Todesangst heilen oder lindern, wie geht das konkret? So simpel wie es klingt, man muss das Thema erst mal ansprechen.
Therapeuten erfahren im Grunde von ihren Patienten alles, was sie wissen müssen, doch oft trauen sich die Therapeuten nicht danach zu fragen, nicht nur, aber auch beim Thema Tod. Auch Therapeuten haben, weil sei Menschen sind, Angst vor dem Tod und meiden das Thema deshalb manchmal.
Für Therapeuten mit existentialistischer Ausrichtung, wie dem bekannten Irvin Yalom, ist der Tod immer ein Thema und ein integraler Bestandteil der Therapie. Der Klient profitiert davon, wenn er erlebt, dass der Therapeut das Thema nicht verweigert und es als normal erlebt, diese Ängste haben zu dürfen und merkt, dass dennoch das Leben weitergeht, Sinn- und Glückserfahrungen möglich sind.
Yalom führt in seinem lesenswerten Buch „Der Panama-Hut: oder Was einen guten Therapeuten ausmacht“ aus, dass gerade Begegnung mit dem Tod, sei es dem eigenen Sterben oder dem Tod eines nahen Menschen, die Menschen reifer, klüger macht: sie lernen das für sie wirklich Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Eigentlich können wir das alle, nur im Angesicht des Todes trauen wir uns auch, dazu zu stehen.
Todesangst heilen, was hilft?
Neben dem Reden über den Tod, sind es Nahtoderfahrungen, die überragend häufig die Todesangst minimieren oder sogar zu einem kompletten Verlust der Todesangst führen können. Nahtoderfahrungen sind auch qualitativ anders, denn sie sorgen nicht dafür, dass man mit der Angst klarkommt, sondern oft genug, dass man die Angst verliert. Der niederländische Kardiologe Pim van Lommel hat in seinem Buch „Endloses Bewusstsein: Neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung“ dargestellt, dass neben der deutlichen Reduktion der Todesangst nach Nahtoderfahrungen gleichzeitig auch der empfundene Wert des Lebens steigt. Diese Menschen werden also nicht lebensmüde, sondern entspannter, achtsamer und angstfreier.
Das Problem liegt auf der Hand. Im Lichte der wissenschaftlichen Studien, die es zu diesem Thema gibt, müsste man eine Nahtoderfahrung eigentlich als Therapie empfehlen und genau das kann man natürlich nicht. Oder doch? Eine Nahtoderfahrung ist zum einen an schwere Unglücke oder Krankheiten gebunden, die man natürlich nicht provozieren kann, doch van Lommel führt aus, dass diese Erlebnisse nicht nur in Todesnähe auftauchen, sondern gehäuft auch im Kontext anderer Praktiken, bei Gipfel- und Grenzerfahrungen, wie etwa beim Extremsport, im Zuge einer Depression, einer existenziellen Krise, bei spirituellen Praktiken oder auch einfach spontan.
Todesangst heilen durch DMT?
DMT oder Dimethyltryptamin, eine von der Epiphyse produzierte psychoaktive Substanz, könnte der Stoff sein, aus dem die Todesangstfreiheit ist. DMT löst Erfahrungen aus, die Nahtoderfahrungen in großer Weise ähneln.
LSD oder Lysergsäurediethylamid ist eine andere bekannte Substanz, die in einem therapeutischen Rahmen ein großes Potential haben könnte, der Kontext ist deshalb so wichtig, weil die Gefahren eines schlechten Trips gegeben sind. Da auch die rechtliche Situation die therapeutische einschränkt, wurden hier andere Weg gesucht und gefunden.
Drogenfreie Drogenerfahrungen
Als ein wichtiges Instrument wurde hierbei der Atem (wieder-)entdeckt. Unter dem Namen Rebirthing, Holotropes Atmen oder Verbundenes Atmen existieren Atemtechniken, die alle mehr oder weniger eine Hyperventilation gezielt herbeiführen. Alexander Lowen, Wilhelm Reich und mit größter Wahrscheinlichkeit die Yogis kannten diese Techniken schon früher.
Die bei dieser Atemtechnik auftretenden Erfahrungen sind körperlich und emotional sehr eindrucksvoll und bisweilen heftig, weshalb sie in die Hand von Therapeuten gehören, die darin ausgebildet wurden. Oft treten Ereignisse auf, die als Geburtserfahrungen erlebt werden, aber auch andere spirituelle Erfahrungen sind möglich und häufig. Damit bewegen wir uns in einem Kontext von Erlebnissen, der die emotional eng verbundenen Bereiche von sexuellen, Geburts- und Todeserfahrungen umfasst.
Zwischenergebnis
Therapeutisch, um die Todesangst heilen oder lindern zu können, haben sich bewährt
- die Wege der stärkeren Verwurzelung in der Normalität, ein Weg der verhaltenstherapeutisch, psychoanalytisch und psychodynamisch beschritten werden kann. Gut freudianisch ist das Ziel, hier den Menschen liebes- und arbeitsfähig zu machen, also realistische Beziehungen zu ermöglichen.
- die Wege erhöhter Achtsamkeit, wie die dialektisch-behaviorale Therapie, aber auch Achtsamkeitsübungen, die den Körper miteinbeziehen, wie Körpertherapie, Kunst- und Gestalttherapie oder Tai Chi.
- die Wege außergewöhnlicher Bewusstseinserfahrungen, in denen nahtodähnliche Eindrücke auftreten und entweder für sich wirken oder, in einen therapeutischen Kontext eingebettet, weiterverarbeitet werden können.
Beim nächsten Mal richten wir den Blick auf imaginative Verfahren und die Rückführungen oder Reinkarnationstherapie.