Gleich zu Beginn des Artikels machen wir einen Widerspruch auf: Die Zahl der Privatschulen in Deutschland wächst rasant. Schon lange sind sie nicht mehr ausschließlich der gutbürgerlichen Elite vorbehalten. Trotz allem schwebt das Damoklesschwert der zunehmenden Bildungsungleichheit über dem deutschen Schulsystem. Das Ziel eines Zugangs zur Bildung für Alle liegt nach wie vor in weiter Ferne. Warum?

Privatschulen oder Öffentliche? Der Run auf Bildung

Nach den großen Sommerferien stiefeln allerorts Erstklässler in Bildungseinrichtungen unterschiedlichster Art – mit Erwartungen, Bedenken, aber auch Wünschen im Gepäck. So manche Eltern teilen die Sorgen ihrer Zöglinge. Mobbing auf Schulhöfen, Unterrichtsausfall sowie Verfall der Schulgebäude lassen elterliche Ohren aufhorchen. Mit der Einschulung endet für viele Väter und Mütter eine Odyssee. Monate, gar Jahre vorher, besuchten sie »Tage der Offenen Tür« an privaten Schuleinrichtungen, um Alternativen auszuloten, prüften die für sie zuständige öffentliche Grundschule in ihrer Nähe, erwogen den Wechsel an andere öffentliche Schulen im näheren Umfeld.
Entscheidet man sich dafür, die institutionelle Bildungsverantwortung für den Sprössling an eine private Schule abzugeben, beginnt das Bangen vieler Eltern um eine Schulaufnahme. Denn nicht nur die Eltern treffen eine Auswahl, auch die Schulen.

Seit 1919 existiert die allgemeine Schulpflicht in Deutschland und damit liegt der Bildungsauftrag beim Staat. Wird dieser ihm gerecht? Offenbar sieht das eine steigende Anzahl der Eltern nicht so.

Privatschulen in Deutschland

Schule als Schrift, grauer Beton, Tags

Öffentliche Schulen versus Privatschulen in Deutschland: Oftmals eine schwere Entscheidung für Eltern © onnola under cc

Im Wesentlichen unterscheidet man zwei Arten von Privatschulen in Deutschland. Die sogenannten »Ersatzschulen« sind an die staatlichen Lehrpläne gebunden. Sie bieten staatlich anerkannte Abschlüsse an. Auf der anderen Seite gibt es die sogenannten »Ergänzungsschulen«, welche nicht an staatliche Lehrpläne gebunden sind und somit keine staatlich anerkannten Schulabschlüsse anbieten dürfen. Für Absolventen dieser Art von Privatschulen besteht die Möglichkeit, den Schulabschluss extern abzulegen.

Aushöhlung öffentlicher Schulen

Der Wunsch nach einer Alternative zur öffentlichen Schule ist teilweise so stark, dass in dünn besiedelten Gebieten sogar Privatschulen die öffentlichen vollständig ersetzen – vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. So müssen staatliche Grundschulen, deren Bestehen immer an eine gewisse Anzahl von Kindern gebunden ist, aufgrund des demographischen Rückgangs der Schüler schließen. Alternativ entstehen dann private Grundschulen. Ein Teufelskreis, da die Existenz der geöffneten privaten Schule gleichermaßen den öffentlichen Schulen im Umkreis die Schülerzahl abgräbt. Zu lange Schulwege sowie eine Aushöhlung des öffentlichen Schulsystems sind die Folge. Zurecht?! Vor allem, wenn man die seit Jahrzehnten vernachlässigte Infrastruktur an öffentlichen Schulen bedenkt.

In dicht besiedelten Räumen sieht die Lage nicht anders aus. Hier rangelt eine Vielzahl privater und öffentlicher Schulen um die Besten der Besten. Der sogenannte »creaming effect« droht, da bildungsnahe Eltern von vornherein ihre zumeist sozial und kognitiv gut vorbereiteten Sprösslinge in Privatschulen stecken. Zurecht?! Das ist auch hier die Frage. Denn warum sollten Eltern das Liebste, was sie haben, in die Weiten einer maroden Bildungslandschaft entlassen?

Anteil der Privatschulen

Backsteingebäude, vor Eingang Bäume

Die Klosterschule Roßleben: die älteste überkonfessionelle Privatschule in Deutschland
© Tobias Nordhausen under cc

Für das Schuljahr 2016/2017 lag der Anteil allgemeinbildender Privatschulen bei 10,8 Prozent. Obwohl im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Rückgang des Privatschulanteils von 0,2 Prozent zu verzeichnen ist – was wohl den strengeren Kriterien für das Bestehen privater Schulen zugeschrieben werden kann -, ist der Aufwärtstrend privater Schulen unaufhaltsam: In den letzten zwanzig Jahren hat sich der Anteil der Privatschulen in Deutschland mehr als verdoppelt.

Das Zusammenlegen aller Schüler des einst dreigliedrigen Schulsystems ist nur eine Reaktion seitens des Bundes. In vielen Gegenden befinden sich Hauptschule, Realschule und Gymnasium heute wieder unter einem Dach. Schularten und Schulabschlüsse scheinen sich somit wieder mehr voneinander zu entkoppeln.

Eine weitere Reaktion des Bundes in Bezug auf den zunehmenden Anteil der Privatschulen in Deutschland ist, die Ansprüche zur Genehmigung einer Privatschule zu erhöhen. Dass jene Maßnahme nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, werden wir im nachfolgenden Artikel dieser Reihe aufzeigen.