Stalin vor dem Schreibtisch

Josef Stalin litt an malignem Narzissmus © Bundesarchiv, Bild 183-R80329 / CC-BY-SA under cc

Die gefährlichste Krankheit, denkt man da nicht zunächst an Pest, AIDS oder Krebs, Herzinfarkte oder Superviren? Vielleicht. Doch die gefährlichste Krankheit könnte auch das Rauchen sein, der Bluthochdruck, Malaria – und hier betreten wir schon den Bereich der psychischen Erkrankungen – die Depression.

Doch auch die Unkontrollierbarkeit und der Vorsatz, andere heimtückisch zu töten, ist als besonders gefährlich zu betrachten, eben weil das Eigenschaften von denkenden und fühlenden Wesen sind, die obendrein mit freiem Willen ausgestattet sind.

Terroristen etwa, die wissen, was sie tun. Das sind keine Irren, im strengen Sinne des Wortes. Es sind vielleicht kalte Sadisten, doch selten Psychotiker. Vor allem sind Menschen mit einer Psychose in aller Regel harmlos. Sie leiden unter Realitätsverlust, das ist die diagnostische Grenze. Ohne Realitätsverlust keine Psychose. Sie mögen sich daher verfolgt fühlen und dann und wann aus Angst verrückte Dinge tun, doch sie sind nicht sonderlich organisiert und können deshalb keinen großen Schaden anrichten.

Die Heimtücke

Heimtückisch zu sein ist ein Attribut, was man manchmal im Zusammenhang mit Krankheiten hört. So sollte die gefährlichste Krankheit ein gewisses Maß an Heimtücke besitzen – AIDS, Krebs oder EHEC hat man das zugeschrieben, doch sind dies Produkte der Natur, der wir keine Intentionen unterstellen. Tödliche Zufallstreffer, heimtückisch in ihrer Wirkung, aber nicht in ihrer Absicht.

Was aber bringt absichtsvolle Menschen dazu, andere heimtückisch und sadistisch zu demütigen, zu quälen, zu töten?

Psychische Erkrankungen zum Beispiel, wie die Antisoziale Persönlichkeitsstörung. Soziopathen werden diese Menschen auch genannt, doch die Terminologie ist hier uneinheitlich. Es gibt eine knappe und die Situation eigenartig gut treffende Beschreibung: Psychotiker wissen nicht, was richtig und falsch ist. Antisoziale Persönlichkeiten wissen es, aber es interessiert sie nicht. Psychotiker gelten deshalb als nicht schuldfähig, bei Menschen mit Antisozialer Persönlichkeitsstörung befinden wir uns in einer Grauzone. Zurechnungsfähig, aber unheilbar (ein Punkt, der weiter diskutiert wird), eine strafrechtlich ungelöste Konstellation.

Unter ihnen finden wir Menschen, die manchmal hochintelligent und immer frei von jedem Gewissen sind. Sie sind in einer Weise grausam, rücksichtslos und egozentrisch, wie der Normalbürger es sich – wohl zum Glück – kaum vorstellen kann. Sie sind auf eigenartige Weise angstfrei und lügen ohne Hemmungen, wenn sie meinen, dass das zu ihrem Vorteil ist. Man findet unter ihnen Serienmörder und -vergewaltiger, ihre Therapieprognose lautet (bislang) wie erwähnt: unheilbar. Grund ist der völlige Empathiemangel. Ein guter Kandidat für die gefährlichste Krankheit der Welt?

Paradox: Gesünder und gefährlicher

Es ist im Grunde kein Hannibal Lecter, der uns in der sehr seltenen antisozialen Persönlichkeit begegnet. Der völlige Empathiemangel bedeutet, sich nicht in andere hineinversetzen zu können und erlaubt deshalb wenig realistische Planung, weil diese auch immer das antizipierte Verhalten anderer betrifft. Mehr als kriminelle Bandenchefs können Soziopathen nicht werden.

Anders beim Syndrom des malignen Narzissmus. Es besteht aus den vier Bausteinen: Narzisstische Persönlichkeitsstörung, paranoide Persönlichkeitsstörung, Sadismus und ich-syntone Aggression. Menschen mit malignem Narzissmus sind besser organisiert als antisoziale Persönlichkeiten, die ganz am Ende des Spektrums narzisstischer Pathologien stehen. Maligne Narzissten sind „gesünder“, wenn man so will. Und vielleicht haben sie die gefährlichste Krankheit der Welt.

Hitler auf Schreibtisch sitzend

Auch Hitler war ein maligner Narzisst © Bundesarchiv, Bild 146-1990-048-29A / CC-BY-SA under cc

Sie können sich in großen Organisationen halten, wenngleich nicht alle dorthin streben oder offen aggressiv sind. Doch die Schlimmsten kennt man: Saddam Hussein, Josef Stalin, Adolf Hilter. Sie sind misstrauisch und grausam, rächend, mitleidlos und brutal, der differentialdiagnostische Unterschied zur Antisozialen Persönlichkeit ist minimal. Antisoziale Persönlichkeiten sind komplett unfähig, nichtausbeutende Beziehungen zu irgendeinem Lebewesen einzugehen, sei es zu einem Hund oder Raubkumpanen. Genau das macht sie auch unheilbar. Maligne Narzissten haben diese Fähigkeit.

Deshalb hat die böse Geschichte von der gefährlichsten Krankheit auch eine Chance auf ein Happy End: Das, was diese Menschen besonders gefährlich macht, ihre minimale Fähigkeit zur Empathie, ist auch das Tor zur Heilung. Man kann sie therapeutisch erreichen und welche sozialen und politischen Faktoren auch immer sonst noch eine Rolle spielen, zumindest aus therapeutischer Sicht kann man sagen, dass der nächste Hitler verhindert werden könnte.