Über Verschwörungstheorien wurde und wird viel geschrieben, geredet, angedeutet, gemunkelt. Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit dem Thema auskennt, weiß um ihren eigenartigen Reiz. Wir wollen uns Verschwörungstheorien nicht inhaltlich zuwenden, da es ganze Verlage und eigene Internetseiten gibt, die sich dem ausführlich widmen, sondern uns fragen, was Verschwörungstheorien sind, was genau ihren Reiz ausmacht und wie man in all der Verwirrung vielleicht doch die Orientierung behalten kann, wenn man es denn will.
Was genau ist eine Verschwörungstheorie?
Hier beginnt bereits jener Nebel, der uns die ganze Zeit begleiten wird, denn was eine Verschwörungstheorie ist, kann man so genau nicht sagen. Rein strukturell gibt es eine recht brauchbare Definition, die den Unterschied zwischen der Arbeit eines (idealtypischen) Wissenschaftlers und eines (idealtypischen) Verschwörungstheoretikers anzeigt.
- Der Wissenschaftler stellt eine Theorie auf und versucht zu erforschen, was für und was gegen sie spricht, wertet die Ergebnisse am Ende aus und sieht seine Theorie dann verifiziert oder falsifiziert.
- Der Verschwörungstheoretiker weiß bereits am Anfang, was am Ende als Ergebnis heraus kommt, er sortiert sich die Fakten so zurecht, dass sie am Ende ins bereits fertige Bild passen.
Wissenschaftler sind, wenn es gut läuft, neugierige Menschen. Ein manchmal unbändiger Wissensdurst treibt sie an und wenn man liest, was gerade die Pioniere bestimmter Wissenschaftsgebiete in der Vergangenheit für Opfer und Gefahren auf sich nahmen, muss man fast ehrfürchtig vor ihrem Mut und ihrer Beharrlichkeit werden. Doch auch wo man ohne Gefahr ganz neue Perspektiven eröffnete, waren die Leistungen oft nicht weniger beachtlich.
Verschwörungstheoretiker können ebenso beharrlich, intelligent und neugierig sein, doch vor allem ein Element kommt bei ihnen noch hinzu: das Misstrauen. „Wem nützt es?“ „Ist es nicht merkwürdig, dass …?“ „Es kann doch kein Zufall sein, dass …“ Das sind Wendungen, die feste Bestandteile jeder Verschwörungstheorie sind. Der Wissenschaftler muss ausformulieren, der Verschwörungstheoretiker erzielt die maximale Wirkung, wenn er es bei dunklen Andeutungen belassen kann.
Wissenschaft auf Abwegen
Doch Wissenschaftler sind auch nur Menschen. Auch ihnen sind Eitelkeiten, das Ringen um Forschungsgelder, Konkurrenz- und Erfolgsdruck nicht fremd. Die Aussicht auf neue Posten, die gut dotiert sind, oder die Erhöhung des akademischen Grades sind verlockend. Viele sind überaus redlich und unbestechlich und haben Achtung vor der Institution Wissenschaft. Auch wenn man es weniger heroisch formuliert, es braucht den braven Soldaten, der sich an die Regeln hält. Manchmal kommt es auch in der Wissenschaft zu Betrugsfällen, Gefälligkeiten. Das ist ärgerlich, weil jeder Fall das Misstrauen vergrößert und so versucht die Wissenschaft durch transparente Methodik, interne Kontrolle (Peer Review) und immer neue Ansätze, wie die evidenzbasierte Medizin, diese Fälle zu minimieren.
Dass ausgerechnet die Kontrollverfahren selbst Anlass zur Kritik bieten, macht die Geschichte nicht leichter, letzten Endes ist es wohl eine Frage des Glaubens oder Vertrauens, inwieweit man meint, dass die Wissenschaft weitgehend unabhängig und sauber arbeitet (vieles spricht dafür, dass dies überragend oft der Fall ist) und inwieweit man das bezweifelt. Naturgemäß erhöhen sich die Zweifel dort, wo Themen ideologisch stark besetzt sind und wo viel Geld im Spiel ist.
Der Haken an Statistiken ist immer, dass sie uns über den Einzelfall im Unklaren lassen und das bietet Raum für Spekulationen und Zweifel. Doch für den Verschwörungstheoretiker muss gelten, was auch für Menschen mit dem Skeptiker-Syndrom gilt: Eine Argumentation kann nicht einzig und allein auf dem Zweifel um seiner selbst Willen aufgebaut werden. Es muss auch begründet werden, warum man an dieser Stelle oder Methode zweifelt und die Begründung darf sich nicht in ein Geflecht weiterer Zweifel verästeln. Ansonsten bekommt man keinen rationalen Austausch zustande und selbst der Verschwörungstheoretiker will ja überzeugen.
Wissenschaftstheorie und ihre Mythen
Die Wissenschaft unterscheidet sich von anderen Verfahren dadurch, dass sie Theorien oder Hypothesen aufstellt, die prinzipiell falsifizierbar sein müssen. Fast jeder, der sich mit Wissenschaftstheorie beschäftigt, lernt das und dass dieser Gedanken auf Karl Popper zurückgeht.
Weniger klar ist den meisten, dass Poppers Ansatz zum einen einige Fehler aufweist: Nicht jeder Einzelsatz einer Theorie muss stimmen, es geht um die Gesamtheit der Theorie, wie Duhem und Quine feststellten. Zudem sind Existenzaussagen, die in der Wissenschaft reichlich vorkommen, oft nicht falsifizierbar, zuletzt ist der Fortschritt der Wissenschaft kein gleichförmiges Voranschreiten, sondern hat nach Thomas Kuhn den Charakter revolutionärer Sprünge. Doch mehr als das, spielt Popper für die Wissenschaft im Grunde keine große Rolle.
Es ist noch immer ein wegweisender Unterschied, ob eine Theorie sich prinzipiell widerlegen lässt oder ob sie immer nur richtig sein kann. Doch man muss genauer hinschauen.