Bäume im Wald, mit Wurzeln und Moos

Kraftvoll, autonom und doch kooperierend. © Michael Hafner under cc

Die Krisen der Welt sind selbst für die größten Optimisten nicht zu übersehen. Aber wie lauten unsere Antworten?

Wir leben seit einigen Jahren in einer Zeit der Krisen. Plural, weil es nicht eine ist, sondern mehrere davon parallel laufen, Klima, Corona und Krieg ist kein schöner Dreiklang gewesen und man könnte problemlos einige Themen finden, die heute bereits am Horizont zu sehen sind.

Nur ist diese Sicht natürlich auch frustrierend und es ist nicht nur verständlich, sondern sogar ratsam, sich Pausen vom Krisenmodus zu gönnen und mit Dingen zu beschäftigen, die einen nicht in eine Abwärtsspirale von Ohnmacht und Depression ziehen.

Ein Tanz um eine dynamische Mitte

Das heißt, man balanciert schon hier auf einem schmalen Brett, zwischen Überforderung und Desinteresse und ein möglicher Kompromiss ist der, dass man sich in der Unmündigkeit einrichtet. ‚Ach, ich allein kann ja sowieso nichts ändern, selbst wenn ich wollte‘, ein ungeheuer beliebtes Narrativ.

Das andere Problem ist, dass Krisen und Negatives einfach öfter geklickt werden, wenn es darum geht, dass man durchaus etwas machen kann und beschreibt, was das sein könnte, interessiert das nur noch wenige Menschen. Ich weiß nicht genau warum, vermutlich zum einen die Idee, dass wenn es wirklich so einfach wäre, es doch jeder machen würde und die Probleme längst gelöst sein müssten. Da sie es nicht sind, kann es also nicht so einfach sein, also uninteressant. Die andere Seite ist dann wieder die Überforderung, noch was tun zu sollen, ach nee, man hat schon genug um die Ohren.

Also steckt man die Kopf in den Sand und Psychotherapeuten raten dazu, sich auf die Selbstwirksamkeit zu konzentrieren, wenn man mit einem übermächtigen Problem konfrontiert ist. Russland hat die Ukraine angegriffen, das macht vielen an sich nicht viel aus, weil wir andere Kriegsherde gut ausblenden können. Der Unterschied ist die relative Nähe, vor allem aber die mögliche atomare Eskalation, ein Druckmittel, was auch immer wieder bedient wird. Dass man nicht weiß, wie man darauf reagieren soll, ist verständlich, Psychologinnen raten daher, sich nicht immer wieder die Ohnmacht bezogen auf die Gesamtsituation vor Augen zu führen, sondern sich auf einen Bereich zu konzentrieren, auf den man Einfluss hat, in dem man helfen kann.

So kann man innere Spannungen in äußere Energie und Tatkraft verwandeln und die erwähnte Selbstwirksamkeit erleben und man fühlt sich in der Regel wesentlich besser. Das ist super, hat allerdings einen kleinen Haken: Selbstwirksamkeit löst die Probleme der Welt nicht. Ich fühle mich vielleicht besser, wenn ich angesichts des Krieges vielleicht Hilfen organisiere oder beim Klimawandel beschließe, dass er überhaupt kein Problem ist. Es kann sein, dass ich damit privat gut fahre, aber die realen Krisen werden dadurch nicht weniger, sie beschweren mich nur nicht mehr so.

Gibt es ein richtiges Leben im falschen?

Das ist auch einer der Vorwürfe, dass es nicht darum gehen kann, sich möglichst gut zu fühlen, wenn, etwas salopp gesagt, um mich herum die Welt untergeht. Es ist ein zentraler Punkt, mit dem wir uns unter vielen Aspekte beschäftigen wollen, wenn es um unsere Antworten auf die Krisen der Welt geht.

Es kann irgendwie nicht sein, gut gelaunt in den Untergang zu fahren, nach dem bekannten Motto: Nach mir die Sintflut. Die gelungene Punktlandung wäre dann, dass zeitgleich mit dem eigenen Tod die Welt untergeht und es ist natürlich ein Ausdruck von hemmungslosem Narzissmus. Das ist dann auch der beständige Einwand jener Fraktion, die sagt, man müsse die Strukturen ändern, damit würden dann Krisen vermieden und man bräuchte dann auch keine psychologischen Strategien mehr, wie man mit Krisen umgeht.

So einleuchtend das klingt, hat auch dieser Ansatz einige Probleme, etwa, dass nicht jeder davon überzeugt ist, dass die Ursache des Problems, die man gefunden zu haben glaubt, von allen dort vermutet wird, die sehen wieder ganz andere Ursachen. Daraus speisen sich dann auch wieder die Quellen jener, die glauben, sie hätten die Lösung für alles, nur leider macht niemand mit. Die einen werden depressiv, die anderen zynisch, wieder andere wollen ihre Mitmenschen zwingen oder manipuieren und das könnte dann gleich die nächste Krise sein.

Also doch wieder eine Bewusstseinsfrage, nur ist das Bewusstsein bei uns Menschen eben so, wie es ist, nicht so, wie man es vielleicht gerne hätte: zunächst einmal unterschiedlich. Wie kann man also das Bewusstsein der Menschen erreichen und erweitern und dabei die Idee im Hinterkopf zu haben, große Veränderungen herbei zu führen, aber sich nicht darauf zurückzuziehen, dass das leider wieder mal nicht klappt, weil ja alle oder zumindest eine große Mehrheit mitmachen müsste?

Man fängt bei kleinen, aber konkreten Projekten an, die die Theorie in Praxis übersetzen und setzt darauf, dass diese Bereiche früher oder später zusammenwirken und sowohl unser alltägliches Leben, als auch unser Fühlen und Denken verändern. Dabei kann man dann mehrere Themen kombinieren, einige Beispiele stellen wir hier vor, sie können in späteren Beiträgen noch gesondert betrachtet, vertieft und ergänzt werden.

Neue Wohnformen gegen Altersarmut und Pflegenotstand

Nackte Kinder- und Erwachsenenfüße

Wenn Alt und Jung einander begegnen, kann das für beide gut sein. © Maurits Verbiest under cc

Sehr konkret wären neuen Wohnformen für ältere Menschen, die aber von der Idee getragen werden, dass Alt und Jung zusammen leben und einander unterstützen, aber wechselseitig, so dass eine solche Wohnform tatsächlich für beide Seiten attraktiv ist. Die Alten könnten von der Hilfe der Jungen im Alltag und bei etwaiger Pflegebedürftigkeit profitieren, die Jungen vom Erfahrungsschatz der Alten, etwa bei Hilfe mit Kinderbetreuung.

Die Alten könnten in vielen Bereichen länger aktiv sein, würden sich gebraucht fühlen, weil sie es tatsächlich werden und der Zeitpunkt bis jemand Pflege braucht könnte so nach hinten geschoben werden. Praktisch sind da eher kleinere Einheiten denkbar, das Mehrgenerationenhaus, aber auch der umgebaute Bauernhof oder ein altes Gut auf dem Land, eine Straße, Siedlung ein kleines Dorf oder ein Stadtteil.

Es gibt zwei gravierende Probleme der nahen Zukunft, nämlich Altersarmut und Pflegenotstand. Sie können so zusammen angegangen werden. Die Wohngemeinschaften sind aber nicht primär für die Altenpflege ausgelegt, sondern soll Menschen vereinen, die einander unterstützen möchten. Nachdem man einmal das Gebäude erworben hat, können weitere Segmente sein, dass solche Gemeinschaften die Hilfe im Alltag in den meisten Fällen wechselseitig und intern ohne Geldaustausch organisieren, sie können, gerade wenn sie ländlich oder dörflich angesiedelt sind, auch energieautonom und selbstversorgend sein.

Dabei soll es nicht ums irgendwie Durchkommen gehen, sondern um ein besseres Leben oft auch unter selbstgewählten gemeinsamen Schwerpunkten, es könnten sich Kunstschaffende, Biolandwirte, philosophisch Interessierte oder diverse Mischformen zusammenfinden. Der Unterschied zu den ersten Experimenten der Aussteigerkommunen liegt darin, dass man nicht einer idealistischen Abkehr von der Gesellschaft folgt, sondern immer mehr normale Menschen, die sich Mietkosten, Altenheim und dergleichen nicht mehr leisten können oder wollen, zusammenfinden können. Das könnten den Projekten eine gewisse Erdung verleihen. Formen der Integration weiterer marginalisierter Gruppen sind denkbar und wünschenswert, da auch diese Teil des normalen Spektrum der Bevölkerung sind.

Zurückdrängen von Politik und Geldfixierung

Wenn Menschen sich selbst organisieren, dann muss das keineswegs nur als Opposition verstanden werden, es kann auch unter einem kooperativen Gedanken stattfinden. Es ist durchaus denkbar und möglich, dass Bürger sich auf regionaler Ebene in ihrem direkten Umfeld selbst organisieren und die Politik entlasten und so das politische System insgesamt verschlanken kann und davon könnten beide Seiten profitieren. Die Bürger hätten mehr Einfluss, das könnte gegen die Demokratiemüdigkeit helfen, die Politik mehr Zeit für überregionale Aufgaben. Man müsste sich mehr interessieren und engagieren, sieht dann aber auch die direkten Fortschritte.

Man kann das Auseinandergehen der Schere zwischen Arm und Reich bedauern, nur hilft das niemandem. Dass die Armen selber Schuld sind, ist ein wenig auch eine Strategie der Mittelschicht, eigene Abstiegsängste nicht an sich heran zu lassen, die Philosophin Isolde Charim sieht uns sogar schon unter der Knute des Ich-Ideals, statt des Über-Ichs, was nichts anderes heißt, als dass unsere Gesellschaft immer narzisstischer wird und in dem Fahrwasser auch immer konkurrierender, weil Konkurrenz eine Entspannung verspricht, wenn man es schafft zu den Erfolgreichen zu gehören. Doch die Möglichkeiten sind extrem eng, da an der Spitze wenig Platz ist.

Ich-Ideal und Über-Ich sind Bestandteile des inneren Wertesystems und dort liegt auch die Lösung. Außen und innen bedingen einander, die Innenwelt ist kein privater Raum, der irgendwie von Rest der Welt abgeschnitten ist. Wir brauchen gegen die Geldfixierung und den Gedanken, dass es uns automatisch besser geht, wenn wir wohlhabender sind nicht anzukämpfen, es reicht sich zu fragen, was Menschen brauchen um glücklich oder zufrieden zu sein. Das haben wir getan: Glück und Zufriedenheit (1) und Glück und Zufriedenheit (2). Geld spielt dabei auch eine Rolle, aber eine ambivalente und wenn wir schauen, was Menschen wirklich zur Zufriedenheit brauchen: tiefe Beziehungen, einen Sinn im Leben, ein intaktes Wertesystem und in einigen Fällen eine spirituelle Anbindung, dann ist Geld hier sogar manchmal störend.

Etwas überspitzt kann man sogar formulieren, dass unsere Vorstellung von Glück und Zufriedenheit oft so aussieht, dass man Besitz und Ansehen anhäuft und dies dann gegen andere zu verteidigen versucht, während die meisten nachhaltigen Glückformeln zeigen, dass die emotionale Investition in andere viel wirksamer ist. Neue Werte – als Alternative zum Geld, als letztem Wert – bekommt man in die Welt, indem man im Alltag nach ihnen lebt und dadurch verbreitet, obige Wohnprojekte wären dann konkrete Formen dieser Ideen: Innen und außen sind nicht getrennt.

Kooperationsbereitschaft auf der Basis von Autonomie

Unsere Antworten auf die Krisen der Welt sind keine Bitten. Es ist schön, wenn andere mitmachen, aber es ist gut, wenn man weiß, dass man seinen Weg nicht von der Unterstützung durch andere abhängig machen muss. Auf der Basis dieses Wissens kann man sich kooperationsbereit zeigen.

Im Geiste wechselseitiger Kooperationsbereitschaft kann man weiter gehen und sich mit anderen vernetzen, die die Grundidee verstanden haben und teilen. Das kann sich gerade auch darin äußern, dass man an ganz anderen Stellen der Gesellschaft aktiv wird, um ein komplexeres Denken und Empfinden in die Welt zu bringen und zu trainieren.

Es gibt ein Wegbröckeln der gesellschaftlichen Mittelschicht, gerade bei uns. Ein größerer Teil geht vermutlich in die regressive Richtung, doch der kleinere Teil der in eine komplexere und grundsätzlich konstruktive Richtung unterwegs ist, ist effektiv und kreativ und kann in vielen Einzelbeispielen, in vielen dezentralen Projekten Beispiele geben und Angebote in die Welt setzen. Diese können sich vernetzen, von einander lernen, ohne in allem die gleiche Meinung oder oder gleichen Interessen vertreten zu müssen.

Die Bindekraft eines integralen Bewusstseins reicht aus, um zu verstehen, wie man in einem übergeordneten Sinne kooperieren und dabei unterschiedlichste Tätigkeiten und Interessen vertreten kann. Dieser Flickenteppich kann dafür sorgen, dass sich eine übergeordnete Idee europäischer Eigenständigkeit ausbilden kann und einem Kontinent im Wandel ein neues, eigenes Gesicht geben, Europa wäre nicht zum ersten Mal Pionier.

Die Kraft der Wendung nach innen

Unsere Antworten auf die Krisen der Welt, muss wesentlich eine sein, die die Wendung nach innen stützt. Das zunächst einmal im Sinne der Harmonie, des Ausgleichs, da wir nun schon seit langer Zeit einen Fokus auf die Außenwelt legen und noch unsere Innenwelt dominant über Äußeres erklären wollen.

Die Wendung nach innen umfasst dominant Bereiche wie die Psychologie, besonders ihre selbstreflexiven Ansätze, die Philosophie, Aspekte der Kunst und der Spiritualität. Aber auch Träume, einsame Spaziergänge, Tagebucheinträge und intensive Gespräche bieten uns diese Möglichkeiten. Bei dieser Wendung nach Innen kann man vielem begegnen, von der Selbstwirksamkeit bis zur Erleuchtung. Man verliert aber auch etwas, die oben beschriebene Ohnmacht. Das sei doch kein Verlust, könnte man denken, aber die Ohnmacht hat auch ihren Reiz, sie kann sehr bequem sein.

Die Anerkennung der Wirkung des Außen, auch auf das Innen, muss dabei nicht geleugnet werden, auch wenn diese Trennung philosophisch erhebliche Probleme mit sich bringt. Die heute offene Frage ist eher, wie eine Wendung nach innen denn Äußeres verändern soll und dazu noch Antworten auf die Krisen der Welt geben kann.

Denn, wie oben schon angesprochen, Selbstwirksamkeit zu erleben, mag psychologisch wichtig sein, löst aber die realen Probleme nicht oder nur begrenzt. Das kann sein, ist aber auch erst der Anfang. Wenn es gelingt eine Intuition davon zu bekommen, wie innere und äußere Welten sich ergänzen und sind wir weiter. Wenn wir mit einem integralen oder dialektischen Bewusstsein die Komplexität der Welten erkennen und wie sie einander durchdringen, haben wir ein ganz anderes Verständnis für das Außen, die dortigen Probleme und wie man ihnen begegnen kann.

Auf einem spirituellen Weg können wir die Erfahrung der Erleuchtung machen, die zu einem völlig anderen Verständnis von Welt führt, aber auch jene Menschen dramatisch verändert die dies erlebt haben. Der Indikator dafür ist immer, ob ein besseres Leben möglich ist und gelingt und zwar nach kurzer Zeit, nicht nur wenn sich in ferner Zukunft vielleicht alle mal zur Revolution entschließen oder eine künstliche Intelligenz uns alle durchs Leben leitet. Das könnten unsere Antworten auf die Krisen der Welt sein.