Spinne im Netz

Virtual Reality in der Psychotherapie kann bei klassischen Phobien, wie der Angst vor Spinnen, helfen. © Don DeBold under cc

Man darf sich die Psychotherapie nicht statisch vorstellen, auch hier werden ständig neue Aspekte der Forschung und der technologischen Entwicklung integriert und so hat auch Virtual Reality in der Psychotherapie neuerdings ihren Platz.

Die 3D Animationen der virtuellen Realität sind heute mitunter so echt, dass sie jene Emotionen auslösen, die eine reale Konfrontation auch auslösen würde. Damit kann man arbeiten und auf bestimmten Feldern therapieren. Insbesondere auf den Gebiet der klassischen Phobien, die sich gegen ganz spezifische Dinge, Tiere oder Situationen richten. Angst vor Enge, vor Höhe, aber auch vor bestimmten Tieren, wie beispielsweise Spinnen oder Motten.

Einerseits ist man zwar in Sicherheit, andererseits ist das mit der Psyche nicht so leicht. Man weiß, dass Plastikblumen oder Fotos manchmal allergische Reaktionen oder Asthmaanfälle auslösen können, auch hier ist es nicht das Allergen was wirkt, denn das ist ja hier nicht vorhanden. Aus dem Alltags wissen wir, dass wir mitunter an bestimmten Menschen oder Situationen nur denken müssen, um unsere Stimmung deutlich zu verändern. Zahnärzte nutzen heute diesen Effekt, wenn sie an der Decke des Behandlungszimmers entspannende Bilder positionieren. Wenn schon dezente Reize oder flüchtige Gedanken mitunter heftige Emotionen und körperliche Reaktionen auslösen, um wieviel mehr die sehr realitätsnahen Animationen der Virtual Realitiy?

Konfrontation und Desensibilisierung

Der therapeutische Hintergrund ist zunächst klassisch verhaltenstherapeutisch. Was wirkt, ist die Konfrontation mit dem ansonsten oft gemiedenen Reiz. Wer Angst vor Spinnen hat, meidet Orte, an denen diese sich aufhalten, Menschen mit Höhenangst meiden oft Türme, Brücken oder höhere Stockwerke. Gemäß der Lerntheorie der Verhaltenstherapie, ist die Konfrontation mit dem gemiedenen Objekte oder der vermiedenen Situation aber der therapeutisch wirksame Aspekt. Phobien, so Theorie, sind gelernt und das aus dieser Sicht falsche Vermeidungsverhalten, belohnt es, wenn man sich nicht konfrontiert, man hat keine Angst.

In der Konfrontation geht man bewusst in die Angst hinein, im idealen Fall lernt man sich in der Angst irgendwann zu entspannen, auch durch Atem- und Entspannungstechniken, der ehedem phobische Reiz wird gleichgültig, es kommt zur Desensibilisierung und die Verknüpfung des Reizes mit der Angst wird irgendwann gelöscht.

Das klappt oft, aber nicht immer, das Grundprinzip ist bekannt: Übung, macht den Meister. Der Lehrling kann sich weder vorstellen, eine Geige zu bauen oder einen Motor zu verstehen, Jahre später kann er es jedoch selbst durch viele kleine Schritte und konstante Übung.

Virtual Reality in der Psychotherapie wird so genutzt, dass man sich einem Objekt nähern kann, wissend, dass man in Sicherheit ist. Man kann lernen, sich in dieser dennoch angespannten Situation bewusst zu entspannen, in aller Regel werden virtuelle Sitzungen mit realen Konfrontationen abgewechselt.

Der Vorteil der virtuellen Sitzungen liegt in der Kostenreduktion und dem geringeren Umstand. Man muss nicht erst Orte suchen und besuchen, in denen man üben kann, nicht immer ist ein Zoo oder Turm um die Ecke.

Interessante Parallelen

EMDR ist als effektive Methode bei Traumapatienten anerkannt. Doch wie es nach einer Untersuchung von Anke Bebermeier aussieht, sind es nicht die Augenbewegungen die den heilenden Effekt ausmachen, sondern auch hier ist es die Konfrontation. Es ist allerdings „nur“ eine gedankliche, imaginierte Konfrontation. Man stellt sich die traumatische Situation, im Bewusstsein des sicheren Abstsandes noch einmal vor.

Die Virtual Reality Brillen zeigen uns, dass es auf Begegnungen in der Realität gar nicht immer ankommt, oder besser: Vorstellungen, Bilder, Phantasien sind für die Psyche Realität. Die Trennung zwischen Fakten und Fake News ist für einige Anteile unserer Psyche sehr viel weniger relevant, als wir oft glauben.

Wobei wir das aus dem Alltag eigentlich kennen. Auf dem Rückweg von der Arbeit, oder bei Routinehandlungen, die unserer gesteigerten Aufmerksamkeit nicht bedürfen, spielen wir in Gedanken noch einmal bedeutsame Situationen durch: ein Streit, eine Bemerkung eines Vorgesetzten, ein erfreuliches Lob und wir sind mit der Bewusstheit mehr bei diesem Ereignis als bei der gegenwärtigen Tätigkeit. Je emotional bedeutsamer das Ereignis, umso mehr drängt es sich auf, wird es erinnert und durchgespielt.

In einigen Fällen kreisen die Gedanken unablässig, man kommt aus Grübelzwängen nicht mehr heraus oder ist ständig mit Phantasien darüber beschäftigt, was die anderen denn wohl von mir denken oder wie bestimmte Bemerkungen denn nun tatsächlich gemeint sind.

Doch auch die Psychoanalyse geht ähnlich vor. Anhand bestimmter Probleme in der Gegenwart, versucht man ein früheres prägendes Erlebnis zu finden, noch einmal genau anzuschauen, mit all den Emotionen, die auch hier dazu gehören und diese aus der veränderten Sicht von heute zu konfrontieren und zu integrieren.

Das Konzept der Desensibilisierungen ist vermutlich nicht so umfassend, wie geglaubt wird. Hirnforscher berichten, dass schwer traumatisierende Ereignisse, ein Leben lang im Gehirn nachweisbar bleiben und nahezu jedes Mal mit der gleichen Intensität zu erkennen sind. Daraus folgt, dass das Konzept der Desensibilisierung begrenzt ist, doch man braucht nicht zwingend einen therapeutischen Pessimismus daraus abzuleiten. Nicht alleine ob das Ereignis erinnert wird, ist wichtig, sondern ob die Psyche in der ist, es zu integrieren. Man kann lernen damit umzugehen.

Die Wirksamkeit und Aussichten

Die Studien sind aktuell noch uneinheiltich, manche zeigen klare Wirkungen, andere keine, bei Phobien ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Virtual Reality in der Psychotherapie ein effektiver Baustein sein kann, bei Anorexie gibt es widersprüchliche Erkenntnisse. Mit jedem dieser Bausteine lernen wir etwas über die Psyche dazu.

In der Psyche sind Realität und Phantasie nicht sonderlich getrennt, weshalb bildhaft-imaginative Ansätze stärkere als gedachte Effekte haben dürften. Das betrifft Verfahren wie EMDR, Katathym Imaginative Psychotherapie, Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie, Hypnotherapie, Reinkarnationstherapie, die Weltbild-Methode, aber auch Meditationen und gesundes Ausschlafen, bei dem Bilder effektiv verarbeitet werden.

Wichtig scheint die Konfrontation zu sein und der Aspekt des Übens, sowie eine Stärkung des Ichs. Je größer die Motivation ist, um größer die Chancen. Es ist anzunehmen, dass reale und technisch erzeugte virtuelle Welten weiter zusammen wachsen, wo dies aus pragmatischen und therapeutischen Erwägungen gerechtfertigt erscheint, sollte das auch in der Psychotherapie überlegt werden, lediglich Kosten sparende Überlegungen sollten aus meiner Sicht nur eine untergeordnete Rolle spielen, der Gesamtsektor Medizin, Psychologie und Alten- und Krankenpflege, muss auf ethischen Füßen stehen.