Eine Depression erkennen zu können, ist für die Betroffenen oft gar nicht so einfach. Eine depressive Episode kommt nicht von jetzt auf gleich. Sie beginnt häufig mit allmählich einschleichenden Symptomen. Erfahrungsberichte Betroffener können dabei helfen, das eigene seelische Erleben einzuordnen.
Depression erkennen: Welche Anzeichen gibt es?
Bei einer Depression haben es die Betroffenen manchmal schwer, einzuordnen, was ihnen da widerfährt. Nicht selten gehen mit einer Depression auch körperliche Anzeichen einher, sodass Betroffene zunächst ihre Symptome gar nicht auf ein psychisches Leiden zurückführen. Depressionen haben viele Gesichter. Es gibt nicht »die eine« Depression. Dementsprechend vielgestaltig und individuell kann sich eine Depression zeigen.
Wie fühlt es sich an, eine Depression zu haben? Woran kann man eine Depression erkennen?
Depressionen sind wie eine Schlinge um den Hals, die immer enger wird.
Robin Williams, Schauspieler
Mögliche Anzeichen einer depressiven Episode
Die ICD-10, das Diagnose-Manual für psychische Erkrankungen, benennt folgende Anzeichen einer depressiven Episode, die über einen längeren Zeitraum auftreten:
- anhaltende gedrückte Stimmung, reagiert nicht auf Lebensumstände
- Verminderung von Antrieb und Aktivität
- Fähigkeiten zur Freude, Interesse und Konzentration sind vermindert; Interessenverlust
- Ausgeprägte Müdigkeit, schon nach kleiner Anstrengung
- gestörter Schlaf
- verminderter Appetit
- beeinträchtigtes Selbstwertgefühl und wenig Selbstvertrauen
- Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit
- eventuell durch körperliche Anzeichen begleitet wie zum Beispiel Früherwachen, Morgentief, psychomotorische Hemmung (wenig spontane Bewegungen, Passivität), Agitiertheit (innere Anspannung und Unruhe zeigt sich als übersteigertes Verhalten), Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust
Je nach der Anzahl und Schwere der Symptome wird eine depressive Episode klinisch als leicht, mittelgradig oder schwer diagnostiziert.
Depressionen: Einschränkung in der Lebensqualität
Das Risiko, mindestens einmal im Leben von einer Form der Depression betroffen zu sein, liegt gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinien (2022) bei 16-20 Prozent. Depressionen zählen zu den häufigsten Erkrankungen. Sie gehören zu den Erkrankungen, die hinsichtlich ihrer Schwere am häufigsten unterschätzt werden.
Die Betroffenen sind meistens in ihrer allgemeinen Lebensführung beeinträchtigt. Es fällt ihnen zunehmend schwer, die alltäglichen Aufgaben zu bewältigen. Es besteht eine starke Neigung zum Grübeln. Der subjektive Leidensdruck ist hoch, da sowohl das allgemeine Wohlbefinden als auch der Selbstwert beeinträchtigt sind.
Bei der hochfunktionalen Depression funktionieren die Erkrankten im alltäglichen Leben oft weiter. Sie erledigen ihre Arbeit und fallen in ihrer Freizeit dann in ein tiefes Loch.
Erfahrungen Betroffener bei Depressionen
Doch wie ergeht es den Betroffenen aus ihrer ganz persönlichen Sicht? Nachfolgend haben wir mehrere Aussagen von Menschen aufgeführt, die an einer Depression leiden. Damit die Anonymität gewahrt bleibt, haben wir, ausgenommen bei den Zitaten von prominenten Menschen, auf persönliche Angaben zu Namen oder Beruf verzichtet.
Depression erkennen: »Ich war im Inneren dunkel und leer«
Manche Betroffene vergleichen ihre Innenwelt mit einer tiefen Leere. Wenn sie in sich hineinspüren, dann ist dort nichts mehr. Keine Emotionen, keine Hoffnung.
»Ich war eine dunkle, leere Hülle ohne Gefühle. Nicht mal mehr weinen konnte ich.«
»In mir drin war alles schwarz und ohne Hoffnung, eine absolute Ohnmacht.«
»Keine Möglichkeit, Anerkennung zu bekommen«
Bei Depressionen ist auch der Selbstwert ein Thema. Viele Betroffene fühlen sich so, als würden sie nicht genügen. Sie fühlen sich alleine und wertlos. Das Gefühl kann schon aus der Kindheit heraus bestehen und im Zuge der depressiven Episode besonders ins Bewusstsein rücken. Auch in Zusammenhang mit einer Partnerschaft, in der beispielsweise emotionaler Missbrauch stattfindet, können solche Glaubenssätze, nicht gut genug zu sein oder sich minderwertig zu fühlen, stärker aufkommen.
»Ich arbeitete in der Kanzlei immer härter, bis es nicht mehr ging und ich in ein tiefes Loch fiel. Ich wollte mir die ganze Zeit beweisen, dass ich gut genug war. Mein Vater war gestorben und so hatte ich keine Möglichkeit mehr, mir die Anerkennung von ihm zu holen.«
Depressionen sind wie ein Schatten, der immer da ist und der einen daran hindert, das Leben in seiner vollen Farbenpracht zu sehen.
Audrey Hepburn, Schauspielerin
»Ich konnte kaum den Arm heben«
Viele Personen mit Depressionen fühlen sich so, als würde absolut nichts mehr gehen. Ihre Arme und Beine sind schwer. Sie kommen kaum aus dem Bett, weil die Last der Gedanken und Emotionen so schwer drückt. Nichts geht mehr. Sie sind an ihre Grenzen gekommen. Der seelische Ballast droht, sie niederzuringen.
»Morgens war mein ganzer Körper schon so schwer. Ich hatte keine Kraft aufzustehen. Ich hatte richtige Angst und war tief traurig.«
Oder auch:
»Ich konnte nicht mal mehr meinen Arm heben, um mir eine Tasse aus dem Regal zu holen. Oder mein Bein heben, um auf mein Bett zu kommen. Alles war so schrecklich schwer und anstrengend.«
»Wäre ich dann noch am Leben?«
Wer an Depressionen denkt, der denkt auch an Suizidgedanken. In den Medien hört man häufiger Berichte über Personen, welche suizidale Absichten äußerten oder sogar wahrmachten. Leider sind die Wartezeiten für therapeutische Interventionen viel zu lang. Die Anzahl der Plätze deckt nicht im Mindesten den Bedarf.
»Ich habe in verschiedenen Praxen angerufen, aber die hatten keinen Termin. Eine Praxis bot mir einen Termin in drei Monaten an. Da wurde mir bewusst, dass ich nicht wissen würde, ob ich dann überhaupt noch am Leben wäre. Mit letzter Kraft ließ ich mich in eine psychiatrische Klinik einweisen.«
»Ich wollte meiner Familie nicht zur Last fallen und deshalb hab ich immer gesagt, dass es mir gut geht. Bis mir klar wurde, dass es ohne fremde Hilfe nicht mehr gut wird.«
Wichtig: Psychologische Inhalte im Internet ersetzen keine professionelle Psychotherapie oder Krisenintervention. Bei Suizidgedanken gilt es, sich Hilfe zu holen. Betroffene können sich zum Beispiel in die Notaufnahme einer nahegelegenen Klinik begeben. Bei einer akuten psychischen Krise sowie Gedanken an eine Selbst- und Fremdgefährdung kannst du dich an den Notruf (112), den ärztlichen Bereitschaftsdienst (Tel. 116117) oder andere Krisendienste wenden.
Depressionen sind wie ein Gefängnis, in dem man sich selbst einsperrt.
Ellen DeGeneres, Moderatorin
»Nachts kam ich nicht zur Ruhe vor Angst«
Depressionen können immer auch mit Ängsten einhergehen. Grübeleien, Angstattacken, Schlaflosigkeit, innere Unruhe sind typische Geschwister der Depression.
»Meine Wahrnehmung war eingeschränkt. Ich war in mir selbst gefangen. Nachts kam ich nicht zur Ruhe vor lauter Angst. Ich dämmerte nur vor mich hin und schlief nicht mehr wirklich. So konnte es nicht weitergehen.«
»Nicht mehr fähig zu arbeiten«
Betroffene bemerken, dass sie den Alltag nicht mehr bewältigen können. Das schürt Ängste und steigert die Gefühle von Minderwertigkeit. Dieser Teufelskreis kann mitunter das depressive Erleben noch weiter verstärken.
»Ich war so verzweifelt, dass ich nicht mehr wusste, wie es weitergehen soll. Ich hatte Angst, irgendwann gekündigt zu werden, weil ich nicht mehr fähig war, mich zu konzentrieren.«
Bin ich depressiv?
Auch Überforderung kann mit einem depressiven Erleben einhergehen. Wenn du die Befürchtung hast, du könntest depressiv sein, dann könnten gemäß dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin zwei Fragen auf eine Depression hindeuten.
- Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
- Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?
Weitere Fragen zur Abklärung sind auf der Webseite des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin.
Ein Selbsttest befindet sich auf der Seite der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention.
Mehr dazu, wie du eine Depression erkennen kannst, liest du zum Beispiel hier: Depressionen (1): das Krankheitsbild.