beleuchtete Höhle

Höhlen sind Naturwunder, aber ein Albtraum für Klaustrophobiker. © Simona Moscadelli under cc

Millionen Deutsche haben ernste psychische Erkrankungen. Sie sind die vierthäufigste Ursache für Krankschreibungen. Dabei zählen Angststörungen, Depressionen, Burnout, Alkoholmissbrauch, Zwangsstörungen und Demenz zu den häufigsten Erkrankungen im Erwachsenenalter, während ADHS die häufigste psychische Störung unter Kindern und Jugendlichen ist. Zu den häufigeren Diagnosen in der Psychiatrie zählen auch die Persönlichkeitsstörungen. Die Schizophrenie gehört zu den schwersten psychischen Erkrankungen. Eine besonders gefährliche psychische Erkrankung ist die Magersucht mit der höchsten Sterberate überhaupt – in bis zu 20 Prozent der Fälle endet die Krankheit tödlich.

Im Wesentlichen bestehen weltweit zwei Klassifikationssysteme (Kataloge) psychischer Erkrankungen, die ICD-10 Kapitel V (F), herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), und das DSM IV der American Psychiatric Association (APA), wobei in Deutschland die ICD-10 relevant ist. Darin werden alle zurzeit bekannten psychischen Störungen anhand des Erscheinungsbildes – unabhängig vom Entstehungsgrund – als ärztliche Entscheidungshilfe für die Diagnostik klar und einheitlich beschrieben.

Die nachfolgenden Beschreibungen häufig auftretender psychischer Erkrankungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es soll lediglich ein kurzer Überblick geschaffen werden.

Angststörungen

Angststörungen zählen weltweit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Allein in Deutschland leben ca. 4,6 Mio. Menschen mit vorübergehenden oder chronischen Angstzuständen, wobei Sozialphobie (Angst in sozialen Situationen beobachtet zu werden) und spezifische Phobien (Spinnenangst und Co.) am häufigsten vorkommen. Bezüglich der Geschlechterverteilung treten Angststörungen bei Frauen deutlich häufiger auf als bei Männern.

Angst ist zunächst einmal eine nützliche Einrichtung der Natur, die gewährleistet, dass wir in Gefahrensituationen für Leib und Leben die Flucht ergreifen oder unser Heil im Angriff suchen. Neben der natürlichen Angst tragen wir aus der Steinzeit stammende spezifische Urängste in uns. Ob diese heute noch gerechtfertigt sind, spielt für ihre Wirksamkeit keine Rolle. Da ist die Angst vor Wölfen zum Beispiel. Wer damals keine Angst vor Wölfen hatte, hat nicht überlebt. Daher wurde (und wird) der Wolf gefürchtet, obwohl er nahezu 200 Jahre lang in Deutschland ausgestorben war. Eine weitere Grundangst lösen Spinnen aus. In der Steinzeit gab es Spinnen, die so groß waren, wie eine Kinderpizza. Wenn sie zubissen, war es aus! Die Bedrohung durch Spinnen ist genetisch verankert, auch wenn die heutigen Spinnen, insbesondere in Westeuropa, viel kleiner und harmlos sind.

Tiefenpsychologen sehen eine übernatürliche Angst bei Erwachsenen in der frühkindlichen Entwicklung begründet, insbesondere wenn in den ersten Lebensjahren kein Urvertrauen entwickelt wurde. Wachsen wir in sicherer Nestatmosphäre auf, entsteht Vertrauen in unsere Bezugspersonen und die Lebensbedingungen und wir verinnerlichen ein grundlegendes positives Lebensgefühl. Wir betrachten die Welt als haltgebend und freundlich. Passieren jedoch Dinge, die Furcht und Schrecken in uns auslösen, entwickelt sich kein Urvertrauen. Infolgedessen bleiben wir auf einer tiefen Ebene unseres Bewusstseins verunsichert und ängstlich.

Auch wie unsere Eltern mit uns umgehen, bestimmt unser Leben. Vernachlässigung programmiert (Überlebens)Ängste. Aber auch aus Überbehütung und ständiger Kontrolle der Eltern können Ängste erwachsen, da wir die Ängstlichkeit und Besorgnis unserer Eltern auf unbewusster Ebene verinnerlichen.

Viele Angststörungen haben benennbare äußere Ursachen (Tod, Verlust, Unfälle). Neuerdings verspüren immer mehr Menschen eine allgemeine Lebensangst aufgrund der sich zunehmend digitalisierenden Welt. Sie fühlen sich überfordert und befürchten mit der Entwicklung nicht Schritt halten zu können, weder beruflich noch privat.
Eine große Herausforderung für Betroffene sind überfallartige Panikattacken, die mit ausgeprägten vegetativen Symptomen wie z. B. Herzklopfen, Hitzewallungen, Beklemmungsgefühle, Zittern, Schwitzen, Atemnot, Angst zu sterben usw. auftreten.

Angsterkrankungen sind keine Psychosen mit gestörter Realitätswahrnehmung wie Schizophrenie oder Manie. Im Allgemeinen können Angstpatienten erkennen, wie übertrieben und irreal ihre Befürchtungen sind.

Angststörungen sind in den meisten Fällen heilbar, insbesondere wenn der Mechanismus durchschaut wurde. Sie werden mit Psychopharmaka, Gesprächs- und Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken und Hypnose behandelt. Eine Besonderheit der Verhaltenstherapie ist die Reizkonfrontation bei Phobien (Spinnenphobie, Klaustrophobie…).

Depressionen

Weltweit sind – mit ansteigender Tendenz seit 1990 – inzwischen 350 Millionen Menschen von der Krankheit betroffen und für Deutschland schätzt die WHO die Zahl der Menschen mit Depressionen auf 4,1 Millionen, das sind fünf Prozent aller 18- bis 65-Jährigen. Depressionen treten bei Frauen deutlich häufiger auf als bei Männern.

Depression ist eine schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung und obwohl die Hälfte aller Suizide in Deutschland eine depressive Vorgeschichte aufweist, werden Depressionen häufig unterschätzt. Viele verwechseln die Symptome einer Depression, erhöhte Ermüdbarkeit, Pessimismus, Niedergeschlagenheit, verminderter Antrieb und Interessenlosigkeit mit „schlecht drauf sein“, selbst wenn die Symptome schon längere Zeit (> 2 Wochen) bestehen. Bei Männern ist Depression immer noch ein Tabuthema. Erst wenn zu den psychischen Anzeichen körperliche Probleme wie Appetit- und Libidoverlust auftreten, wird ärztliche Hilfe gesucht.

Depressionen treten in unterschiedlichen Schweregraden auf. Unterschieden werden leichte, mittelgradige und schwere Depression. Bei einer schweren Depression sind die Beeinträchtigungen so stark, dass der Betroffene berufliche und familiäre Aktivitäten nicht mehr fortsetzen kann.

Die Unterteilung in reaktive Depressionen, durch biographische Ereignisse ausgelöst und endogene Depression, infolge einer Stoffwechselstörung, gilt als veraltet. Die Ursachen sind vielfältig, nur zum Teil bekannt und verstanden und man spricht derzeit eher von Prädispositionen und Auslösern einer Depression. Die reaktive Depression wird heute am ehesten als Anpassungsstörung bezeichnet, die endogene Depression als affektive Psychose.

Das Konzept der larvierten Depression, auch somatisierte oder maskierte Depression genannt, bei der sich Depressionen primäre als körperliche Beschwerden zeigen sollen (etwa als Schmerzen oder Beklemmungen), gilt als umstritten, nicht aber der enge Zusammenhang von Körper und Psyche.

Depressionen treten als einzelne oder wiederkehrende, rezidivierende Episoden auf, andauernde gedrückte Stimmung wird als Dysthymie bezeichnet und von den Depressionen unterschieden.

Praxistipp: Johanniskraut gilt als bestes pflanzliches Mittel (gegen leichte und mittelschwere Depressionen) und hat kaum Nebenwirkungen. Aber fragen Sie immer Ihren Hausarzt, ob und welches Präparat er Ihnen empfiehlt. Für leichte bis mittelschwere Winterdepressionen ist die Wirksamkeit der Lichttherapie gut belegt. Bei der Lichttherapie werden die Patienten hellem Kunstlicht ausgesetzt. Für die Selbstbehandlung finden sie im Handel ein gutes Angebot an Lampen. Leichte Nebenwirkungen sind selten, können aber auftreten, weswegen auch eine Lichttherapie mit dem Hausarzt besprochen werden sollte.

Burnout

Frau putzt Scheiben, schwarzweiß

Putzzwänge sind gesellschaftlich gut etabliert. © Georgie Pauwels under cc

Der Begriff „Burnout“ kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „Ausbrennen“. Das Burnout ist eine Form der Depression, die sogenannte Erschöpfungsdepression. Symptome sind Erschöpfung, Schlafstörungen, Lustlosigkeit, Infektanfälligkeit, Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Verspannungen oder Gelenkschmerzen. Verursacher von Burnout ist in der Regel negativer Stress. Viele sprechen davon, ohne wirklich zu wissen, was eigentlich damit gemeint ist. Hauptauslöser ist meist eine Situation, die als bedrohlich bewertet wird. Das können eine brenzlige Verkehrssituation, eine bevorstehende Prüfung, ein überfordernder Berg an Arbeit oder das kranke Kind sein. Da jeder Mensch einen anderen Bewertungsmaßstab an eine belastende Situation anlegt, ist das Entstehen von Stress höchstindividuell und schwer vergleichbar.

Liegt nach subjektiver Einschätzung eine bedrohliche Situation vor, befiehlt das Gehirn den Nebennieren sofort Adrenalin und Noradrenalin auszuschütten. Es gilt als erwiesen, dass eine bestimmte Struktur des Gehirns dabei eine große Rolle spielt: die sogenannte Amygdala. Die Amygdala dient uns Menschen, aber auch Tieren, als Alarmanlage. Innerhalb von wenigen Millisekunden bewertet sie Situationen und schätzt Gefahren ein. Das System beschützt unser Leben, es ist dafür da, dass es sofort Flucht oder Kampf anregt, sobald nur irgendein kleiner Stimulus aufkommt.

Nach der Ausschüttung von Stresshormonen steigen Puls und Blutdruck, unsere Wahrnehmung wird zunehmend eingeschränkt (Tunnelblick) und die Reaktionsschnelligkeit verbessert. Damit wappnet sich der Körper für die bevorstehende Auseinandersetzung. Sogar die Gerinnungsfähigkeit des Blutes nimmt zu, für den Fall, dass wir verletzt werden.

Während diese Kettenreaktion zu Zeiten, als wir noch Jäger und Sammler waren, eine Lebensversicherung zum Schutz vor wilden Tieren oder feindlichen Horden war, und insofern objektive äußere und weitgehend allgemeingültige Auslöser hatte, ist heutzutage die Interpretation weniger lebensbedrohlicher Situationen an diese Stelle getreten, allerdings mit der gleichen Überdosis an Stresshormonen im Blut. Weil wir heutzutage nicht wie unsere Vorfahren auf der Flucht vor dem Säbelzahntiger die Stresshormone abbauen, sondern uns im Gegenteil bemühen ruhig und beherrscht zu bleiben, gerät die Körperchemie in eine Schieflage, insbesondere wenn der Stress andauert. Das Problem ist, dass unser System irgendwann ermüdet und in einen Zustand der Energielosigkeit gerät. Um den Tiefpunkt und die Unlust zu verlassen, greifen viele zu Zigaretten, Süßigkeiten und Alkohol, oder auch zu illegalen Drogen, was aber nur kurzzeitige Besserung bringt, mit noch schlechterer Perspektive, weil der Körper Abhängigkeiten entwickelt und die schädlichen Auswirkungen zusätzlichen Stress erzeugen. Schlaflosigkeit kommt hinzu, dabei werden Regeneration und Heilung unterdrückt, was wiederum zu noch mehr Energielosigkeit führt. So dreht sich die Abwärtsspirale immer weiter, bis das System kollabiert – Burnout.

In der Therapie werden die Stressauslöser, innere ungünstige Bewertungen wie zu hohe Ansprüche oder Angst vor Misserfolg und daraus resultierende Fokussierungen identifiziert und bearbeitet. Um Burnout vorzubeugen, ist Bewegung ein Mittel der Wahl. Wer regelmäßig moderaten Ausdauersport treibt, bauen seine Stresshormone kontinuierlich ab.

Alkoholmissbrauch

Fast jeder Erwachsene im Alter zwischen 18 und 70 Jahren konsumiert regelmäßig Alkohol. In den letzten Jahren lag der Pro-Kopf-Verbrauch in der Bundesrepublik bei 10 Liter reinem Alkohol. 7,4 Prozent der gesundheitlichen Störungen und vorzeitigen Todesfälle in Europa werden auf Alkohol zurückgeführt, dass der Missbrauch unter psychische Erkrankungen fällt, ist noch immer nicht ausreichend bekannt.

In Deutschland ist Alkohol frei erhältlich, und der Konsum ist fester Bestandteil zahlreicher gesellschaftlicher Anlässe. Schon geringe Mengen Alkohol wirken entspannend und stimmungssteigernd. Bei den jungen Erwachsenen stehen Selbsterfahrung und Lustgewinn im Vordergrund, wie auf Partys locker, beschwingt und euphorisch zu sein. Die Umkehr der Lustgefühle, der auf den Rausch folgende Kater mit Kopfschmerzen, Übelkeit, allgemeiner Schwäche und Lichtempfindlichkeit, ist zwar eine deutliche Warnung des Organismus, aber wenn die positiven Gefühle im Verbund mit Alkohol einmal im Gehirn verankert sind, werden sie immer wieder gezielt aktiviert, auch um Schmerz, Frust und Ärger aufzulösen.

Mit zunehmender Erfahrung wird Alkohol zu einem Werkzeug, mit dem unser Gehirn entweder die Maximierung positiver Zustände (Freude) oder die Minimierung negativer Zustände (Schmerz) betreibt. Genuss ohne Reue – warum sollte man auf etwas verzichten, was guttut? Schnell ist der Wunsch geboren, die wohltuende Wirkung immer wieder zu erleben. Leicht gewöhnen sich viele daran, insbesondere Sorgen und Stressbelastungen durch Alkohol erträglicher zu gestalten.

Mit der Zeit nimmt die Tragfähigkeit für psychische Belastungen ab, und die Verträglichkeit für Alkohol wird allmählich größer. Um denselben entspannenden lustvollen Effekt zu erzielen, muss immer mehr Alkohol konsumiert werden. Damit dies nicht auffällt, wird jetzt auch allein und heimlich getrunken. Neben der bisher „nur“ psychischen Abhängigkeit entsteht eine physische Abhängigkeit mit Unruhezuständen, Schlafstörungen, Magen- und Darmbeschwerden, sexuellen Störungen, Schweißausbrüchen und Händezittern, wenn der Alkohol ausbleibt.

Am Ende steht die Unfähigkeit zur Abstinenz und entweder oft Trinken mit Verlust der Kontrolle über die weitere Trinkmenge („Süchtiger Trinker“) oder ein rauscharmer, kontinuierlicher Alkoholkonsum („Spiegeltrinker“), bei dem ein Spiegel von 2,5 Promille und mehr ohne Ausfallerscheinungen vorkommen kann.

Die häufigste der psychiatrischen Folgekrankheiten des Alkoholismus tritt zumeist als Entzugsdelir auf. Was schmunzelnd als „weiße Mäuse sehen“ heruntergespielt wird, kennzeichnet in Wirklichkeit einen lebensbedrohlichen Notfall, der unbehandelt durch Herz-Kreislauf-Versagen in 15 bis 20 % der Fälle zum Tode führt.

Für den Therapieerfolg ist die Frühdiagnose von entscheidender Bedeutung. Während die psychische Alkoholabhängigkeit des Entlastungstrinkers mit ambulanter Psychotherapie behandelt werden kann, ist beim süchtigen- und Spiegeltrinker ein Klinikaufenthalt mit Entgiftungs- (ein bis vier Wochen), Entwöhnungs- (mehrere Monate) und Rehabilitationsphase (mehrere Jahre) erforderlich.

Zwangserkrankungen

In Deutschland sind ca. 2 Millionen Menschen von therapiebedürftigen Zwangsstörungen betroffen. Männer und Frauen leiden etwa gleich häufig darunter. Symptome der Zwangserkrankung sind Zwangsgedanken, Zwangsbefürchtungen, Zwangsimpulse und Zwangshandlungen.

Ein Zwangsgedanke ist: „Bei der Geburtstagsfeier meiner Schwiegermutter drehe ich durch“. Eine Zwangsbefürchtung: „Ich habe das Bügeleisen nicht ausgestellt, die Wohnung könnte abbrennen“. Ein Zwangsimpuls: „Ich stoße jemanden vor den Zug“. Eine Zwangshandlung: „Ich muss mir immerzu die Hände waschen“.

Ein Autofahrer, der den Gedanken hat, in einer bestimmten Kurve ein Tier angefahren zu haben ,ohne es zu merken (Zwangsgedanke), kehrt drei, vier oder fünf Mal an die Stelle zurück, sieht nach Blutspuren und sucht die Umgebung nach dem verletzten oder toten Tier ab (Zwangshandlung). Bei jeder Wiederholung gelingt es ihm nur vorübergehend, seine innere Anspannung zu reduzieren.

Den Betroffenen drängen sich Denkinhalte ungewollt auf, begleitet von der Angst, dass etwas Schlimmes passiert ist oder passieren könnte. Die Betroffenen verspüren einen starken Drang, bestimmte Dinge zu tun, mit denen sie den negativen Gedanken und der Angst scheinbar entgegenwirken können. Obwohl die Betroffenen merken, dass ihr Verhalten sinnlos und übertrieben ist und sie sich dagegen wehren, ist der Drang, die Handlung durchzuführen, so stark, dass die Abwehr versagt.

Die häufigsten Arten von Zwangshandlungen sind der Kontrollzwang, wie z. B. das wiederholte Nachsehen, ob die Fenster vor dem Verlassen des Hauses geschlossen sind und der Waschzwang, aus Angst, sich mit einem Krankheitserreger zu infizieren.

Zwangshandlungen zählen zu den Selbstschutzstrategien, die im Laufe des Lebens und meist in den ersten Lebensjahren entwickelt wurden. Hinter einer Zwangsproblematik verbergen sich in aller Regel andere Empfindungen, zumeist Ängste, die nicht bewusst wahrgenommen werden. Darum geht es in der Therapie erstmal darum, auf einer tieferen Ebene zu verstehen, worin das eigentliche Problem besteht. Wird dieser Schritt nicht vollzogen, kann es passieren, dass ein behandelter Zwang durch einen neuen Zwang ersetzt wird (Symptomverschiebung).

In der Gesprächstherapie werden die Betroffenen darüber aufgeklärt, dass Zwangssymptome nicht ihrem eigenen Versagen zuzuschreiben sind und aggressive Zwangsgedanken und Zwangsimpulse meist nicht in die Tat umgesetzt werden, weil jeder Handlung ein kurzer Moment der freien Entscheidung vorausgeht. Gegen Zwangsgedanken wird der sogenannte „Gedankenstopp“ eingesetzt, um den störenden Gedanken zu unterbinden. Ich empfehle meinen Patienten das Aufsagen eines Kunstwortes, z. B. „Iamon“, das den schädlichen Gedankengang unterbricht und überdies keine Assoziationen zulässt.

Pharmakologische Therapieverfahren sehen die Gabe von serotonergen Antidepressiva vor. Die stimmungsstabilisierenden Eigenschaften von Serotonin wirken dem Leidensdruck entgegen.

Demenz

Das in der Fachsprache „demenzielle Syndrom“ ist neben der Depression die häufigste psychische Erkrankung des hohen Lebensalters. In Deutschland sind derzeit 1,7 Millionen Menschen davon betroffen. Zwei Drittel der Betroffenen sind über 80 Jahre alt, ca. 80 Prozent von ihnen sind Frauen.

Demenz, was aus dem Lateinischen übersetzt so viel wie „ohne Geist“, „ohne Verstand“ bedeutet, ist gekennzeichnet von der schrittweisen Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit und dem Verlöschen der Persönlichkeit. Einzelne Symptome sind die Abnahme des Gedächtnisses, Störungen von Orientierung, Denken, Sprechen, Rechnen, Auffassungs- und Lernfähigkeit.

Demenz ist ein Sammelbegriff für eine Reihe von Krankheiten, welche die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Unterschieden wird zwischen hirnorganischer und nicht-hirnorganischer Demenz. Erstere betrifft 90 % aller Demenzerkrankungen, sie ist durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet, und eine Heilung ist derzeit nicht möglich. Die zweite Form ist eine Folge einer anderen Erkrankung, etwa einer Depression, einer Infektion oder toxische Einwirkungen. Eine Heilung ist bei frühzeitiger Behandlung der Grunderkrankung möglich.

Die wichtigste neurodegenerative (fortschreitender Untergang von Nervenzellen) Demenz ist Alzheimer. Zu Beginn der Krankheit treten Gedächtnislücken auf, bekannte Wörter werden vergessen und Gegenstände verlegt. In einem weitergehenden Stadium folgen Orientierungsstörungen (Tag, Aufenthaltsort) und die persönliche Vergangenheit wird nicht mehr erinnert. In der Endstufe der Krankheit verliert der Betreffende die Fähigkeit, sich seiner Umgebung mitzuteilen und Bewegungen zu kontrollieren. Reflexe werden abnormal und das Schlucken wird beeinträchtigt. Im Schnitt leben Betroffene nach der Diagnosestellung noch sieben Jahre, wobei zu bedenken ist, dass die meisten Menschen zum Zeitpunkt der Diagnose bereits sehr alt sind und auch an Herzversagen oder an einer anderen Erkrankung sterben.

Eine weitere häufiger auftretende Demenzform ist die vaskuläre Demenz aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn. Die Nervenzellen sterben ab, wenn sie nicht mehr mit ausreichend Blut (Sauerstoff) versorgt werden. Jedes Jahr erleiden in Deutschland ca. 270.000 Menschen einen Schlaganfall, weil ein Blutgefäß im Gehirn durch ein Blutgerinnsel verschlossen wird. Ursächlich hierfür ist eine Arterienverkalkung (Arteriosklerose). Eine weitere Form des Schlaganfalls ist die Hirnblutung, etwa ausgelöst durch eine Kopfverletzung oder durch den Riss einer Arterie. Die Folgen (z. B. Sprachstörungen, Sehstörungen, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen) richten sich nach den vom Schlaganfall betroffenen Hirnbereichen.

AD(H)S

Zappelphilipp von Rustige

Das Zappelphilipp Syndrom ist schon länger bekannt. gemeinfrei, Wikimedia

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/hyperaktivitätsstörung ist die häufigste psychiatrische Erkrankung des Kindes- und Jugendalters. In Deutschland sind aktuellen Schätzungen zufolge ca. 500.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren betroffen. Jungen sind viermal häufiger von ADHS betroffen als Mädchen.

Die volkstümlich „Zappelphilipp-Syndrom“ genannte Krankheit, wird schon im 19. Jahrhundert im bekannten Buch „Der Struwwelpeter“ erwähnt. Die Kinder sind hyperaktiv (Zappeln mit Händen und Füßen, Herumrutschen auf dem Stuhl), unaufmerksam (leichte Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, Flüchtigkeitsfehler, Verlieren von Sachen) und impulsiv (Frustrationstoleranz, Ungeduld, Rededrang, Eigensinn). In der Schule kommt es zu Verhaltensauffälligkeiten bis hin zur Aggressivität. Die Ablenkbarkeit, häufige Flüchtigkeitsfehler und der insgesamt ineffektive Lernstil führen dazu, den schulischen Anforderungen nicht zu genügen.

Ohne Hyperaktivität (ADS ohne H) fallen die Kinder und Jugendlichen eher durch Bewegungsarmut auf. Sie träumen vor sich hin und wirken abwesend. Bei ADS driften Kinder in ihre innere Welt ab, sie nehmen ihre Umwelt nur am Rande oder gar nicht war. Das Zeitgefühl geht verloren und Selbstvergesslichkeit und Verlangsamung sind die Folge.
ADS- und AD(H)S-Kinder sind nicht in der Lage, länger aufmerksam bei einer Aufgabe zu bleiben. Dies zeigt sich dann im schulischen Leistungsabfall.

Bei ADHS wird angenommen, dass es sich um eine Funktionsstörung des Gehirns handelt, wodurch die Informationseinteilung der eingehenden Reize nach wichtig und unwichtig gestört wird und es zu einer ständigen Reizüberflutung kommt.

Die Therapie sieht pädagogische Maßnahmen (strukturierter Tagesablauf, bestimmte Verhaltensregeln), Verhaltenstherapie (Verbesserung der korrekten Wahrnehmung, Konzentration, Aufmerksamkeit und Impulskontrolle) und die Behandlung mit Medikamenten vor. Letzteres erst bei einer stark ausgeprägten ADHS-Symptomatik, die sich im Rahmen einer Verhaltenstherapie nicht hinreichend verbessern lässt. Häufig wird der Wirkstoff Methylphenidat (vielen besser bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin) eingesetzt. Dieser greift in die Übermittlung von Signalen im Gehirn ein, was eine verstärkte Aktivität und Wachheit erzeugt, wodurch wiederum die Konzentration und Ausdauer gefördert wird.

Persönlichkeitsstörungen

Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sind schwierig. Aber wir haben auch Schwierigkeiten im Umgang mit ihnen. Wir sind programmiert, unseren Selbstwert durch den Spiegel der anderen zu erfahren, und durch die Funktion der Spiegelneuronen können wir die Haltung/Stimmung anderer Menschen dechiffrieren. Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung zum Beispiel, die unsere neutralen oder sogar wohlwollenden Worte und Handlungen als absichtlich erniedrigend oder bedrohlich interpretieren, unterstellen uns böswillige Motive – und dies springt auf uns über.

Über die Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen liegen nur wenige Statistiken vor, doch wird davon ausgegangen, dass in Deutschland etwa 10 Prozent der Bevölkerung davon betroffen sind. Die Diagnose kann erst mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter festgestellt werden, auch wenn die Auffälligkeiten meist schon in der Kindheit und Jugend beginnen.

Es gibt verschiedenartige Persönlichkeitsstörungen, wie die paranoide, schizoide, dissoziale, narzisstische, histrionische und die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Oft ist es schwer, sie gegeneinander abzugrenzen, denn nicht selten erfüllen Menschen die Kriterien für mehrere Persönlichkeitsstörungen und bestimmte Persönlichkeitsstörungen treten auch im Verbund mit anderen Störungen auf (z. B. posttraumatische Belastungsstörung und paranoide Persönlichkeitsstörung).

Betroffene mit einer Persönlichkeitsstörung weisen tief verwurzelte, anhaltende und weitgehend stabile Verhaltensmuster auf, die von allgemein akzeptieren Vorgaben und Normen deutlich abweichen. Am Beispiel der dissozialen (antisozialen) Persönlichkeitsstörung ist dies besonders auffällig, weil sich die Auswirkungen im sozialen Bereich zeigen. Charakteristisch bei der dissozialen Persönlichkeitsstörung ist eine niedrige Frustrationstoleranz, aggressives und oft auch gewalttätiges Verhalten, in der Regel ohne Schuldbewusstsein und Reue.

Ein spezifisches Problem bei Persönlichkeitsstörungen ist die fehlende Krankheitseinsicht, d. h., die Betroffenen haben nicht den Eindruck, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, dass sie krank sein könnten. Die fehlende Krankheitseinsicht ist der Grund, warum Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung selten eine Therapie beginnen. Oft sind es die Ehepartner oder andere Bezugspersonen, welche die Betroffenen zur Therapie drängen. Oder die Probleme auf der Arbeitsstelle werden existenziell kritisch, dann suchen Betroffene allein wegen dieser Schwierigkeiten Hilfe und Rat bei Fachkräften.

Ein hilfreicher therapeutischer Umgang ist die Aufklärung des Betroffenen, dass sein Verhalten als Lösung in einer schwierigen Situation entwickelt und beibehalten wurde, auch wenn diese heute nicht mehr sinnvoll ist. Der Patient lernt seine Abwehrstrategie vor dem Hintergrund seiner Biografie einzuordnen und wertzuschätzen. Anschließend werden Verhaltensweisen als Ersatz für die bisherigen Muster erarbeitet.

Erkrankungen wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung benötigen spezifische Strategien, wie z. B. die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Hier geht es im Wesentlichen darum, Achtsamkeit zu erlernen und zu praktizieren.

Schizophrenie

Schizophrenie gehört zu den Psychosen und ist mit ca. 500.000 Betroffenen in Deutschland eine der häufigsten Erkrankungen, die in psychiatrischen Kliniken behandelt werden. Das Haupterkrankungsalter liegt zwischen 15 und 30 Jahren, 10 % der Erkrankten begehen Suizid.

Schizophrenie – Abnormales Erleben und Empfinden – ist keine irgendwie geartete Störung, die der Patient hat, sondern eine Erkrankung der Person insgesamt. Männer und Frauen sind von der Krankheit gleichermaßen betroffen. Je nach Vorherrschen bestimmter Symptome werden verschiedene Subtypen unterschieden, u. a.: paranoid-halluzinatorischer Typ, katatoner Typ, hebephrener Typ. Eine symptomarme Form der Schizophrenie ist die Schizophrenia simplex. Die genauen Ursachen und Auslöser der Schizophrenie sind nicht bekannt, aber Wissenschaftler gehen davon aus, dass verschiedene Faktoren (Erbanlagen, Lebensereignisse, Veränderungen im Hirnstoffwechsel) zusammenwirken.

Charakteristisch für eine Schizophrenie sind Störungen des Denkens (Zerfahrenheit), des Affekts (Gefühlseinbrüche, psychotische Ambivalenz), Ich-Störungen (Gedankenausbreitung, -eingebung, -entzug) und des Antriebs (Autismus) sowie überempfindliche Reaktion auf Sinneseindrücke. Außerdem kommt es zu Wahnbildungen und akustischen Halluzinationen in Form des Stimmenhörens.

Bei der Diagnose werden zunächst körperliche Ursachen (Hirnerkrankungen) und andere psychische Krankheiten (Drogenintoxikation) als mögliche Auslöser ausgeschlossen. Der Psychiater spricht mit dem Patienten, um sich ein Bild von dessen Symptomen in Erleben und Verhalten zu machen. Manchmal werden auch psychologische Tests herangezogen.
Schizophrenie ist heutzutage dank wirksamer Medikamente (Neuroleptika, auch Antipsychotika oder Nervendämpfungsmittel) gut zu behandeln. Neuroleptika können viele, zum Teil ernsthafte Nebenwirkungen hervorrufen. In der akuten Phase werden Neuroleptika eingesetzt, um psychotischen Symptomen wie Wahn und Halluzinationen entgegenzuwirken. Hat sich der Zustand des Betroffenen stabilisiert, folgen Psychotherapie, Soziotherapie und Rehabilitation.

Zur Prognose: die Krankheit heilt bei einem Drittel folgenlos aus oder ist deutlich gebessert, ein Drittel bleibt in der Ausprägung der Erkrankung und bei einem Drittel verschlimmert sich das Bild. Bei den paranoid-halluzinatorischen und katatonen Subtypen ist die Prognose in der Regel günstiger. Die Behandlung der Schizophrenie erfolgt in der Regel in einer psychiatrischen Klinik.

Magersucht

Der medizinische Fachbegriff für Magersucht ist Anorexie. Statistisch werden in der Bundesrepublik jährlich rd. 8.000 Fälle in Krankenhäusern registriert, wobei die Fallzahlen seit 2000 jährlich zugenommen haben. Betroffen sind vorwiegend Frauen (90 %) im Alter zwischen 15 und 19 Jahren.

Anorexie bedeutet in der Übersetzung aus dem Griechischen „ohne Hunger sein“, was symptomatisch auf Appetitlosigkeit hindeutet. Tatsächlich versuchen die Betroffenen ihren Hunger zu unterbinden. Typisch für die Erkrankung ist ein selbst herbeigeführter beträchtlicher Gewichtsverlust und die Betroffenen sind auffallend dünn.

Bei der Anorexie besteht eine Körperschemastörung, d. h. die Patienten halten sich für zu dick und befürchten, zuzunehmen. Um dem entgegenzuwirken hungern oder erbrechen sie, betreiben exzessiven Sport und verwenden missbräuchlich Abführmittel.

Unbehandelt kann die Krankheit chronisch verlaufen und sogar zum Tod führen. Langzeituntersuchungen haben gezeigt, dass bis zu 20 Prozent der Betroffenen sterben, wobei vor allem Organschäden die Gründe für einen Tod sind, aber es gibt auch eine Gruppe Magersüchtiger, die im Zuge der Erkrankung depressiv werden und Suizid begehen.
Die Behandlung der Anorexie hat zum Ziel, den Gewichtsverlust zu stoppen, das (Wieder-) Erlernen eines normalen Essverhaltens und die psychotherapeutische Korrektur des verzerrten Selbstbildes. Bei fortgeschrittener körperlicher Auszehrung, also in einem lebensbedrohlichen Zustand, müssen die Betroffenen stationär behandelt werden (ggfs. Zwangsernährung, Magensonde).

Psychische Erkrankungen nehmen in ihrer Bedeutung und Häufigkeit weltweit zu und viele körperliche Erkrankungen haben ebenfalls eine starke psychische Komponente.

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psymag.de bedankt sich bei unserem Gastautor Klaus Ulbrich für den Beitrag. Herr Ulbrich arbeitet als Hypnotherapeut in eigener Praxis, er ist Begründer der Individuations-Therapie und unter seiner Website ganzheitliche-hypnotherapie.de erreichbar.