Nachdem wir im ersten Artikelteil aufgemacht haben, in welche Bereiche im Leben man investieren müsste, um wieder glücklich sein zu können, wollen wir im zweiten Teil auf die Gedankenebene wechseln. Wie sollten die Gedanken, Emotionen und Bewertungen gewichtet und ausbalanciert sein, um wieder glücklich zu sein?

Wieder glücklich sein: eine Frage der Integrität

An meinem herannahenden Geburtstag waren die zeitlichen Umstände mit der Familie und den Freunden ungünstig gelegen, sodass ich einen großen Teil der Zeit würde allein verbringen müssen. Das wusste ich schon einige Tage im Voraus und ich dachte, es wäre mir egal. Wie sich zeigte, ging die Aussicht auf diesen trostlosen Geburtstag nicht spurlos an mir vorbei. Ich würde vierundvierzig Jahre alt werden und ich sollte diesen Tag, einen Donnerstag, weitestgehend für mich sein. Es ist nicht so, dass ich nicht hätte irgendwelche Verabredungen treffen können, doch irgendwie wollte ich es nicht. Sprich: Ich wollte jammern, dass ich alleine sein würde, aber nichts dagegen unternehmen.

Mein Sohn hatte an diesem Tag einen Schulausflug, sodass ich ihn erst gegen Abend von der Schule würde abholen können. Es war werktags und alle Welt arbeitete. Warum glaubte ich also, der Fokus meiner Familie und Freunde sollte auf mir und meinem Geburtstag liegen? Ich war mir sicher, bis auf meine Eltern würde absolut niemand an meinen Geburtstag denken. Ich würde arbeiten und der vierundvierzigste Geburtstag würde bei mir ohne ein größeres Miteinander vonstatten gehen. Bereits Tage zuvor fürchtete ich diesen Donnerstag. Um ehrlich zu sein: Ich war vollständig in der Opferrolle verankert (niemand mag mich etc.). Bereits im Vorfeld tat ich mir leid.

Raus aus der Opferrolle!

Kuchen mit Kerzen und Happy Birthday-Buchstaben

Geburtstage lassen sich auf viele verschiedene Arten verbringen. © Pfr4dd under cc

Bis ich mit einer sehr guten Freundin telefonierte. Wir sprachen über unsere Gedanken, die Aufarbeitung vergangener Prägungen, alltägliche Probleme, die Psychologie im Allgemeinen, bestärkende Erlebnisse, die wir hatten, genauso wie über positive soziale Kontakte. Allein dieses Telefonat reichte aus, dass ich meinem herannahenden Geburtstagsdesaster mit einem völlig neuen Blick begegnete. Zu recht, wie sich an dem besagten Donnerstag zeigte:

  • Ich telefonierte an meinem Geburtstag mit meinen Freunden und meiner Familie. Wir brachten uns gegenseitig in unseren jeweiligen Leben auf den neuesten Stand und versprachen uns zeitnahe Treffen. Mir wurde bewusst, wie viele Menschen um mich herum mich lieben und wertschätzen, auch wenn jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat.
  • Meine berenteten Eltern boten mir an, zu ihnen zu kommen, um gemeinsam zu feiern. Doch ich entschied mich dafür, den ursprünglichen Termin der Feier beizubehalten. Stattdessen arbeitete ich an meinem Buch, weil ich es liebe, zu schreiben. Deshalb bin ich dankbar dafür, einen solchen Job ausüben zu dürfen – und auch dankbar für solche Eltern, die immer für mich da sind!
  • Abends ging ich mit meinem Sohn einen riesigen Eisbecher essen. Ich bin dankbar für dieses tolle Kind, das zu einem selbstreflektierten, humorvollen und zufriedenen Menschen heranwächst.

Dankbar!

Sich der Macht des Umdenkens bewusst werden

Ja, ich war an diesem Tag physisch gesehen viel allein. An den äußeren Umständen hatte sich nichts geändert. Aber meine Bewertung des Sachverhalts war eine andere. Ich habe im Denken und Handeln meine Integrität gewahrt und mir meine Souveränität und Eigenverantwortung als eigenständiger Mensch nicht aberkannt.
Dieser vierundvierzigste Geburtstag war auf den Punkt gebracht, er war absolut ehrlich und authentisch. Und er ließ mich hautnah spüren, wie sehr man manchmal ungeachtet des psychologischen Fachwissens unbemerkt in den negativen Fehlprägungen und dysfunktionalen Gedankenstrukturen aus der Vergangenheit festhängen kann und dass eben alles eine Frage der Bewertung ist.

Statt in einem selbstgerechten Groll und Selbstmitleid zu verfallen – beides lässt den Blick auf die Welt sehr klein werden –, gab ich meine Selbstzentrierung auf und weitete meinen Blick.

In Dankbarkeit den Fokus auf positive Dinge

grüne Wiese und bewölkter Himmel

Den Blick weiten, um nicht selbstzentriert zu bleiben. © XoMEoX under cc

Wie psychologische Studien untermauern, bestimmt die Färbung unserer Gedanken unsere Gefühlswelt und unsere Bewertung des Alltags größtenteils mit. Wer seinen Fokus im Denken mehr auf die Dankbarkeit und das Positive legt, also auf das, was er hat und was gut ist im Leben, der wird automatisch zufriedener und damit glücklicher sein. Mithilfe einer simplen Übung lässt sich die Steuerung der Gedanken hin zu einer stärkeren positiven Gewichtung erreichen. Eine Dankbarkeitsliste, die man beispielsweise am Abend schreibt, zeigt uns die Erfolge und Annehmlichkeiten des Tages auf. Viele Psychologen sind Verfechter von dieser einfachen, aber sehr wirkungsvollen Intervention.

Fragen, die du dir beim Schreiben deiner Dankbarkeitsliste stellen könntest, sind zum Beispiel:

  • Was ist mir heute an Gutem widerfahren?
  • Was habe ich für mich und meine Familie an positiven Erkenntnissen und Erlebnissen erreicht?
  • Wofür bin ich dankbar in meinem Leben?
  • Was gefällt mir an mir und meinem Leben?

Die Positive Psychologie betont die Stärken eines Menschen, nicht seine Schwächen. Je wertschätzender du dir begegnest, desto zufriedener wirst du im Alltag sein. Es ist letztendlich eine Frage der Bewertung.

Wieder glücklich sein mithilfe der Glücksformel

Schauen wir uns nachfolgend genauer an, welche Komponenten im Denken der Havard-Professor, Sozialwissenschaftler und Bestseller-Autor Arthur Brooks zum Erreichen des Glücklichseins zählt. An welchen Facetten des Glücks lässt sich gedanklich arbeiten, damit man wieder glücklich sein kann? Hier sind die Terme der Glücksformel, die es gemäß Arthur Brooks Seminar an der Harvard-Universität, „Managing Happiness“, zu betonen gilt:

Glücklichsein = Freude + Zufriedenheit + Bedeutung

1. Freude

Freude wird oft mit Vergnügen gleichgesetzt, sie ist aber nicht dasselbe. Denn die Freude meint vielmehr das Vergnügen plus Wissen.

Freude = Vergnügen + Wissen

In seinem Seminar beschreibt Prof. Arthur Brooks den Unterschied so: Wenn ich zum Beispiel gemeinsam mit Freunden einen Wein trinke, bereitet es mir Vergnügen. Doch bin ich mir aufgrund einigen Hintergrundwissens, welches ich mir zu der Qualität von Weinen angeeignet habe, darüber bewusst, dass es ein guter Wein ist, werde ich Freude an diesem Wein haben.
Die Freude besteht also nicht nur in der bloßen Handlung an sich, nicht nur in dem bloßen Vergnügen, sondern sie ist gepaart mit dem Wissen.

2. Zufriedenheit

Mensch mit Rucksack auf langem Steg am Meer

Wieder glücklich sein: Mit wenig Gepäck viel erleben. © Giuseppe Milo under cc

Bei der Zufriedenheit geht es nicht darum, zu schauen, was man besitzt. Im Gegenteil. Denn so einige Personen besitzen jede Menge im Leben und sind dennoch nicht glücklich. Andere wiederum besitzen kaum etwas, sind aber dennoch zufrieden. Gemäß Prof. Brooks lautet dieser Term der Glücksformel so:

Zufriedenheit = was du hast : was du willst

Zufriedenheit ist sozusagen das Verhältnis, von dem, was du hast, zu dem, was du willst. Sprich: Wer viel hat und trotzdem mehr will, wird nicht zufrieden sein. Wenn du eine Balance bei der Zufriedenheit finden möchtest, solltest du nicht, das, was du hast, maximieren wollen. Stattdessen solltest du, das, was du möchtest, reduzieren. Im Sinne des Minimalismus heißt das folglich: Schraube deine Erwartungen und Ansprüche herunter und schaue auf das Elementare.

Anders ausgedrückt: Zufriedenheit kommt also nicht davon, dass du alles bekommst und hast, was du willst. Sondern sie besteht darin, dass du das willst, was du hast.

In Dankbarkeit, Demut und Minimalismus zu leben, sich aber trotzdem Ziele für die individuelle Weiterentwicklung zu setzen, so lautet die Devise.

3. Bedeutung

Die Bedeutung bezieht sich auf den Wert der einzelnen Aspekte für dein Leben. Welchen Dingen, Ansichten, Bereichen misst du eine Bedeutung bei?

Bis heute ist es allgemein gültig:

No pain, no gain.

Gemäß Arthur Brooks sowie anderen Vertretern der Psychologie lassen sich ohne Schmerzen oder Anstrengungen kein Wachstum oder Zugewinn im Leben erreichen. Meistens jedenfalls nicht. Man benötigt Challenges, die es anzunehmen gilt und denen man sich stellen muss. Für gewöhnlich geht es den meisten Menschen so: Wer einen schwierigen Weg hinter sich hat, der weiß die Bedeutung für sein Leben in der Regel zu schätzen.

Der innere Schweinehund protestiert

Natürlich tendiert unser innerer Schweinehund dazu, Anstrengungen zu vermeiden. Doch was ist die Folge davon? Prokrastination ist die Konsequenz, möchte man Anstrengung vermeiden. Denn Anstrengung wird mit Unglücklichsein verbunden. Jeder von uns würde wohl lieber einen Eisbecher essen gehen, anstatt für eine Prüfung zu lernen. Doch eines sollte man sich bewusst machen: Es kostet auch eine emotionale und geistige Anstrengung, wenn man immerzu beim Eisessen ausblenden muss, dass man ja eigentlich eher lernen sollte.

Wir, Menschen, tendieren in Anbetracht der bevorstehenden Anstrengung dazu, zu glauben, dass wir erst wieder glücklich sein können, wenn wir wieder Ruhe haben, wenn die anstrengende Phase vorbei ist. Doch eigentlich ist es viel eher so: Wir brauchen die Anstrengung, um den Aspekt der Bedeutung fürs Leben zu betonen. Fazit: Selbst wenn wir also zunächst unglücklich aufseufzen oder herumjammern, weil wir uns anstrengen müssen, brauchen wir in gewisser Weise das kurze impulshafte Unglücklichsein (aus der Unlust heraus, sich der Aufgabe zu stellen), um mittelfristig glücklich zu sein. Wer etwas schafft/kreiert/leistet/erreicht, der hat das Gefühl von Bedeutsamkeit/Belohnung und Weiterentwicklung. Und so lässt sich wieder glücklich sein.