Die Verlängerung des Selbst ist ein Begriff, der mit dem narzisstischen Ich verbunden ist. Sowohl die Investition in andere Menschen als auch Projekte und Aktivitäten werden bei narzisstischen Menschen gerne als Verlängerung des eigenen Selbst gedeutet. Aber was macht den Unterschied zu einem normalen Ich aus? Wann macht man etwas ausschließlich oder überwiegend für sich und woran kann man erkennen, dass es für andere gemacht wird? Ab wann ist es überhaupt schlimm, etwas nur für sich zu tun?
Altruismus und Egoismus sind die extremen Enden eines fließenden Kontinuums, bei dem die Motive von Handlungen fließend ineinander übergehen. Es ist möglich, vollkommen egoistisch zu handeln, ebenfalls vollkommen altruistisch, oft sind beide Motive ein Stück weit vorhanden.
Altruismus kann man als den Wunsch definieren, das Wohlergehen eines Anderen zu vergrößern. Egoismus ist der Wunsch, das eigene Wohlergehen zu vergrößern.
Von Narzissten heißt es, dass sie Egoisten seien, was zwar stimmt, aber mitunter so gut kaschiert ist, dass man nicht direkt sieht, dass ihr Motiv Egoismus ist. Und zwar so, dass weder der Beobachter den Eindruck hat, hier sei Egoismus das Motiv, noch der Narzisst selbst, der ja oft nicht einmal weiß, dass er narzisstisch ist. Wie aber kommt man dann überhaupt auf die Idee? Das wollen wir nachzeichnen.
Die Eskalationsstufen des Narzissmus
Narzissmus kommt in verschiedenen Stufen vor, wie in Narzissmus und Paranoia dargestellt. Wenn wir feiner justieren, dann finden wir folgenden Stufen, bei denen der Narzissmus immer weiter fortschreitet:
1. Normaler oder gesunder Narzissmus
Er versetzt einen in die Lage, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und gemäß ihrer zu leben, zu wissen, was man will und mag und dies ein Stück weit umzusetzen. Narzissmus bedeutet hier einfach auch, sich Aufmerksamkeit zu schenken und etwas zu gönnen und das Leben ein Stück weit genießen zu können.
2. Narzissmus bei anderen Psychopathologien
Alle psychischen Erkrankungen oder Störungen längerer oder kürzerer Art gehen mit einem gewissen Grad an Narzissmus einher, ohne dass es sich dabei um eine narzisstische Persönlichkeitsstörung handelt. Das liegt einfach an dem erhöhten Grad der Selbstbeobachtung durch die Pathologie.
3. Leichte Formen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung
Pathologischer Narzissmus ist immer eine Form einer schweren Persönlichkeitsstörung. Diese gibt es in der Variante einer leichten Form der schweren Persönlichkeitsstörung und mehreren schwereren. Die leichte Form zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sie gut auf klassische Psychoanalyse anspricht. Narzissten der leichten Form haben vergleichsweise wenig Aggressionen in ihrem Ich. Narzissmus ist immer aggressiv, aber er kann weniger oder mehr aggressiv sein.
Narzissten auf dieser Ebene der Pathologe wollen in erster Linie gemocht und bewundert werden. Sie wollen primär nett und beliebt sein und in einer Welt leben, in der es keine Probleme gibt.
4. Die normale narzisstische Persönlichkeitsstörung
Auch die Narzissten der narzisstischen Persönlichkeitsstörung wollen gemocht und bewundert werden, sie sind nur etwas schwerer zu behandeln und ihr Charakter ist von etwas mehr Aggressionen durchdrungen. Aggression muss nicht heißen, dass sie offen aggressiv sind, sondern hier sind auch und eher Formen wie Opportunismus, Korrumpierbarkeit, Unaufrichtigkeit und das Übersehen und Übergehen der Bedürfnisse anderer gemeint. Zuweilen können sie auch offen aggressiv und entwertend werden, gerade, wenn sie sich zurückgesetzt fühlen, ein Punkt, auf den sie empfindlich reagieren. Ansonsten haben sie oft eine Art, die auf den ersten Blick als „liebevoll“ durchgehen kann und doch Ausdruck von manipulierender Kontrolle ist.
Die Regeln für die normale Welt gelten nicht für sie. Kernberg sagt, dass es wichtig ist, bei Narzissten immer die Frage zu stellen, ob es irgendetwas in ihrem Verhalten gibt, was sie mit dem Gesetz in Konflikt bringen könnte. Häufig ist das der Fall.
5. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung mit antisozialen Zügen
Hier ist ein Wendepunkt, der mit dem Grad der Über-Ich-Pathologie zu tun hat. Das Verhalten zeigt hier Mischformen zwischen angepasstem Verhalten und immer stärkeren Elementen von Lügen, Stehlen und offenerem manipulativem Verhalten. Narzissten auf dieser Stufe haben ein Über-Ich, dessen zweite Schicht zum Teil zerstört ist und das heißt praktisch, dass sie zwar gemocht und geliebt werden wollen, aber auch drohen und gefürchtet werden wollen.
6. Das Syndrom des malignen Narzissmus
Den malignen Narzissmus haben wir in Die gefährlichste Krankheit der Welt ausführlicher dargestellt. Narzissmus, Paranoia, Sadismus und ich-syntone Aggression sind hier voll entwickelt. Sie möchten noch immer auch bewundert werden, doch die Fähigkeit, das annehmen und genießen zu können, ist von schwerer Paranoia überlagert, so dass es vorrangig nicht mehr darum geht, geliebt und bewundert zu werden, sondern vielmehr gefürchtet.
7. Die antisoziale Persönlichkeitsstörung
Sie markiert den Endpunkt der narzisstischen Entwicklung. Menschen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung geht es nur um sich selbst, sie haben in sich keinerlei Wunsch mehr anderen gefallen zu wollen. Das heißt aber auf der anderen Seite nicht, dass sie nicht, da sie von keinerlei Regungen des Gewissens mehr gebremst werden, mitunter sogar extrem liebenswürdig und einsichtig daher kommen können, wenn sie sich davon Vorteile versprechen. Wenn sie nicht in der mächtigeren Position sind, versuchen sie andere dadurch zu manipulieren, dass sie ihnen genau das präsentieren, von dem sie glauben, dass die anderen es sehen oder hören wollen.