Gönnerhaftigkeit und Wohltäter

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Sich für anerkannte Ziele einzusetzen, kann auch mit moralischer Überheblichkeit einhergehen. © Elaine Vigneault under cc

Schwieriger zu erkennen ist das Motiv der Verlängerung des Selbst, wenn sich jemand als gönnerhafter Wohltäter gibt. Nicht jeder Mäzen ist ein Narzisst, auf dieser Ebene wird häufig sogar immens viel an privater Unterstützung geleistet, was ausgesprochen wichtig sein kann. Besonders diffizil wird es dort, wo sich jemand für leidende oder hilfsbedürftige Menschen oder allgemein als sehr wertvoll angesehene Projekte einsetzt.

Hier können sich eigene narzisstische Neigungen besonders gut vor dem Hintergrund der allgemeinen Akzeptanz dessen, was man tut, verstecken. Wer für die gute Sache steht, darf sich in der eigenen Perspektive moralisch überlegen und als besserer Mensch fühlen, was manchmal zu einem aufgeblasenen Moralismus führt. Moralisten können ohnehin anstrengende Mitmenschen sein, wenn sie narzisstisch sind wird es noch um die eine oder andere Oktave höher. Versuchen wir den entscheidenden Punkt zu verstehen.

Es ist gut, wenn man Ideale hat und nach diesen handelt. Wasser zu predigen und Wein zu trinken, wäre wenig überzeugend. Es ist meistens auch folgerichtig, was Menschen mit hohem Ideal erzählen, akzeptiert man ihre Prämissen, ist das, was sie sagen, von innerer Logik. Das Problem beginnt in dem Moment, wo jemand entweder andere Prämissen hat, oder, was vielleicht sogar noch häufiger ist, ähnliche Prämissen anders gewichtet. Dann geht der Ärger los und hört auch so schnell nicht mehr auf, etwa wenn man anerkennt, dass etwas ein durchaus wichtiger Bereich des Lebens ist, nur man seine Wertigkeit vielleicht nicht ganz oben sieht. Dieser Einspruch ist nicht vorgesehen und bereits Freud hatte bemerkt, dass dort, wo man eigentlich weitgehend einer Meinung ist, Abweichungen besonders wenig toleriert werden.

Der Punkt ist, dass der Narzissmus hier unter dem Schild des eigenen Gutseins verborgen werden kann und man die narzisstische Wut, die eigentlich eine eigene Aggressionsproblematik ist, weil man es allgemein nicht ertragen kann, dass jemand anderer Meinung ist als man selbst, wunderbar auf den anderen projizieren kann. Er ist dann einfach jemand, der bei der anerkannt guten Sache nicht mitmachen will. Vordergründig geht es natürlich um das Thema, für was man sich einsetzt und darum, dass man das allerwichtigste Thema eben auch als solches zu akzeptieren hat. Es klingt dann so edel, ohne es zu sein.

Ein Tacken fieser wird es, wenn man die eigene gefühlte Überlegenheit heraushängen lässt. „Ach, wenn doch nur alle so wären wie ich, aber ich weiß, dass das nicht geht, darum bin ich ja besonders.“ Scheinbar wie nebenbei macht man alles perfekt und aus jeder glücklichen Fügung und Zufälligkeit des Lebens einen Ausweis eigener Überlegenheit. Man kauft bio, lebt ohnehin vegan, hat eine makellose Klimabilanz, ist Pazifist und in der Freizeit kümmert man sich um Obdachlose und Flüchtlinge. Nicht das irgendwas davon schlecht wäre, unschön ist es nur, wenn man andere damit düpiert, wie toll man doch selbst ist und wie zweitklassig die anderen. Dass es eher der Wunsch nach Entwertung der anderen ist, wird dabei selten bewusst, man muss es auch nicht konfrontieren, schließlich steht man ja für die anerkannt gute Sache. Inhaltlich ist diese austauschbar, man kann mit derselben Wut auch die kleinkarierten Öko-Spinner entwerten, die wegen einer bedrohten Blattlaus jeden Fortschritt sabotieren und auch ansonsten lieber zurück auf die Bäume gehören.

Natürlich sind gewisse Provokationen sinnvoll, wenn man etwas erreichen will und jeder hat seinen Stil ein berechtigtes Anliegen publik zu machen und durchaus auch an das Gewissen zu appellieren, nur sollte man andere dabei nicht erniedrigen. Einem armen Menschen, der eben über die Runden kommt, kann man schlecht vorhalten, er solle doch bitte ökologisch einwandfreie Ware kaufen und bei seinem Konsum auch mal an die Umwelt denken. Selbst wenn jemand anders könnte, man muss anderen zugestehen eine andere Meinung zu haben als die eigene. Dass dies sogar langfristig ein Gewinn sein könnte, ist etwas, was Narzissten als letzte einsehen. Für sie gibt es nur einen richtigen Weg: ihren.

Ich habe Menschen kennengelernt, die das Thema Gesundheit und bio engagiert gelebt haben, ein Thema was ich selbst als sinnvoll erachte und dem ich ideologisch eher zugeneigt bin. Erschrocken bin ich, als ich erlebte, mit welcher Kälte und Herzlosigkeit darauf reagiert wurde, dass ein Mensch schwer erkrankte. „Selbst Schuld, wenn man immer dieses ungesunde Zeug frisst“, war einer der mitleidlosen Kommentare. Schön, wenn man die Idee teilen möchte, dass mehr Menschen mit diesem oder jenem Thema etwas bewusster umgehen, doch es war traurig, diese Einstellung mitzubekommen. Fast konnte man eine gewisse Schadenfreude vermuten, vom altruistischen Wunsch das Wohl des anderen zu erhöhen war es in jedem Fall meilenweit entfernt. Das gilt natürlich nicht für die ganze Szene und soll abermals nur illustrieren, dass auch gute Ideen missbraucht werden können.

Selbstmitleid

Ist man erst einmal selbst überzeugt davon ein guter Mensch zu sein, dann verliert man manchmal etwas die Bodenhaftung. Wer sehr viel Geld hat, dem fällt es vergleichsweise leichter ein gutes Werk zu tun, als dem armen Schlucker. Dabei geht es dann nicht nur um nachhaltige Kleidung, sondern um Verdienste im größeren Stil. Dafür darf man sich auch loben lassen, nicht gut ist es, wenn man aus seiner Wohltätigkeit Rechte abzuleiten meint, die anderen nicht zustehen. Die Folge ist oft ein erstaunliches Maß an Kränkung und Selbstmitleid, wenn man nüchtern feststellt, dass das, was niemandem erlaubt ist, auch dem Großspender nicht erlaubt ist. Man ist doch schließlich kein Mensch wie jeder andere. Diese Einsicht kann man nicht ertragen und hat Argumente, wie das, dass man sich schließlich trotz aller Widrigkeiten hochgearbeitet hat, auch andere Zeiten kennt, was allerdings für sehr viele Menschen gilt. Oft reagieren Narzissten dann eingeschnappt und tragen vor: „Was tut man nicht alles und was ist der Dank?“

Gelingt es einem Narzissten, der hohe Ideale predigt, diese auch selbst zu leben und zu kolportieren, er sei privat ein ganz einfacher und bescheidener Mensch, ist er kurz vor der Heiligsprechung und seine Ideen und sein Leben sind nahezu eins geworden. Es ist auch hier das Gesamtpaket, das letztlich darüber entscheidet, wie ein Mensch rüberkommt, der engagiert lebt, auch das ist ja beileibe nichts, was schlecht wäre. Narzissten haben oft einen weihevollen, pathetischen und etwas selbstbesoffenen Zug an sich, der sich auf die Formel „Ach, was bin ich toll“ eindampfen lässt.

Ist das Motiv des Helfers nicht egal?

Damit zum letzten Punkt im Reigen. Wenn ein Mensch nun tatsächlich Gutes tut, ist es dann noch wichtig, welche Einstellung er dabei hat? Kommt es nicht eher drauf an, dass er etwas Gutes tut? Muss man da noch kleinkariert nachhaken, kann man nicht einfach dankbar sein und eventuell auch mal Fünfe gerade sein lassen?

Kommt drauf an, welche Ethik man zugrunde legt. Im Utilitarismus kann man der Meinung sein, das Motiv sei nicht wichtig, da hier eher die Tat, manchmal deren Konsequenzen zählt. In anderen Ausprägungen der Ethik ist es eher die Gesinnung oder Tugend, man könnte auch sagen die Einstellung, die zählt, wie wir es ganz am Anfang sahen. Geht es primär um mein Wohl oder um das des anderen?

In einem ersten Schritt ist diese Differenzierung vielleicht nicht wichtig, denn wer in einer akuten Notlage ist, dem wird es egal sein, aus welchem Motiv heraus er Hilfe bekommt, Hauptsache ihm wird geholfen. Doch nicht immer ist alles eine absolute Notlage und es müssen auch Strategien für längerfristige und übergeordnete Probleme gefunden werden. Wenn man den anderen gar nicht meint, wird das auf lange Sicht auf die eine oder andere Art und Weise problematisch, weil hier genau die Asymmetrie eingeführt wird, die am Ende so zerstörerisch ist, für Beziehungen nahezu aller Art. Darum ist es auch gefährlich, den großen Wurf zu versuchen, ohne andere zu fragen, ob das auch ihr großer Wurf ist. Denn was das derzeit wichtigste Problem ist, wird durchaus nicht von allen gleich beantwortet. Narzissten meinen, nur ihre Antwort sei die richtige, die Idee gleichberechtigter Stimmen ist für sie ein Affront.

Der Narzissmus ist insgesamt nicht schön, weil er mit einem recht hohen Grad an Leid verbunden ist, zunächst häufig für das nahe Umfeld, doch auch der Narzisst selbst lebt oft ein kompensatorisches Leben, ohne das zu wissen. Das mag am Anfang noch klappen. Doch ein zu hoher Grad an Narzissmus ist auch für die individuelle Psyche zersetzend und macht unglücklicher, als es oft scheint. Für Konzerne und Gesellschaften ist der Narzissmus ebenfalls ein oft unterschätztes Problem. Warum jemand tut, was er tut, sollte uns nicht kalt lassen. Die Verlängerung des Selbst zu leben ist nicht immer eine Katastrophe, aber die Motive des anderen zu kennen, kann manchmal helfen Katastrophen zu verhindern. In narzisstischen Zeiten ist eine gewisse Oberflächlichkeit Programm und wer nachfragt und sich vergewissert, gilt als Spielverderber. Fragen Sie trotzdem.