ChatGPT von OpenAI

ChatGPT ist der Shooting-Star nicht nur in der Szene, sondern auch in den Medien. © Quick Spice under cc

Eine künstliche Intelligenz sorgt momentan für einigen Wirbel. Was ist davon zu halten?

Technik begleitet uns schon immer. Schon Tiere benutzen Werkzeuge und Hilfsmittel, der Mensch dann sowieso. Zum malen, kämpfen, um Musik zu machen oder an Nahrung zu gelangen. Dann gibt es immer mal wieder Sprunginnovationen, die die Welt verändern. Der Hebel, das Segelboot, die Pasteurisierung, das Auto, die Antibabypille oder das Fernsehen, um nur wenige zu nennen.

Ist ChatGPT auch eine Sprunginnovation? Zeitungen, Social Media und Internetforen überschlagen sich, viele sehen einen Durchbruch, die einen mehr die Chancen, die anderen die Gefahren. Umstritten ist die Frage, ob die KI (künstliche Intelligenz) versteht, was sie tut, also bewusst ist.

Wenn das Werkzeug die Regie übernimmt

Lange Zeit war klar, dass wir Technik benutzen, wenn es für uns zum Vorteil ist und sei es nur ein gefühlter, unmittelbarer. Technik ist also dazu da, um uns das Leben zu erleichtern. Mag der Effekt in großer Zahl auch kippen, etwa, wenn es zu viele Autos gibt, die Ressourcen verbrauchen, die Umwelt schädigen oder unsere eigene Fitness einschränken, für den Moment ist es bequem und hilfreich.

Doch im Angesicht moderner KI stellen sich ganz neue Fragen, nämlich einmal:

Löst die Technik uns ab?

Seit 110 Jahren gibt es das Fließband, eine Sprunginnovation und doch auch Sinnbild monotoner Arbeit, bei der es in den meisten Fällen gut ist, wenn wir sie nicht verrichten müssen und Roboter eine Vielzahl von Prozessen übernehmen. Ob Nähen im Akkord, Steine klopfen oder die Arbeit in diversen Bergwerken, hier ist Technik eine Erleichterung.

Einige Jobs, so dachte man, blieben aber definitiv dem Menschen vorbehalten. Journalisten, Wissenschaftler, Ärzte haben doch eine zu anspruchsvolle Tätigkeit um ersetzt zu werden. Bis neulich. Heute schon werden journalistische Texte von KI generiert und bei Wiki können wir lesen:

„Wissenschaftliche Arbeiten können hochgeladen werden, um eine Zusammenfassung generieren zu lassen. Examensprüfungen konnte GPT-4 bei Tests in den USA mit Auszeichnung erledigen. Komplizierte Steuerfragen werden beantwortet.“[1]

Auch Ärzte wissen, dass sie in Zukunft mit KI kooperieren, sei es in der Diagnostik oder im Operationssaal.

Schön wär’s, könnte man aus Sicht vieler Berufe immer noch sagen. Lagerverwaltung, Bürokratie, Pakete fahren, das muss man nicht als Traumjob empfinden. In der Krankenpflege könnte man sehr viel verschlanken und wäre noch immer überfordert.

Aber die Robotik ist noch nicht so weit, wie die KI, wie auch in Technische Utopien ausgeführt. Doch schon beim aktuellen Krieg in Europa kommt eine bunte Mischung aus uralten Waffen und intelligenten Drohnen und Systemen, die sie vom Himmel holen zum Einsatz. Aber ist es wirklich ein Fortschritt, wenn die Kriege der Zukunft von Robotern und automatisierten Waffensystemen geführt werden? Krieg bleibt irre, auch wenn er selbst für Sprunginnovationen gesorgt und die Welt sicherer gemacht hat.

Die andere Frage ist ungleich brisanter:

Sind wir am Ende diejenigen, die der Technik dienen?

Das klingt zunächst widersinnig, sagten wir doch oben, Technik sei dazu da, um uns das Leben zu erleichtern. Das tut sie in vielen Fällen auch, aber nicht immer. Manches bekommt man heute in keinem Geschäft mehr, nur noch online, bezahlen muss man es ebenfalls online, Rechnungen gibt es als Option oft schon nicht mehr. Man ist von Teilen des Lebens abgeschnitten, wenn man sich nicht anpasst. Doch die Vorteile scheinen zu überwiegen, für die meisten.

Etwa: Man spart Sprit, Zeit, nur sind die Mittel zur Zeitersparnis nie dazu benutzt worden, um wirklich Zeit zu sparen, man hat sie immer anders gefüllt und wir werden gut beschäftigt. ‚Machen Sie das ganz bequem von zu Hause aus.‘ Das machen wir auch, ob wir wollen, oder nicht. Steuererklärung, Grundsteuer, Online-Banking, Kaufentscheidungen, dafür gab es mal Sachbearbeiter, heute kümmert man sich selbst.

Wir bezahlen das mehrfach. Wir zahlen mit Lebenszeit und unseren Daten. Naja, denkt man, Privatsphäre war gestern, ist eben so. Mit Geld, denn Smartphone und Verträge sind nicht umsonst, haben Sie es mal durchgerechnet? Mit der Verengung unseres Horizonts. Personalisierte Daten sorgen zunächst dafür, dass wir exakt nach unseren Vorlieben bedient werden, was super klingt, allerdings bekommen wir auch immer weniger andere Impulse. Irgendwann sitzen wir da, einsam und gelangweilt, Probleme schon heute, vor allem unter jungen Menschen und sehen den Zusammenhang nicht. Es gehört ja auch nie zu dem, was uns interessierte.

Sie gehören zu den letzten Aufrechten, die das alles verweigern, so gut es geht? Der Zug ist weg, in Wie wir unsere Freiheit verlieren erklären wir, warum.

Dann ist da noch das Fitnessarmband, die Smart Watch. Super, für manche chronisch Kranke oder sturzgefährdete Rentner. Aber auch für smarte Erwachsene, könnte man meinen. Belohnt wird es mit Sonderkonditionen der Krankenkasse, weil man ja nachweisen kann, dass man fit und gesund ist. Das ist gut, wenn man jung ist, es ist weniger gut, wenn man hypochondrisch ist und wegen jeder Datenabweichung besorgt, aber warum macht die Krankenkasse das? Ein gutes Geschäft, weil man ja kontrolliert gesund bleibt? Nun, mit jungen Leuten haben die sowieso keine Probleme, aber nach der Schwangerschaft oder im Berufsleben oder wenn man viel zu tun hat und sich gar nicht mehr 24/7 um Fitness, Gesundheit und Body kümmern kann, vielleicht etwas Gewicht zulegt, vielleicht etwas weniger Sport macht, also in 10 Jahren, dann liegen viele Jahrzehnte vor Ihnen, in denen die vergünstigten Konditionen für Sie nicht mehr gelten, wenn Sie sich nicht sehr anstrengen.

Wer dient jetzt noch mal wem, wenn Sie die halbe Stunde Walking machen, um nicht Ihren günstigen Tarif zu verlieren und ihr smartes Fitnessarmband, Sie schon zwei mal freundlich ermahnt, nein genudged hat? Ein smartes Werkzeug, aber wer ist das smarte Werkzeug, wenn man dann doch noch mal artig auf seine KI hört?

Was macht ChatGPT so besonders?

Kurz gesagt, sein Kommunikationsverhalten. Manche sagen, es sei ‚abartig gut‘. Über die Vorgänger konnte man mitunter nur milde lächeln. Noch vor wenigen Jahren war es witzig einen beliebigen Text drei mal hin und her übersetzen zu lassen und sich das Ergebnis durchzulesen, heute klappt das gut. Alexa, Siri und so weiter sind betont dienstbare Geister – und spionieren unser Privatleben aus – aber das ist noch alles überschaubar.

Mit ChatGPT ist alles anders, die KI liefert nicht nur Diplomarbeiten oder Texte von Moderatoren in Bestzeit, man kann mit ihr auch so gut kommunizieren, wie nie zuvor, sie kann Witze erfinden und scheint uns zu verstehen. Aber versteht sie uns und versteht sie, was sie selbst tut?

Der Philosoph Robert Brandom schreibt über das Verstehen:

„Unsere Einstellungen und Handlungen zeigen einen verstehbaren Inhalt, der erfasst oder begriffen werden kann, indem er in ein Netz von Gründen eingefügt, indem er inferentiell gegliedert wird. Verstehen, in diesem ausgezeichneten Sinne ist das Begreifen von Gründen, das Beherrschen von Richtigkeiten des theoretischen und praktischen Folgerns (der Inferenz). Wenn wir uns selbst als vernünftig auszeichnen – als diejenigen, die im Raum der Gründe leben und sich bewegen und daher für uns Dinge verstehbar sein können –, dann ziehen wir zur Abgrenzung eine Fähigkeit heran, über die durchaus auch Wesen ganz anderer Herkunft und Verhaltensweise verfügen könnten.“[2]

Damit lässt er eine Tür für das Verstehen offen. Die Tendenz geht jedoch dahin, dass die meisten meinen, ChatGPT würde uns nicht verstehen, sondern nur komplexe Algorithmen abspulen. Ein schwieriges Argument, weil man es gut auf Taschenrechner, Schach- und Go-Computer anwenden kann, denen man durch die Bank nachsagt, sie würden weder das Rechnen, noch Schach oder Go verstehen. Kann sein, aber sie können all das schon seit Jahren besser, als jeder Mensch. Also, sie verstehen nicht, was sie tun – im Sinne Brandoms durchaus nachvollziehbar – aber sie können es besser, als die Besten von uns Menschen. Heikel.

Es hat auch für mich den Anschein, als seien das einfach noch immer klug zusammengesetzte Textbausteine, die auf Stichwörter reagieren, nur eben ungleich feiner und besser, als jemals zuvor. ChatGPT selbst meint, dass sie weder Bewusstsein, noch Intentionalität (Absichten) besitzt, die bange Frage vieler Menschen ist, ob das nicht sehr bald der Fall sein könnte und was das nun hieße.