Die Abwesenheit von Widerständen ist vermutlich auch ein Element, was Hobbys besonders geeignet macht, um Flow- oder Gipfelerfahrungen zu erleben. Ob man der besessene Forscher ist oder im Hobbykeller oder an der Modelleisenbahn selig tüftelt oder bastelt, in diesen Situationen ist man mit sich und der Welt im Reinen, man ist in einem ganz eigenen Raum im Hier und Jetzt.

Dieser Raum bleibt bei manchen Gipfelerfahrungen auch erhalten, wenn man am aktiven Leben weiter teilnimmt und etwas mit anderen unternimmt. Ein Gefühl des Einverstandenseins, der völligen Stimmigkeit stellt sich ein, die gar nicht übertrieben euphorisch sein muss. Manchmal ist die Wahrnehmung etwas verändert, so, als hätte jemand den Dimmer draußen in der Natur heller gedreht und die Kontraste etwas nachgeschärft. Vielleicht riecht man mehr als gewöhnlich, auf jeden Fall scheint die Welt in diesen Momenten der perfekte Ort zu sein.

Doch auch bei intensivem Stress sind Flow-Erfahrungen möglich, wenn die „Seele“ aussteigt und man sich auf einmal im ruhigen Zentrum des Wirbelsturms befindet. Oder bei kreativen Tätigkeiten. Von Autoren hört man immer wieder, dass der Text, den sie begonnen haben, irgendwann sein eigenes Leben zu führen scheint und sich von selbst erzählt. Der Schriftsteller, eben noch Schöpfer, wird auf eigenartige aber oft bestätigte Weise zu jemandem, der eher wie ein Zeuge hinschreibt, was da passiert, statt sich die Geschichte auszudenken. Ähnliche Berichte kennen wir von Komponisten, die sich der Überlieferung nach hinsetzten und das, was bereits fertig in ihrem „Kopf“ war, niederschrieben.

Spirituelle Übungen und Gipfelerfahrungen

Ramana Maharshi

Einer von Indiens großen Mystikern, Ramana Maharshi; G. G. Welling – Sri Ramanasramam, Tiruvannamalai, 606603, Tamil Nadu, India. gemeinfrei

In etwa das, was uns die Kreativen und Künstler erzählen, berichten uns auch die Mystiker, nur dass das, was sie „schaffen“, das alltägliche Leben ist. Auf so eigenartige Weise wie der Autor von seinen Romanfiguren und der Komponist von seiner Musik in Besitz genommen wird, so erfasst den Mystiker das Leben. Er ist auf der einen Seite ganz selbstvergessen im Dienst dieses Lebens, getrieben oft von der einzigen Motivation, das was er selbst erlebt auch anderen zu ermöglichen, auf der anderen Seite wird diese Form der völligen Gebundenheit als große, wenn nicht größte Form der Freiheit beschrieben.

Ist das Leben dann ein Dauer-High, eine unausgesetzte Gipfelerfahrung? Vielleicht nicht, was aber übereinstimmend berichtet wird, ist ein Zustand der tiefen Zufriedenheit, in all dem Trubel und Chaos, dass das Leben zu bieten hat. Das ruhige Zentrum des Wirbelsturms, das Auge des Zyklons, ist zum festen Wohnort geworden.

Man kann das trainieren, aber es gibt keine Garantie auf Erfolg. Man kann durch spirituelle Übungen großartige Gipfelerfahrungen machen, aber die Sache hat zwei Haken. Erstens, sind mit Übungen auch endlose Stunden der Monotonie verbunden, die ihren eigenen Reiz und ihre Berechtigung, aber nichts mit Gipfelerfahrungen zu tun haben. Zweitens geht es der Mystik eben nicht um Gipfelerfahrungen, sondern darum, dass diese auch nur ein ganz normaler Teil eines ganz normalen Lebens sind, dessen Kontinuität der beständige Wechsel ist.

Die Dauer von Gipfelerfahrungen

Gipfelerfahrungen dauern manchmal nur Sekunden, manche Minuten oder Stunden, doch einige halten länger an: Tage, Wochen, Monate, manche verschwinden nie wieder und verändern wie manche Nahtoderfahrungen das Leben nachhaltig.

Bei länger anhaltenden Gipfelerfahrungen, etwa über Wochen, spricht man von Plateauerfahrungen. In einigen Fällen kommt es zu dauerhaften Anpassungen und der Betreffende lebt von da an in einem neuen Erlebenszustand. Ramana Maharshi gilt als einer der großen Weisen und Erleuchteten modernerer Zeit, bei dem es nach einer subjektiven Todeserfahrung zu einer dauerhaften Anpassung kam. Sein Erlebnis in jungen Jahren ließ ihn sein Leben komplett ändern, er zog sich auf einen heiligen Berg zurück, den er bis zu seinem Tode nie mehr verließ. Ramana Maharshi berichtet in dem Buch „Gespräche des Weisen vom Berge Arunachala“, dass er keinerlei Fragen mehr habe und lebte offenbar in einem Zustand der Bedürfnislosigkeit, auch ohne Aktivität.

Wenn das Besondere mit dem Alltäglichen eine Fusion eingeht, dann gibt es keine Unterschiede und keine Widerstände mehr. Uns ist vieles im Alltag lästig, unangenehm, doch wenn der Schlüssel zu Gipfelerfahrungen dort liegt, dass sie häufig dann aufblitzen, wenn wir alle Widerstände fallen lassen (müssen), dann ist die mystische Botschaft, unser eigenes Leben voll und ganz anzunehmen, auch unter rationalen Aspekten sinnvoll und beschreibbar. Die Umsetzung ist das Problem an der Geschichte, sie dauert oft Jahre und Jahrzehnte, ist verwirrend und widersprüchlich, für diejenigen, die sich dem Thema zuwenden. Gipfelerfahrungen zeigen, dass das, wovon immer geredet wird, tatsächlich möglich ist. Sie legen ein Zeugnis ab und motivieren die Interessierten.

Am Ende des Lebens bleiben nur ein paar Erinnerungen, wenn wir zurückblicken und schauen, wofür es sich gelohnt hat. Gipfelerfahrungen gehören recht sicher dazu.