Kaum ein Begriff hat einen so wohligen Klang in der Psychologie, wie die Empathie. Zu Recht, denn Empathie ist nicht nur von zentraler Bedeutung im zufriedenstellenden Umgang mit anderen Menschen, empathisch sein zu können ist auch eines der Kernelemente des eigenen Glücklichseins. Doch die Fähigkeit zur Empathie muss sich entwickeln.

Spiegelneuronen

Im Zusammenhang mit Empathie geistert seit einiger Zeit der Begriff der Spiegelneuronen durch die Diskussionslandschaft. Die Spiegelneuronen werden dabei als das neurophysiologische Korrelat der Empathie angesehen. Leider wird oft verkürzt dargestellt, was sie leisten können und was nicht.

Spiegelneuronen haben die Funktion im Beobachter, meist in abgeschwächter Form, die Emotion auszulösen, in der sich unser Gegenüber befindet. Der fröhliche Andere macht uns glücklich, inmitten gedrückter Stimmung werden auch wir traurig. Egal ob angespannt, aggressiv oder erotisch aufgeladen, Spiegelneuronen sorgen dafür, uns in die Stimmungen der Mitwelt zu versetzen. Wir werden ein wenig vom Beobachter zum Teilnehmer.

Das ist eine wichtige Grundlage für Empathie, weil wir so eine Ahnung haben können, wie es dem anderen geht, wir sind emotional ein Stück weit auf seiner Wellenlänge. Aber bei aller Euphorie, nun einen Baustein gefunden zu haben: Wir sind erst auf dem Weg zur Empathie. Denn erst mal ist man damit bei sich. Ich bin es, der jetzt auf einmal Trauer, Wut oder Erregung empfindet, auch wenn der andere sie ausgelöst haben mag, muss mir ja nicht bewusst sein, dass meine Stimmung mit ihm zu tun hat. Oft ist das der Fall, aber es ist keinesfalls ein Selbstläufer.

Ist Empathie angeboren?

Wie so oft lautet die Antwort: Ja und nein! Bei manchen, vermutlich angeborenen Krankheiten, wie dem frühkindlichen Autismus, fällt die Fähigkeit, die Emotionen anderer direkt mitzuempfinden, flach. Autisten können die Emotionen anderer lernen, wie Vokabeln, aber sie empfinden sie nicht oder nur begrenzt.

Doch auch wenn diese Hürde genommen ist und ich begreife, dass es der andere ist, der diese Stimmung, in der ich jetzt bin, in mir auslöst, muss ich darauf keinesfalls automatisch empathisch reagieren. Ich kann ja genervt sein von der Stimmung des anderen, wütend darüber, dass er mich ständig runter zieht. Ich kann, ganz unempathisch, zusehen, dass ich mir den anderen vom Hals halte.

Wirklich warm und mitfühlend auf die Stimmung des anderen reagieren zu können, ist eine soziale Kompetenz, die man üben und erwerben muss, selbst dann, wenn man mit dem anderen emotional mitschwingt.

Heißt Empathie den anderen zu mögen?

Bis dahin ist es noch einmal ein weiterer Schritt. Denn auch der Sadist oder der emotionale Erpresser braucht Empathie, wenn er sein Opfer effektiv quälen will. Er muss wissen, wo es besonders weh tut und hat oft auch einen feinen Sinn genau dafür, nur lässt ihn das Leid, das er damit auslöst, kalt. Es verursacht in ihm bestenfalls Macht- und Triumpfgefühle, aber kein Mitleid.

Auch narzisstische und schizoide Menschen können einige Empfindungen anderer erkennen. Umfassend zur Welt des anderen durchzudringen misslingt ihnen jedoch aufgrund ihrer Pathologien, auch wenn die biologischen Grundlagen vorhanden sind.

Empathie in voller Blüte als Mitgefühl

Das eigentliche, warmherzige Mitgefühl ist das was wir meinen, wenn wir von Empathie reden. Dazu muss ich die Stimmung des Anderen empfinden, ich muss sie auf ihn beziehen und ich muss mich in seine Situation und Lebenswelt einfühlen können, seine Gedanken erahnen oder „lesen“ können. Das setzt voraus, dass mich der andere interessiert.

Nun erst kann ich den anderen durch die Höhen und Tiefen seines Lebensweges ein Stück weit begleiten und das lohnt sich. Erstens hilft das anderen, zweitens macht es selbst glücklich. Eine Langzeitstudie der Glücksforschung befindet echte und tiefe Beziehungen zu anderen als einen wesentlichen Schlüssel zum Glück.

Für Buddhisten ist das Mitgefühl für andere ein wesentliches Element ihrer Lehre. Bei denen, die es ernst meinen, mit Erfolg. Der Hirnforscher und Psychologieprofessor Richard J. Davidson fand bei einem Mönch, der über das Mitgefühl meditierte, signifikante Veränderung in den Bereichen des Hirns, die das eigene Wohlbefinden steigern (vgl. Dialog mit dem Dalai Lama, S. 40f).

Nicht der Egoismus macht glücklich und zufrieden, sondern das Mitgefühl, die echte Empathie.