Manipulativ zu sein, wirkt auf den ersten Blick nicht gerade wie eine schöne Eigenschaft. Bekommt man gesagt, man sei manipulativ, werden die meisten zunächst auf eine innere Abwehr schalten und es verneinen. Doch in einer ruhigen Minute denken sie vielleicht darüber nach, ob es nicht stimmen könnte.

Manipulativ: Was ist das eigentlich?

Aus psychologischer Sicht kann man im Grunde nicht »nicht manipulieren«. Jeder Mensch nimmt in einem sozialen Kontakt Einfluss auf einen anderen. Und jeder Mensch verfolgt in einem sozialen Kontakt gewisse Absichten, sei es, dass er sich gut unterhalten möchte oder sich ablenken möchte oder ähnliches. Unter der Annahme wäre also schon die Frage manipulativ: »Wie geht es dir?« Ein Mensch, der auf der Suche nach einem Zeitvertreib ist und diese Frage stellt, bewegt einen anderen Menschen dazu, von sich zu erzählen. Dadurch stillt er bei sich selbst das Bedürfnis nach Unterhaltung.

Was ist es also, was die Manipulation so in Verruf bringt?

Zum einen entscheiden sicherlich das Ausmaß und die Häufigkeit der Manipulation darüber, wie manipulativ ein Mensch ist und wie problematisch sein Verhalten empfunden wird.
Zum anderen hängt es davon ab, wie sehr der Ausführende mit seiner Manipulation Einfluss auf das Leben, die Gedankenwelt, das Wohlbefinden und das Verhalten einer anderen Person nimmt.
Zu guter Letzt spielt es auch eine Rolle, ob der Manipulierende es billigend in Kauf nimmt, dass die betroffene Person oder eine dritte Person durch das manipulative Verhalten einen Schaden davonträgt beziehungsweise ob es ihr oder jemand anderen zum Nachteil gereicht.

zwei Frauen laufen auf der Straße und gehen shoppen

Im zwischenmenschlichen Kontext kann man, streng genommen, gar nicht »nicht manipulieren«. © Sascha Kohlmann under cc

Insbesondere im Zusammenhang mit toxischen Beziehungen und narzisstischem Verhalten in Beziehungen und familiären Konstellationen wird deutlich, wie schadhaft ein manipulatives Verhalten sein kann.

Manipulation per Definition

Was ist nun Manipulation? Wofür steht sie?

Als Manipulation gilt ein Verhalten, das oft schwer durchschaubar ist und zum Ziel hat, dem Manipulierenden einen Vorteil zu verschaffen. Mit der Manipulation wird gezielt und wenig offenkundig Einfluss auf eine andere Person genommen. Man möchte, dass sie ein bestimmtes Verhalten zeigt oder sich in einer bestimmten Art und Weise fühlt, damit sie gegebenenfalls ein besonderes Verhalten zeigt.

Manchmal möchte man jedoch einer anderen Person nur helfen bei einem Problem und sie mit einer speziellen Frage auf eine andere Sichtweise stoßen. Im therapeutischen Kontext wird diese Form der Gesprächsführung häufig verwendet. Anhand von entsprechenden Fragen wird das Gespräch in eine Richtung gelenkt, um beispielsweise den Klienten oder die Klientin zu einer gewissen Einsicht zu verhelfen. Ist das schon manipulativ? Sicherlich nicht.

Manipulation fängt bei der eigenen Absicht an.

  • Wie sehr möchte der Ausführende sein Ziel durch die Manipulation erreichen?
  • Gereicht ihm das eigene Verhalten zum Wohle oder geht es eher um das Wohl des Gegenübers?
  • Unabhängig davon ist allgemein zu berücksichtigen: Wie übergriffig ist das eigene Verhalten oder kann man sich auch zurücknehmen?

Soviel also zur Manipulation an sich. Kommen wir nun zu dir. Die Tatsache, dass du diesen Artikel liest, spricht dafür, dass du selbstreflektiert bist. Würdest du dich nicht kritisch hinterfragen, hättest du dir wohl nicht diese Frage gestellt, ob du manipulativ bist, oder? Woran kannst du also erkennen, dass du manipulativ bist?

Wie manipulativ bin ich? Drei Anzeichen

Damit du für dich überprüfen kannst, wie manipulativ du bist, musst du tief in deine Gedanken- und Gefühlswelt hinabsteigen und vor allem dir selbst gegenüber authentisch und ehrlich sein. Der erste Schritt zu einer Verhaltensänderung ist die Erkenntnis.

1. Manipulation durch unterschwellige Botschaften

Die einfachste Art, um zu entdecken, ob du manipulativ bist, besteht in den folgenden Fragen:

  • Versteckst du in deiner Aussage eine unterschwellige Botschaft oder Zwischentöne?
  • Ist das, was du sagst, auch das, was du meinst?
  • Ist das, was du sagst, auch das, wonach du handelst?

Diese Fragen, die du dir selbst in verschiedenen Situationen stellen kannst, werden dich zunehmend spüren lassen, ob du manipulativ bist oder einen aufrichtigen, nicht beeinflussenden Weg in einem Dialog verfolgst.

Beispiel 1

Ein einfaches Beispiel einer Alltagsmanipulation, die nahezu jeder Mensch hin und wieder gebraucht, ist folgendes:
Dein Partner oder deine Partnerin hat dich verärgert. Du wirst gefragt, ob alles okay sei. Du antwortest mit stiller Verbitterung in der Stimme: »Es ist nichts.« Dabei ist sehr wohl etwas. Und du wünschst dir, dass dein Beziehungsmensch das auch erkennt und entsprechend fürsorglich handelt. Nimmt man es genau, machst du ihm mit deinem missbilligenden Unterton ein schlechtes Gewissen.

Nicht manipulativ wäre es, klar und deutlich auszudrücken, was einen stört und was man sich aufgrund dessen für ein Verhalten von dem anderen Menschen wünscht. Zum Beispiel: »Ich fühle mich noch unwohl mit der Situation. Können wir darüber noch einmal sprechen?«

Beispiel 2

Person mit warmer Kapuze sitzt auf Bank unter einer Brücke hinter Pfeilern

Wer arg manipulativ ist, für den kann es rasch einsam werden, sobald das Umfeld die Manipulation bemerkt. © passcca under cc

Hinter einem zweiten Beispiel für eine Alltagsmanipulation, in die mehr Menschen hineinrutschen, als man annehmen möchte, versteckt sich die Absicht, sich besser zu fühlen und jemand anderen schlechter fühlen zu lassen. Dabei kann es um das Körpergewicht gehen oder um einen Leistungsvergleich oder ähnliches.
Zum Beispiel: »Willst du dir wirklich noch einmal nachholen? Also ich bin schon satt. Mir reicht der Salat.«

Selbstredend ist hier die bessere Reaktion, den anderen Menschen so sein und agieren zu lassen, wie er möchte.

Beispiel 3

Auch hinter einer Fürsorge oder einer Zuneigungsbekundung kann, streng genommen, eine Manipulation stecken.
Beispiel: »Wir haben uns so gefreut, dass du nächste Woche zu Besuch kommst. Und jetzt kommst du nicht? Wir sehen dich immer weniger. Früher haben wir uns um dich gekümmert, jetzt müsstest du dich eigentlich um uns kümmern. Wir werden doch auch nicht jünger. Und deine Kinder haben wir auch schon ewig nicht mehr gesehen. Du wirst doch deine Arbeit einmal hintenanstellen können.«

Auch wenn die Einwände zu einem gewissen Teil berechtigt sein mögen und das Ansinnen in vielen Fällen ein Positives sein kann, handelt es sich dennoch um eine Manipulation. Dem Gegenüber wird ein schlechtes Gewissen gemacht, mit der Absicht, ein Umentscheiden, eine Verhaltensänderung herbeizuführen.

Besser wäre zum Beispiel folgende Antwort: »Ich verstehe, dass du arbeiten musst. Die Zeiten sind schwieriger geworden und die Arbeit muss gemacht werden, damit du genügend Geld verdienst. Dennoch vermissen wir dich und würden dich gern sehen. Vielleicht verschieben wir es auf einen anderen Termin? Du könntest auch gern hier aus dem Homeoffice arbeiten? Oder wir besuchen dich, wenn es besser für dich passt, und unternehmen was mit deinen Kindern? So können wir dich entlasten. Wir werden schon eine Lösung finden. Wir können ja noch einmal telefonieren und besprechen, ob eine der Varianten in Betracht kommt. Aber jetzt müssen wir das nicht übers Knie brechen. Jetzt wünsche ich dir erst einmal viel Kraft für dein anstehendes Projekt.«

Ebenso können Komplimente bereits manipulativ sein, wenn mit ihnen die Absicht verfolgt wird, das Gegenüber zu einem bestimmten Verhalten zu bringen, beispielsweise bei einem Date, das im Bett enden soll.

2. Manipulation durch Überzeugen wollen

Ein weiterer wichtiger Punkt, der dir dabei helfen kann, dich zu hinterfragen, ob du manipulativ bist, ist, welchen Stellenwert du dir als Person einräumst:

  • Denkst du, dass du andere von deinem Standpunkt überzeugen musst, damit deine Wünsche und Bedürfnisse realisiert werden?
  • Glaubst du, dass deine Meinung richtiger ist als die anderer Menschen, und möchtest du es ihnen unbedingt beweisen?
  • Lügst du manchmal und sprichst du jemandem die Wahrnehmung ab, nur um Recht zu behalten oder einen Fehler nicht eingestehen zu müssen?
  • Ist das Wohlergehen und die Meinung anderer weniger wichtig für dich, entscheidend ist, dass es dir zum Vorteil gereicht?
  • Kurzum: Kannst du dich zurücknehmen?

Hierbei geht es um eine Manipulation mit der Absicht, sich eine höhere Wichtigkeit zuzusprechen und die eigenen Ziele und Bedürfnisse zu verwirklichen.

Beispiel

zwei Männer sprechen miteinander, der Ältere trägt eine graue Mütze

Der Unterschied zwischen Diplomatie mit respektvoller Kommunikation und Manipulation liegt in der Absicht. © Andrey under cc

Ein typisches Alltagsbeispiel ist folgendes:

Du bist in einer größeren Gruppe von Menschen unterwegs. Ihr überlegt, wo ihr gemeinsam hingehen werdet. Die Mehrheit der Gruppe entscheidet sich für eine Bar, die du nicht magst. Schon in der Diskussion drohst du damit, auf jeden Fall früher zu gehen, solltet ihr euch für diese Bar entscheiden. Trotzdem sind die Würfel zu deinen Ungunsten gefallen. Den ganzen Abend über hast du nun eine griesgrämige Stimmung und vermiest sogar einigen anderen die Laune.

Besser wäre es selbstredend, den gemeinsamen Abend mit der Gruppe in den Vordergrund zu stellen und sich bei den eigenen Bedürfnissen zurückzunehmen. Eine demokratische Entscheidung ist eine demokratische Entscheidung. Sind die Gründe jedoch gewichtig, weil zum Beispiel ein Ex-Beziehungsmensch mit seiner neuen Bekanntschaft in jener Bar sein wird, sollte man sie klar benennen und deutlich machen, warum man dort unter keinen Umständen hin möchte.

3. Manipulativ durch Marionettenspiel

Ein letzter, nicht unwichtiger Punkt zielt auf die Frage ab, inwieweit du Leute um dich scharen willst und dich gegen andere verbündest. Dabei spielt auch eine Rolle, wie du mit dem Vertrauen anderer Menschen umgehst, das sie dir entgegenbringen.

  • Verrätst du hin und wieder Dinge, die dir jemand anvertraut hat oder die eigentlich zu persönlich sind, um sie einer dritten Person gegenüber weiterzuerzählen?
  • Zu welchem Zwecke tust du es? Willst du dich mit jemandem verbünden, eine Allianz bilden?
  • Oder möchtest du schlichtweg besser dastehen?
  • Möchtest du in einer sozialen Bezugsgruppe die Kontrolle behalten, alle Fäden in der Hand behalten, damit du auf keinen Fall alleine dastehst?

Auch hierbei geht es um eine indirekte Einflussnahme, dieses Mal mit der Absicht, zu einem Marionettenspielenden zu werden. Zum Beipiel stellt man eine andere Person indirekt bloß, um sich mit jemandem zu verbünden.

Beispiel

Du hast Ärger mit einer bestimmten Person und möchtest andere Personen auf deine Seite ziehen, damit diese betreffende Person ins Aus gestellt wird und klein beigibt. Dafür sprichst du schlecht über die betreffende Person und verrätst sogar Vertraulichkeiten, die sie dir einst anvertraut hat.

Besser wäre es, zum Beispiel im Kollegenkreis, eine Mediation anzustreben, also ein offenes Gespräch, bei dem die Konflikte am Arbeitsplatz mit allen Beteiligten geklärt werden.

Manipulativ sein: Ein schmaler Grad

Manipulativ sein ist ein schmaler Grad. Wir alle sind hin und wieder manipulativ. Nicht immer ist es leicht zu unterscheiden, wann man manipulativ ist und wann man lediglich ehrlich seine Meinung äußert, für sich einsteht und diplomatisch agiert. Ein einfacher Richtungsanzeiger wäre, jeder Person den Raum zu geben, den man sich selbst wünschen würde.