Die Weltbild-Methode stellt einen Ansatz dar, der unter anderem Menschen mit chronischen Schmerzen helfen soll. Später gehen wir der Frage nach, ob die Weltbild-Methode auch bei anderen Formen chronischer Erkrankungen hilfreich sein kann, doch der Fokus liegt zunächst auf den chronischen Schmerzen.
Ziel ist es, den Goldstandard der gegenwärtigen Therapie (falls vorhanden), mit den optimalen unspezifischen Verfahren und den spezifischen Verfahren der Weltbild-Methode zu kombinieren. Die unspezifischen und spezifischen Verfahren gilt es nun genauer zu erläutern. Es kann sein, dass von Fall zu Fall der therapeutische Goldstandard mit den unspezifischen und spezifischen Verfahren überlappt. Das wäre kein Fehler, sondern am Ende sogar ein wünschenswertes Ziel, dass nämlich die drei Blöcke, die wir heute haben, langfristig zu einem Gesamtkonzept verschmelzen.
Die Weltbild-Methode richtet den Blick intensiver auf jene Blöcke, die noch immer zu wenig Beachtung erfahren und demzufolge auch noch sehr viel Potential in sich bergen. Wir werden erst die unspezifischen Verfahren vorstellen, knapp, da viele von ihnen bekannt sind, und danach auf die spezifischen eingehen, darunter das Herzstück der Weltbild-Methode.
Die unspezifischen Verfahren
Es gibt heute wunderbar ausgearbeitete unspezifische Verfahren, die selbst zu eigenen Systemen ausgebaut sind. Bei Menschen mit chronischen Schmerzen ist der erste Punkt oft auch einer der unbeliebtesten:
Bewegung
Bewegung klingt schon für viele nur gelegentlich von Schmerzen geplagte Menschen wie eine Drohung. Bewegung geschieht bei Kindern noch aus der Lust an der Bewegung selbst. Sie toben, klettern, rennen, spielen Fangen und Fußball . Das ändert sich durch Übergewicht, weniger Spielmöglichkeiten, weniger Freunde und mehr Computer im Leben. Unser Lebenstil ist ein sitzender geworden, man spricht schon davon, dass Sitzen das neue Rauchen sei.
Wenn wir uns später bewegen, dann oft, „um zu“ und nicht mehr aus Freude an der Bewegung. Um irgendein anderes Ziel zu erreichen, um das es in Wirklichkeit geht. Oft, um abzunehmen oder weil der Arzt es verordnet hat. Für Menschen mit chronischen Schmerzen kommt neben der Unlust, die viele von uns befällt, noch der Schmerz hinzu. Und noch ein übler Effekt. Man sollte meinen, dass Menschen mit chronischen Schmerzen sich an diese gewöhnen und etwas abstumpfen. Doch gerade wenn eine Schmerztherapie bisher unzureichend war und nur aus Schmerzmitteln bestand, ist das oft nicht der Fall. Die Toleranz gegenüber normalen Schmerzen, die wir alle mal haben, zum Beispiel der Muskelkater nach Bewegungen, sinkt und diese Menschen lernen beim kleinsten Wehwehchen sofort, medikamentös gegenzusteuern, eine Gewohnheit, die oft schon die Grenze zur Sucht überschreitet. Eine effektive Schmerztherapie auch und gerade mit Opioiden ist ein Segen und unbedingt sinnvoll, um die Ausbildung des Schmerzgedächtnisses zu vermeiden, als Dauermedikation ist dieselbe Therapie oft eine Katastrophe.
Die mehrfache Wirkung der Bewegung
Bewegung ist kein Abspeisen, keine etwas schlechtere Schmerz-Therapie. Ein Orthopäde sagte mir, mit einer Spritze bekäme er seine Patienten für 24 Stunden schmerzfrei, mit Bewegung dauerhaft. Der Grund ist, dass durch die Bewegung der Körper selbst schmerzhemmende Stoffe ausschüttet, natürlich nur, wenn man sich regelmäßig bewegt. Die richtige Bewegung richtet sich nach der Art der Schmerzen. Bei Knie- und Rückenschmerzen profitieren Jung und Alt von Bewegung. Beim Rücken, helfen besonders Wandern, Skifahren, Pilates. Ausdauersportarten senken die Schmerzen bei Neuropathien und Rheumatiker profitieren insbesondere vom Krafttraining. Und als Faustregel gilt ebenfalls: Lieber schneller wieder in die Aktivität kommen, als langsamer. All dies muss im Einzelfall mit einem Arzt und/oder Physiotherapeuten besprochen werden, aber die Untersuchung über den Nutzen der Bewegung bei Schmerzen sind klipp und klar.[1]
Über die primär schmerzstillende Wirkung der Bewegung hinaus profitieren Menschen mit chronischen Schmerzen aber noch auf weitere Weise davon. Schmerzen, gerade wenn sie chronisch werden, gehen so gut wie immer mit Depressionen einher. Man kann sich nun länger darüber unterhalten, ob die Depressionen daher kommen, dass man Schmerzen hat und sich dann die weiteren Folgen, wie Verzweiflung, Rückzug und dergleichen Bahn brechen oder ob man eher Schmerzen empfindet, weil man depressiv ist. Zielführender ist in dem Fall aber, beides zusammen anzugehen und zu nahezu jeder guten Therapie gegen Depressionen gehört eben auch Bewegung, man schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe.
Dazu kommt, dass Bewegung zu Erfolgserlebnissen führt und deshalb und aus sich heraus glücklich macht, wenn man keine groben Fehler macht, was in der Regel heißt, sich zu über- oder unterfordern und dann schnell, im Misserfolg, abzubrechen. Zu Depressionen gehört mitunter, dass man sich selbst Erfolgserlebnisse nicht gönnt. Einerseits kann man das dadurch kurieren, dass man es bewusst doch tut und bemerkt, dass man ja doch etwas hinbekommt, sogar noch in Eigenregie, andererseits ist die Psyche dynamisch und manchmal etwas verrückt, so dass man sich Erfolge gerade deshalb nicht gönnt, weil es funktioniert (siehe auch: Probleme in der Therapie). So oder so vergrößert eine Zunahme der physischen Widerstandskraft und ein Erleben der Fortschritte die Ich-Stärke, was seinerseits ein sehr wichtiges Element ist, weil es zwischen Ich-Schwäche und Schmerzen offenbar ein erhebliche Korrelation gibt, auf die wir später gesondert eingehen.
Wenn wir der Bewegung im Rahmen der Weltbild-Methode so viel Raum geben, dann aus zwei Gründen. Erstens, weil die Weltbild-Methode eine ganzheitliche oder sogar integrale Methode ist, zweitens, um einen Verständnisraum zu öffnen, um den es jetzt geht:
Auf- und Abwärtsspiralen verstehen
Die Ohnmacht und Verzweiflung, die oft zu chronischen Schmerzen gehört, muss man verstehen und ernst nehmen. Menschen mit chronischen Schmerzen haben oft schon so viel versucht, viele Tipps gehört, geholfen hat letztlich nichts. Aber, wie auch bei anderen Problemen, hilft oft nicht das eine Verfahren, sondern ein ganzes Ensemble und es gilt dabei die jeweils richtige Komposition, für den einzelnen Menschen zu finden. Aber jeder sollte verstehen, dass auch, wenn man innerlich schon die Augen rollt und denkt: „Was soll ich denn noch alles machen?“ ein Zusammenspiel viel öfter hilft als ein einzelnes Verfahren, schon deshalb, da chronische Schmerzen ihrerseits nicht nur eine Ursache haben. Da greifen, biopsychosozial, eine Reihe von Effekten ineinander, die eben dazu führen können, dass Menschen mit chronischen Schmerzen nicht selten in eine Abwärtsspirale gelangen. Schmerzen, Selbstvorwürfe, Probleme mit Freunden, Freizeit und Beruf, so dass Rückzug, Vereinsamung und Depressionen dazu kommen können und das ganze Leben binnen kurzer Zeit zum Desaster wird, wo alles mit einer scheinbaren Lappalie, ein paar Schmerzen, begann.
Auf der anderen Seite profitiert man von positiven Synergieeffekten, die mehr sind als einfache Additionen. Vielleicht hilft einem Menschen das besonders, wovor er sich bislang immer gedrückt hat, möglicherweise ist es aber auch eine neue und andere Zusammenstellung von mehreren Verfahren, die man bereits kennt, oder eine andere Einstellung oder leichte Veränderung der Rahmenbedingungen, die dazu führt, dass sich eine immer schnellere Aufwärtsspirale einstellt. Das sind Zusammenhänge, die man verstehen sollte.
Achtsamkeit
So ist Achtsamkeit oft ein wunderbarer Katalysator und die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion ist eine Methode, die dem in großartiger Weise Rechnung trägt. Achtsamkeit bedeutet, Dinge des Alltags bewusst zu tun, denn oft ist es so, dass wir in unserem Zustand des halbautomatischen Funktionierens nur noch sehr unbewusst agieren. Alles fliegt an uns vorbei, wir sind irgendwie unbeteiligt am eigenen Leben und doch zugleich gehetzt. Weil wir uns kaum mehr die Zeit zu bewussten Handlungen, zum Ankommen nehmen, immer mit dem Verweis auf eine Notwendigkeit die scheinbar größer ist.
Schmerzen ändern das, allein schon deshalb, weil sie die Prioritäten im Leben fast immer verschieben. Was eben noch wichtig war, wird auf einmal weit weniger bedeutend und die vermeintlichen Banalitäten werden nicht selten zur stillen Sehnsucht: Nur mal wieder einen Tag, oder nur ein paar Stunden das machen zu können, was früher so selbstverständlich und nicht selten sogar lästig war. „Immer muss ich laufen.“ Wie gerne würde so mancher es mal wieder ohne Schmerzen tun. Einfach nur ein normales Leben führen. Mit Achtsamkeit unsere Handlungen, aber auch unsere Gedanken und Gefühle zu begleiten und einen inneren Raum für Trauer, Wut, Sehnsucht, Enttäuschung zu haben, ist ein weiterer wichtiger Baustein im Rahmen der Weltbild-Methode.