DNS Modell, dreidimensional

Das Doppelhelix-Modell in dem unser Erbgut schlummert. © ynse under cc

Wie berechenbar sind wir im 21. Jahrhundert geworden? Waren es früher scheinbar hellsichtige Menschen, wie Hexen, Magier und Hypnotiseure, die in dem Ruf standen zu wissen, was andere denken und sie beeinflussen zu können, wurde dieser Staffelstab dann an die junge Wissenschaft der Psychologie weitergereicht. Anfang des 20. Jahrhunderts gelangen der Menschheit viele epochale Blicke ins Innere. Röntgen glückte es den Körper zu durchleuchten, die Physik drang über die Relativitätstheorie und Quantenphysik ins kuriose Innere der Materie vor und Freud tat, mit den anderen Pionieren der Psychoanalyse, einen Blick in die Tiefe der Psyche.

Das Jahrhundert verging und die Entwicklungen schritten fort, die Techniken wurden ausdifferenzierter. Die Psychologie spaltete sich in einzelne Bereiche auf, die das Verhalten des Menschen genauer unter die Lupe nehmen und in spezialisierte Segmente unterteilen sollte. Das Bild des Psychologen in der Öffentlichkeit wurde das eines Menschen, der einen mit durchdringendem Blick ansieht und unsere verborgensten Motive erspürt.

Doch das war längst nicht alles. 1953 wurden erstmalig die Forschungen von Crick und Watson zur Doppelhelixstruktur der DNS in Nature veröffentlicht. Die Geburtsstunde der Molekulargenetik, mit Auswirkungen auf die Erkennbarkeit und Berechenbarkeit des Menschen. Man suchte in der Folge im Erbgut nach jenen Abschnitten, die für Haarfarbe, Körpergröße, Intelligenz und das typische Verhalten von Menschen zuständig sein sollten, auch Verbrecher- und Aggressionsgene.

Auch soziobiologische Ansätze zur Erklärung des Menschen kamen auf. Bereits in den späten 1960ern erschien das Buch „Der nackte Affe“, des Verhaltensforschers Desmond Morris und wurde zum Bestseller. Es wies auf die oft hohe Ähnlichkeit des menschlichen Verhaltens, seiner Mimik, Gestik und Körpersprache, mit dem seiner tierischen Vorfahren hin.

Doch das Interesse an der Durchschaubarkeit des Menschen erfasste auch andere Bereiche. Auch die Werbung wollte wissen, wie der Mensch funktioniert, die damit assoziierte Marktforschung kam auf und spezialisierte sich ebenfalls immer mehr um den potentiellen Kunden zu verstehen.

Kriminalpolizei und Militär

Naturgemäß waren auch die Kriminalpolizei und das Militär daran interessiert, zu erkennen, wie Menschen ticken. Teil der Strategie war, am besten schon im Vorfeld zu erkennen, wie sich jemand unter bestimmten Bedingungen verhalten würde. Ein weiterer Versuch des Zugriffs auf die Black Box, die das Innere des Menschen nach Ansicht der Behavioristen unter den Psychologen sein sollte.

Auf militärischer Seite und auch bei Konzepten der Kriminalpsychologie versuchte man vor allem mittels der Spieltheorie das mögliche Verhalten der jeweils anderen Seite vorherzusehen und in die eigenen Strategien mit einzuberechnen. Frank Schirrmacher machte in seinem Buch „Ego: Das Spiel des Lebens“ deutlich, dass diese militärische Sicht auf das Verhalten des Menschen zunehmend auch andere Lebensbereiche erfasste und zu einer Algorithmisierung des Menschen führte. Ansonsten ist man auf dem militärischen Gebiet pragmatisch und interessiert sich für alles, was hilft die Absichten des potentiellen Feindes zu erkennen, sich selbst zu schützen und ihm zu schaden oder ihn mindestens zu kontrollieren.

Wie auch immer: Kriminalpsychologen, Farbpsychologen, Experten für Körpersprache und diverse populäre und wissenschaftliche Psycho- und Intelligenztests rückten unserem Inneren von allen Seiten näher, um zu erkennen, wer wir sind, wie wir sind und wie der andere ist.

Der Stand um 1990

Um 1990 war der dominierende Zweig der Psychologie der Behaviorismus, der das Verhalten des Menschen als konditioniertes Reiz-Reaktions-Muster sah, das man im Rahmen der genetischen Grenzen durch operante Konditionierungen verstärken und abschwächen konnte. Die tiefenpsychologischen Richtungen waren eher an den Rand gedrängt, galten sogar zuweilen als unwissenschaftlich. (vgl. dazu auch: Psychische Heilung). Parallel dazu arbeitete man weiter an der Entschlüsselung des Genoms, es wurde die Dekade des Gehirns eingeleitet und die Genomanalyse schritt voran. Technische Fortschritte (wie die Polymerase-Kettenreaktion) und die immer bessere fMRT waren massiv daran beteiligt.

Man war dem Inneren des Menschen auf der Spur, vor allem in der Werbung, die Produkte immer gezielter anpreisen wollte. Doch es gab auch psychologische Trends und Moden, die immer wieder versprachen, den Menschen, sein Denken und Verhalten durchschauen und vorhersagen zu können. So blickte man zum Beispiel auf die Körpersprache und schaute, was sie verrät, entgegen oder zusätzlich zu dem, was ein Mensch von und über sich sagt und bewusst preisgibt.

In der inzwischen recht populären Esoterik legte man Wert auf das analoge Denken, das von einem Bereich des Soseins auf andere schloss. Das Prinzip hieß, dass alles etwas über einen Menschen aussagt, nicht nur die Körpersprache, sondern auch, wie er spricht, sich kleidet, welches Auto er fährt oder Bücher er liest, Haustiere oder Hobbys er hat.

Doch das alles war nichts gegen die Neuerungen, die in den nächsten ungefähr 15 Jahren kommen sollten. In dieser Zeit wurde zusätzlich zu einer immer größeren Präzision der bekannten Bereiche noch das Profiling populär und immer mehr das Internet, das uns alle gläserner macht.

Nun dämmerte allmählich, dass von unserem, ehedem hoch privaten, Inneren kaum noch etwas übrig zu bleiben schien. Die Frage Wie berechenbar sind wir? schien beantwortet werden zu können und die Antwort hieß: vollständig.