Krankheit bedeutet die Abwesenheit von Gesundheit. Wer nach dieser Definition chronisch krank ist, der könnte sich im schlimmsten Fall zeitlebens keiner vollständigen Gesundheit erfreuen. Eine Erkenntnis, die schmerzt und unter Umständen hoffnungslos machen kann. Für viele Betroffene stellt sich die Frage: Warum ich? Warum bin ausgerechnet ich chronisch krank? Was habe ich falsch gemacht? Und wieso kann ich mich nicht auf meinen Körper verlassen?
Welche psychischen Belastungen auf chronisch Kranke zukommen können und wie diese bewältigt werden könnten, sind zunehmend wichtige Fragen in der psychologischen Forschung. Denn die Zahlen der von chronischen Krankheiten Betroffenen sind hoch. Schauen wir uns an, womit chronisch Kranke zu kämpfen haben und ob wirklich alle Hoffnung auf Gesundheit verloren ist.
Chronisch krank: Zahlen steigen
Mittlerweile berichten 42 % der Frauen und 35 % der Männer, von mindestens einer chronischen Erkrankung betroffen zu sein. Mit höherem Alter steigt der Anteil der Erkrankten an, was nicht unbedingt überrascht, da Lebensjahre und westlicher Lebensstil ihre Spuren hinterlassen.
Interessant ist das Studienergebnis des Robert-Koch-Instituts, dass es für Erwachsene mittleren Alters einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein einer chronischen Erkrankung und dem Bildungsstand zu geben scheint. Frauen und Männer aus höheren sozialen Schichten scheinen seltener an einer chronischen Erkrankung zu leiden. Zudem geben Frauen in südöstlichen Teilen Deutschlands eher an, chronisch krank zu sein, im Vergleich zu ihren Geschlechtsgenossinnen im Südwesten Deutschlands. Generell berichten auch Männer aus Bayern oder Baden-Württemberg seltener, unter einer chronischen Erkrankung zu leiden.
Woran liegt das? An eventuell besseren Lebensumständen? Dem Zugang zu besseren Produkten? Der individuellen Einstellung? Vielleicht eine Mischung aus allem, die weitere Forschung vonnöten macht.
Fazit ist, die Zahlen zeigen, so allein ist man gar nicht mit seinem Leiden. Mehr als ein Drittel aller Deutschen ist von mindestens einer chronischen Krankheit betroffen. Doch bevor wir uns weiter den chronischen Erkrankungen widmen, sollten wir definieren, was chronische Erkrankungen eigentlich sind?
Was sind chronische Krankheiten?
»Unter einer chronischen Erkrankung versteht man eine länger andauernde, schwer heilbare Krankheit«, so der AOK-Bundesverband. Zu den chronischen Erkrankungen zählen unter anderem Herzkrankheiten, Krebs, Diabetes, rheumatische Erkrankungen, auch Depressionen, Demenzerkrankungen, chronische Schmerzerkrankungen usw. Häufig liegen Komorbiditäten vor. So kann beispielsweise eine chronische Erkrankung oft von einer Depression begleitet sein, weil Einschränkungen, Ängste und Schmerzen die Betroffenen zermürben können.
Chronisch krank: Warum ich?
Lange Zeit konzentrierte sich die psychologische Forschung in Bezug auf chronische Erkrankungen auf die Kausalzusammenhänge der Krankheitsursachen. So suchte man zum Beispiel nach einer sogenannten »Krebspersönlichkeit«. Man suchte nach dem Choleriker, die Typ-A-Persönlichkeit, welche Herzerkrankungen und Schlaganfällen mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Opfer fallen würde.
Selbst wenn diverse Umstände des Lebenswandels zu höheren Risiken für verschiedene, vor allem zivilisationsbedingte Erkrankungen führen können, so ist doch das große Ganze wesentlich mehrschichtiger zu sehen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte intensiver klinischer Forschung zeigte sich mehr und mehr, dass die Ursachen für chronische Erkrankungen einem komplexen Zusammenspiel unterliegen. Zum einen liefern die Gene eine gewisse Bandbreite für Risiken, zum anderen die Umwelt. Aus der Interaktion beider Bereiche finden sich Einflüsse auf die Psyche, das Immunsystem, die neuronale Ebene etc. Letztgenannte bringen wiederum Einflüsse auf unsere Gesundheit mit sich. Und all diese Punkte fassen nur die groben Aspekte zusammen. Beliebig lassen sie sich in eine Vielzahl von Unterpunkten gliedern, die zudem noch Wechselwirkungen untereinander unterliegen – und ebenfalls beeinflussend für uns sind.
Keine hundertprozentige Erklärung für das Warum
Allen chronisch Kranken sei folglich gesagt: Es gibt keine Garantie, körperlich unversehrt zu bleiben. Nachvollziehbar ist natürlich, verstehen zu wollen, warum. Denn der innewohnende Wunsch, gesund zu bleiben, treibt uns alle an. Seit jeher sucht die Menschheit nach den Ursachen für Erkrankungen und den Bedingungen für Gesundheit, um ihrer Angst vor Krankheit oder dem Tod Herr zu werden. Doch so einfach ist es eben nicht.
Nach dem jetzigen Stand der Forschung gibt es keine hundertprozentige Erklärung, warum jemand chronisch krank ist. Punkt. Auch die Kontrolle über eine Erkrankung durch den Lebenswandel ist nur begrenzt möglich.
Eine befreiende Annahme, wenn man der Krankheit ein gewisses Selbstverständnis überlässt und für sich selbst nicht auch noch eine Debatte von Schuld und Verantwortung für die individuelle Situation führen muss.
Kann ich also gar nichts tun?
Doch. Als von einer chronischen Erkrankung Betroffener ist man nicht machtlos. Nicht hilflos der Erkrankung ausgeliefert. Es gibt so einiges, was man tun kann. Allem voran gilt es, die Einstellung zur Erkrankung zu korrigieren.
Zuvorderst steht, die Krankheit für sich anzunehmen. Aus der klinischen Forschung weiß man, dass die Patientengruppe, welche die Krankheit für sich akzeptiert und dieser mit Kampfgeist entgegentritt, besonders günstige Prognosen und Krankheitsverläufe hat.
Darüber hinaus mag man vielleicht nicht alle Ursachen der Erkrankung sowie die Erkrankung selbst beheben können, aber man kann seinen Organismus stärken, um der Krankheit und den besonderen Umständen etwas entgegenzusetzen. Dank Wissenschaft und der Erfahrung anderer Betroffener hat man einige Ansätze zur Verfügung, denen man folgen kann. Die für einen passenden Möglichkeiten herauszufiltern, ist das, worauf sich Betroffene fokussieren sollten. Keine Schuldzuweisungen. Kein Klagen. Keine Selbstvorwürfe.
Stattdessen sollte das Ziel für chronisch Kranke sein, eine bessere seelische Balance, mehr körperliches Wohlbefinden, größeres Selbstbewusstsein sowie eine Optimierung der Lebensumstände zu erreichen. Seriöse Informationsangebote im Internet gibt es zu genüge. Der Austausch mit anderen Betroffenen ist ebenfalls möglich. Auch Ärzte und medizinische Beratungen stehen hilfreich zur Seite. Für die chronisch Kranken gilt es, sich mehr als Akteur denn als Opfer zu erleben.
Warum die Krankheit nicht als Motivationsschub nutzen, um seinem Ideal-Selbst näher zu kommen? Warum nicht endlich Dinge ändern, die man sowieso ändern wollte? So schwer es auch fallen mag, vielleicht gelingt es, den Fokus auf die Erkrankung neu auszurichten und diese nicht nur als Last sondern eben auch als Chance zu begreifen.
Darüber hinaus gilt es zu formulieren, mit welchen Beschwerlichkeiten chronisch Kranke im Einzelnen zu kämpfen haben. Bei welchen Gedanken, Sorgen, Ängsten ist konkret anzusetzen, um langfristig eine Verbesserung anstreben zu können? Damit befasst sich der nächste Artikel unserer Serie zu chronischen Krankheiten.