Verantwortung ist ein oft strapazierter Begriff, der im Alltag ebenso gebraucht wird, wie in der Psychologie, Philosophie oder Politik. Seine Lesart ist jeweils sehr verschieden, wobei eine der interessanten Entdeckungen darin liegt, dass die Extreme sich auch hier berühren. Steigen wir also gleich ein.
Die extremen Positionen
Die eine extreme Position ist jede Form der Verantwortung abzulehnen. Der Mensch, so heißt es dann, sei ein Produkt seiner Umwelt, seines Körpers, Gehirns und/oder seiner familiären, sozialen und politischen Umgebung und daher durch sie so geworden, wie er jetzt ist. Auf die persönliche Existenz bezogen klingt das manchmal so: „Ihr habt mich so gemacht, das habt ihr nun davon.“ Das mich keiner gefragt hat oder ich nichts dazu kann, sind ähnliche Behauptungen oder Sätze im Umfeld.
Das ist wohl so richtig, wie es auch falsch sein kann, weil es sich nur auf bestimmte Phasen des Lebens oder bestimmte Menschen bezieht. Wenn ein Mensch auf die Welt kommt, so wird er in bestimmte biologische, zeitliche, familiäre, geographische, kulturelle und politische Umstände hineingeboren, für die er nichts kann und denen er sich auch nicht entziehen kann. Ob man will oder nicht, das sind die Bedingungen unter denen man aufwächst und es gibt in der Psychologie keinen Zweifel daran, dass unser Umfeld unser Ichsein in starker Weise prägt, unglücklicherweise auch noch umso stärker, je schlimmer die Umstände sind.
Nur, wird man eben auch älter und sieht sich im besten Fall immer mehr die Lage versetzt die eigenen Startbedingungen ins Leben zu reflektieren und manches nachträglich zu ändern. Über bewusste Änderungen, Gespräche, Reflexionen, Therapie und Meditationen. Wie weit die Möglichkeiten der nachträglichen Änderung geht, ist umstritten und hängt von vielerlei Faktoren ab, dass da zum Glück einiges möglich ist, ist eine Erkenntnis neuerer psychotherapeutischer Entwicklungen.
Die andere extreme Position liegt darin, dass man behauptet für alles verantwortlich zu sein. Wobei das noch mehrere unterschiedliche Bedeutungsebenen hat, eine eher theoretische und eine praktische Seite. Auf der praktischen Seite kann uns das im schwer depressiven Schuldwahn begegnen, in dem Menschen sich tief überzeugt und unkorrigierbar die Schuld für Ereignisse geben, mit denen sie nach menschlichem Ermessen nichts zu tun haben.
Die andere Variante ist eher mit Größenwahn assoziiert, wobei es sich hierbei seltener um eine echte wahnhafte Komponente handelt, als vielmehr um narzisstische Gefühle der Grandiosität. Die Realitätsprüfung wird dabei bestanden, nur die eigene Bedeutung wird maßlos überschätzt.
Gefühlte Größe als Schutz vor konkreter Verantwortung
Vertreter einer gefühlten riesigen Verantwortung betonen zwar ständig und gerne ihre besondere Rolle in der Welt (denn einer muss es ja tun und wer, wenn nicht sie?), doch nicht selten hat man das Gefühl, dass hier eine eigenartige Diskrepanz zwischen der gefühlten Größe und der tatsächlichen Bedeutung besteht. Und nicht ohne ironischen Unterton kann man den Eindruck gewinnen, dass jene, die sich in gefühlter Verantwortung suhlen, die sie für sämtliche Freude und Familienmitglieder oder am besten, die ganze Welt, gerne mal ungefragt (aber man muss anderen ja vor ihrem Weg in den Irrtum bewahren), übernehmen, auf der konkreten Ebene nicht immer die Helden sind. Da ist der Weltenretter, der es bislang noch nicht geschafft hat zu Hause auszuziehen oder gar zu arbeiten, dem längere oder symmetrische Beziehungen einfach nicht gelingen wollen, der aber die Lösung für alle Probleme der Welt in der Schublade oder auf der Homepage hat.
Doch wer an dem ganz großen Rad der Welt dreht und die Lösung für alle politischen, wirtschaftlichen und Umweltprobleme parat hat, der ist vom schnöden Alltag entlastet. Wer will den Helden schon damit bedrängen, seine Socken wegzubringen? Vor allem, wenn der Held seiner Mitwelt liebend gerne mitteilt, dass all das, was die anderen um ihn herum so machen, auch von jedem Trottel erledigt werden könnte, während das was er macht, auch nur von ihm gestemmt werden kann und wenn es niemanden interessiert, dann deshalb, weil keiner der Minderbegabten das richtig einschätzen und würdigen kann. Der andere kann froh sein, sich im Glanz des Helden zu sonnen.
Nun gibt es zweifelsfrei Visionäre, Menschen, die Besonderes leisten und für ein bestimmtes Thema brennen, aber Besonderheiten sind eben keine Massenware und sind im besten Fall ausbalanciert, durch die Übernahme der Verantwortung auch im Privaten und vermeintlich Kleinen.
Schuld und Verantwortung
Schuld und Verantwortung werden oft zusammen gedacht, ohne dass sie identisch sind. Wir wollen uns ungern schuldig fühlen und deshalb lehnen wir oft die Verantwortung ab, auch da, wo wir sie übernehmen könnten. Dabei können wir schuldig sein, ohne uns verantwortlich zu fühlen und die Verantwortung übernehmen, ohne schuldig sein zu müssen. Doch das ist schon die höhere Schule.
Einer anderen Haltung begegnen wir heute öfter: Verantwortung? Nein, Danke! Das merkwürdige Verhalten von Menschen, die mitunter sogar extreme Einstellungen haben und in doppelter Weise vorgehen. Sie machen ihre ideologischen Gegner für alle Übel der Welt verantwortlich, im Zweifel noch für die abwegigsten und vergangensten Formen, während sie eine Verantwortung für die Verfehlungen, die im Namen ihrer Lesart begangen werden kategorisch ablehnen.
Da gibt es erklärte Kommunisten, die regelmäßig die Gräueltaten des Kapitalismus aufzählen und jeden der kein erklärter Feind desselben ist, zum Mitschuldigen deklarieren, zu den Abermillionen Toten der kommunistischen Terrorregime aber nur zu sagen wissen, dass dies kein wahrer Kommunismus gewesen sei und es diesen auch noch nie gegeben hätte. Warum man es nach 100 Jahren erfolgloser Versuche und der miesen Quote überhaupt noch mal probieren soll, wird dabei regelmäßig ausgeblendet.
Rechtsextreme versuchen sich reinzuwaschen, indem sie den „Sozialismus“ im Nationalsozialismus betonen und ihn zur eigentlich linken Idee umdefinieren wollen und überzeugte Atheisten sehen in den Religionen die Quelle allen Übels, wobei der Terror explizit atheistischer Ideologien zur Pseudoreligion umdefiniert wird, Hauptsache man kann sein gewohntes Feindbild weiter pflegen.
Der andere als Sündenbock

Ein häufiges Spiel. © Sean MacEntee under cc
Der Sündenbock oder psychologisch: die Projektion sind feste Bestandteile von Menschen, die die Verantwortung gerne von sich weisen. Aber warum weist man die Verantwortung von sich? Es ist ein unangenehmes Gefühl sich schuldig zu fühlen oder als Schuldiger oder Verantwortlicher angesehen zu werden. Man will kein schlechtes Gewissen haben. Es gehört fast zum modernen Ritual bei fast allem was passiert zu fragen, wer eigentlich schuld daran ist. Und wir fühlen uns oft auch nur gut, wenn der Betreffende entlassen wird, gleich, ob sich nachher an den Zuständen etwas ändert, oder nicht.
In unangenehmen Situationen fühlen wir uns oft hilflos und überfordert, vielleicht auch weil widersprüchliche oder zu viele Eindrücke auf uns einprasseln. Dann wird oft nach schnellen Lösungen gesucht und ein externer Schuldiger, auf den man die ganze Wut projizieren kann, ist da Gold wert. Die Sau. Wut kennen wir, sie ist eindeutiges Gefühl und es fühlt sich auch noch gut an, rechtschaffen böse zu sein und dem Ärger freien Lauf zu lassen. In einem gewissen Maße klappt das und ist wohl auch nicht anders möglich. Die Aggression muss abgeführt werden, dann geht es uns besser.
Und so kennen wir normale und pathologische Projektionen. Der Vorteil der Projektionen ist zugleich ihr Nachteil. Man ist auf der einen Seite das Thema vermeintlich los, auf der anderen Seite büßt man auch Handlungsspielraum ein. Nun muss man darauf warten, dass der andere oder im Zweifel die ganze Welt sich ändert und die Erfahrung zeigt, dass man da zuweilen lange warten kann. Ich kann nichts dazu, dass die Welt so ist, wie sie ist, ist auf der einen Seite eine entlastende Einstellung, auf der anderen Seite auch eine passive. Auf einmal findet alles irgendwie außerhalb meiner Reichweite statt und von den Themen entlastet zu sein, heißt immer auch ein Stück weit ohnmächtig zu sein. Das mögen wir dann oft weniger, Freiheit ist nett, für uns selbst, etliche andere hätten wir dann doch lieber wieder unter Kontrolle. Es auszuhalten auch den anderen frei zu lassen, ist oft schwieriger, als man denkt.
Pathologische Projektionen neigen dazu uns über den Kopf zu wachsen. Man wird die Themen doch nicht so leicht los, wie man es anfangs glaubte. Im Fall neurotischer Projektionen ist das abgelehnte Thema zwar bei einem anderen geparkt, man ärgert oder fürchtet sich aber dennoch. Und so wird allgemein geraten, die Projektionen zurück zu nehmen, was gleichbedeutend damit ist, Verantwortung für genau die Themen zu übernehmen, die man bisher projizierte.
Es ist mit der Verantwortung ein Stück weit mit der Empathie, sie entfaltet sich – vielleicht sogar in noch viel stärkerem Maße – in Stufen zunehmender Komplexität. Eine häufiger Einwand ist, dass es sich nicht um eine Projektion handelt, weil andere genau dasselbe denken oder empfinden. Dazu muss man sagen, dass dies nicht viel aussagt. Andere könnten dasselbe Thema verdrängen und entscheidender ist, wie viel Ladung auf einem Thema ist, das heißt mit wie viel Emotionen es in mir verbunden ist, statt wie viele der gleichen oder ähnlicher Meinung sind. Versuchen wir also zu zeigen, wie man sich psychische Themen und damit Einfluss auf die Welt zurück erobern kann.
Verantwortung für das, was man getan hat übernehmen!
Das ist theoretisch einfach, praktisch manchmal schwer. Hier sind noch gar nicht viele Projektionen im Spiel, hier geht es eher darum eine Haltung oder Meinung zu entwickeln und diese auch bei Gegenwind durchzuhalten, ohne zu schnell zum Opportunisten zu werden. Gar nicht so selten mangelt es hier an Courage, in Bereichen, bei denen es keinesfalls um Leib und Leben geht. Ausflüchte, Leugnungen sind hier gar nicht so selten, dabei sind Fehler im Grunde nicht schlimm. Man sollte sie nur nicht zu oft wiederholen. Man lernt und wächst an ihnen, gerade wenn man die Verantwortung übernimmt.
Verantwortung für das, was man nicht gewollt hat übernehmen
Ein Klassiker bei Missverständnissen, gerne in Beziehungen. Man sagt etwas und der andere ist beleidigt oder gekränkt. Man bemerkt, dass da etwas nicht stimmt, versucht es vielleicht noch anzusprechen und ist dann mit dem konfrontiert, was der andere empfunden hat. Nun kann es durchaus sein, dass man eine Bemerkung eher spaßig oder unbedacht fallen ließ oder es tatsächlich nicht so meinte, wie es beim anderen ankam. Und dann geht es oft hin und her. Der eine ist knurrig wegen der Bemerkung, der andere, weil ihm Dinge unterstellt wurden, die er gar nicht meinte, die man zumindest aber nicht nachweisen kann. Im schlimmeren Fall eskaliert der Klärungsversuch in neuem Streit.
Eine gute Strategie ist es, dass was beim anderen ankam anzunehmen, anstatt seinerseits auf stur und beleidigt zu stellen. Kann durchaus sein, dass man es nicht so gewollt oder gemeint hat, man leichtfertig oder im Affekt geredet hat, aber beim anderen ist es nun mal als Verletzung angekommen. Dafür kann man die Verantwortung übernehmen und sich entschuldigen, eventuell noch fragen, wie man die Verletzung wieder gut machen kann. Das gibt einem die Möglichkeit die Situation anzusprechen, zu klären und ein Mittel an die Hand, um sie aus der Welt zu schaffen. Wenn man den andere fragt, was man tun kann um die Sache wieder gut zu machen, kann daraus sogar eine Basis von neuem Vertrauen wachsen.
Verantwortung für das, was man nicht getan hat übernehmen?
Das könnte in Situationen sein, wenn man achtlos weggeworfene Gegenstände irgendwo findet und sie in den Müll schmeißt. Oder etwas übernimmt, was einem aus irgendwelchen Gründen leichter fällt, als einem anderen. Sich in einer Situation bewusst einzumischen oder auch herauszuhalten, weil man meint, man sei nicht kompetent, könne nicht helfen oder ein Eingreifen würde sogar schaden. Aber genau darum geht es, denn aktiv mit der Welt zu interagieren, heißt auch, sie gestalten zu können. Es muss ja nicht immer ums Ganze gehen, so dass man das Klima rettet und nebenher noch den Kapitalismus abschafft, es geht darum im Kleinen zu wirken und diese vermeintlich Kleine zu würdigen.
Nicht wenige Weltrettungspläne würden uns erspart bleiben, wenn man zunächst mit der großen Ordnung und dem Superplan bei sich beginnen würde. Aber die Reihenfolge lautet bei gar nicht so wenigen Menschen anders: Erst soll sich die Welt ändern, dann tue ich das vielleicht auch. Dumm nur, wenn noch jemand anders genauso denkt und es besteht der Verdacht, dass es tatsächlich sogar mehr als zwei Menschen mit dieser Einstellung gibt. Aber ob man die Welt ändern will oder nur den Partner, die Denkweise, der Anspruch ist ähnlich: Erst du, dann ich. Wieso soll ich denn anfangen?
Das ist ein ziemlich egozentrischer Standpunkt und Egozentrikern kann man nicht mit dem Hinweis auf andere und deren Wohlergehen kommen, denn genau das ist ihnen herzlich egal, sie wollen für sich das Beste und die Komfortzone möglichst nicht ankratzen. Irgendwo ist das lästig, frustrierend, seltener richtig bösartig, nur ins Gespräch kommt man so nicht. Man muss ihnen etwas anbieten, was sie selbst attraktiv finden und Freiheit und Autonomie ist so ein Punkt, der vielen Menschen sehr wichtig ist.
Verantwortung zu übernehmen ist die andere Seite der Medaille auf der Freiheit steht. Freiheit heißt selbstbestimmt zu handeln und selbstbestimmt kann ich nur handeln, wenn ich für mein Tun Gründe habe und Verantwortung übernehmen. Einfach impulsiv tun und lassen zu können, was mir in den Sinn kommt, klingt frei, letztlich ist man dadurch aber ein Sklave seiner Triebe und Bedürfnisse. Das kann durchaus Spaß machen, nur mit Freiheit und Selbstbestimmung hat es nichts zu tun, man ist dann einfach seinen momentanen Impulsen und Affekten ausgeliefert.
Die Variante unbescheiden, aber mit kleinem Herzen zu leben führt nur bedingt zum Erfolg, hat aber nichts mit einem selbstbestimmten Leben zu tun. Bescheiden, aber mit großem Herzen, ist die Wahrscheintlichkeit, dass man glücklich wird erheblich größer. Darum geht es auch im psychotherapeutischen Umfeld und damit zu einem heiklen und letzten Punkt.
Verantwortung für das eigene Denken und Fühlen?
Es gibt mitunter tragische Umstände, die dafür sorgten, dass Menschen fürchterliches Erleben mussten. Es ist eine etwas ärgerliche Entwicklung, dass der Begriff des Traumas in der Psychologie und des Opfers in der Gesellschaft so inflationär benutzt wurde. So wurde jeder kleine Verkehrsunfall und stressige Moment zum Trauma aufgebauscht und jeder Mensch, der nicht augenblicklich kriegt, was er will, stilisiert sich zum Opfer. Das ist deshalb ärgerlich, weil es echte Opfer, von denen es mehr als genug gibt, in eine Reihe mit Menschen stellt, die vielleicht nur etwas zu anspruchsvoll sind und für Menschen, die etwas davon verstehen, beginnt ein echtes Psychotrauma in dem Moment wo man um sein Leben fürchtet oder etwas so überwältigend ist, das es psychisch nicht integriert werden kann.
Vieles davor, soziale Phobien und ähnliches kann und sollte man ernst nehmen, nur haben sie mit einem Psychotrauma nichts zu tun. Das Trauma muss noch einmal von chronischer Aggression unterschieden werden, der jemand lange und immer wieder ausgesetzt sein kann, eine Erfahrung, die zu unterschiedlichen Folgen und Notwendigkeiten der Behandlung führt.
Die kontroverse Frage in unserem Zusammenhang ist, ob es Grenzen der eigenen Verantwortung gibt. Wenn ein Mensch in seiner Kindheit misshandelt wurde oder auch später einem echten Trauma ausgesetzt war, dann ist das Leben dieses Menschen durch einen oder mehrere andere Menschen auf diese Weise geprägt und verändert worden. Was macht man nun, als Betroffener? Was ist nun die richtige therapeutische Strategie? Hier geht der Weg von Traumatisierung und chronischer Aggression etwas auseinander aber eine der dringenden Frage ist, inwieweit man den Täter verstehen kann oder ob man das überhaupt nicht versuchen sollte? Ob man ihn hassen und aus seiner Psyche verdrängen oder ob man ihm eher verzeihen sollte?
Die Frage, was hier richtig und falsch ist und in welchem Tempo man vorgeht, können Betroffene nur selbst beantworten. Ganz allgemein, über einschneidende Erfahrungen hinaus, ist auch hier die Frage von Schuld und Verantwortung zu trennen. Schuld ist man nicht, man hat nicht darum gebeten misshandelt zu werden, aber die Ereignisse haben einen zu dem Menschen gemacht, der man jetzt ist. Und ab einem gewissen Punkt ist es gut, auch hier die Hoheit über das eigene Leben zurück zu gewinnen.
Vielleicht ist das die anspruchsvollste Übung, auch im Angesicht intensiver Leiderfahrungen zu sagen: Das bin ich, das ist mein Leben. Aber die Extremsituationen stehen hier nur als Beispiel für die Gesamtsituation. Egal, wie es bisher gelaufen ist, es ist immer die Gesamtheit meines Lebens. Das ist kein leichtes Spiel, weil am Ende des Tages mehr Leichen im Keller liegen, als man gewöhnlich ahnt. Selbst Menschen, die halbwegs normal aufwuchsen schauen früher oder später in Abgründe. Allein die Konfrontation damit, dass man keineswegs der oder die Gute im Leben ist und immer nur nette und selbstlose Motive hat, ist schwer zu ertragen und oft noch schwerer zu integrieren.
Happy End?
Aber wozu die üble Psycho-Wühlerei, wenn am Ende doch nur die Extraportion Frust steht? Sollte man es dann nicht lieber lassen? Es ist vermutlich eine Frage der persönlichen Neigung. Nicht jeder wird den Verzicht auf Freiheit als Makel empfinden, der Opportunismus hat keinen guten Klang, kann aber helfen, halbwegs reibungslos und unauffällig durchs Leben zu kommen und nicht jeder verlangt mehr vom Leben.
Wer frei sein will, kommt nicht darum herum Verantwortung für sein Sosein zu übernehmen und nicht sofort zu projizieren, auch wenn es zunächst bequemer ist und ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Verantwortung nicht nur in der Komfortzone des Lebens, sondern auch dort, wo einem scheinbare oder auch tatsächliche Ungerechtigkeiten widerfahren. Kann ein großes „Ja, das bin ich“ das alles einfangen? Ich glaube, es ist ein mühsamer und schmerzhafter Weg, aber immerhin ist man dann kein Spielball der äußeren Umstände mehr. Es ist ein Weg auf dem Missverständnisse und Irrtümer wohl eingepreist sind, aber dennoch ein möglicher Weg.
Wo führt er hin? Ich glaube dahin, wo das Glück zu finden ist, wenn es vielleicht auch das kleine Glück ist. Aber das scheint mir eine der sich daraus ergebenden Erkenntnisse zu sein. Das kleine Glück, im Sinne einer unterschwelligen Zufriedenheit ist nicht die B Version oder die abgespeckte Variante, sondern die in Wirklichkeit sogar tragendere Version des Glücks. Ich kann mir die Welt im Großen und Ganzen eben nicht basteln, aber ich kann mir die Freiheit nehmen, meine Welt im Rahmen meiner Verantwortung zu gestalten.
Woran erkennt man normalerweise, dass es sich bei der Einstellung eines Menschen um eine Projektion handelt? Der hohe emotionale Gehalt, der mit der Aussage verbunden ist. Es hat mich stets skeptisch gestimmt, dass bei allem Verständnis für die immer auch nachvollziehbaren Argumente, die Betonung des Umstandes, dass man an seinem Leben selbst nun nichts mehr ändern kann, einigen Menschen so außerordentlich wichtig ist, dass sie sogar in Wut geraten, wenn man anderer Meinung ist. Das wäre für mich ein Indiz für eine Projektion.
Ist Verantwortung nun Freiheit oder Bürde? Beides, denke ich. Bei der Einübung dessen, was nicht unbedingt selbstverständlich ist gibt es immer wieder Phasen der Mühe, des Missverstehens, der Konflikte und der Irritation. Das fühlt sich nicht unbedingt gut an, in der Begegnung mit anderen ebenso, wie bei der eigenen Einübung. Ein konsequentes Aufdecken eigener Projektionen macht wahrlich nicht immer Spaß. Der Lohn ist, dass man tatsächlich in eine verantwortungsvolle Freiheit gelangt, die man selbst früher nicht für möglich gehalten hätte. Es ist nach meiner Einschätzung nicht die Freiheit derer, die sich als über allen schwebend erleben, es ist die Freiheit derer, die sich bei allen Unterschieden den anderen immer ein Stück weit verbunden fühlen und dieses „Ich bin wie du“ ertragen können.