird, dass sie selbst in zweifelhafte bis illegale Machenschaften verstrickt sind.

Willensschwäche

Man weiß, was man tun sollte, aber aus irgendwelchen Gründen fühlt man sich zu schwach. Wir alle haben vermutlich den einen oder anderen guten Vorsatz schon platzen lassen, die Gefahr bei der Willensschwäche besteht einfach darin, dass es auch bequem ist zu sagen, dass man es eben einfach nicht schafft.

Eigene Vorlieben wiegen schwerer

Man könnte es schaffen, versucht aber augenzwinkernd bis selbstgerecht seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. „Macht doch jeder“, wird das zuweilen rationalisiert, manchmal ist es vielleicht in Ordnung, wenn man die Verantwortung dafür zu übernehmen bereit ist. Schlitzohrigkeit oder Bauernschläue wird das genannt und raffinierte Schlitzohren sind uns wohl deshalb sympathisch, weil sie den kleinen Aufstand, von dem wir dann und wann träumen, leben.

Vielleicht ist es normal, dass wir ein wenig verrückt sind. Wir müssten klären, unter welchen Umständen Menschen bereit sind Einstellungen und Handlungen in Einklang zu bringen.