Auch alternative Heilmethoden können manchmal wunderbar wirken. © Riley Kaminer under cc

Der Sinn und Unsinn von Psychotherapien zu reden, heißt in ebenso großen Maße, über Sinn und Unsinn der Rede über Psychotherapien zu reden.

Metapsychochologie heißt die Rede über Psychologie, ihre Theorien oder Konzepte. Die evidenzbasierte Medizin versucht hingegen, die Wirksamkeit dieses oder jenes Verfahrens über neue Studien oder die neue Sichtung alter Studien und Metastudien zu erfassen. Das klingt sehr wissenschaftlich, danach, dass man endlich mal den Dingen auf den Grund geht und nun endgültig klärt, was funktioniert und was nicht.

Wenn es doch so einfach wäre. Einerseits ist der Anspruch, die guten und schlechten Werkzeuge, Theorien und Ansätze von einander zu trennen lobenswert. Auf der anderen Seite jedoch auch naiv, weil er suggeriert, man könne einfach von jedem Standpunkt abstrahieren und eine objektive Warte einnehmen. Dieser ‚Blick von Nirgendwo‘ (view from nowhere) ist aber nichts was wir überhaupt einnehmen können, auch wenn wir noch so sehr dran glauben wollen und daher selbst schon eine ideologische Position.

Schon bei relativ simplen Dingen ist das klar ersichtlich. Was ist das beste Werkzeug? Kommt drauf an, was man machen will. Eleganter formuliert: Das ist kontextabhängig. Wenn man eine Zange braucht, ist die schönste Säge nichts wert, mal braucht man das filigrane Präzisionswerkzeug, mal muss es eben der Bohrhammer sein. Die Psyche ist ungleich komplexer. Auch hier kommt es auf Kontexte an.

Die Methode

Wie bei der Frage nach der Zange, geht es auch in der Psychotherapie darum, was man eigentlich erreichen will. Es mag Idealbilder eines autonomen Ichs geben: Frei von Neurosen, sozial- und beziehungskompetent und es ist gut so ein Bild oder Ziel zu haben, nur sind die Patienten von diesem unterschiedlich weit entfernt und manchmal will man nur eine Phobie loswerden. Ein anderes mal gilt es daran zu arbeiten, dass ein Mensch nicht wieder straffällig wird oder im bescheidensten, aber dennoch ungeheuer wichtigen Umfang seinen Alltag selbst organisiert bekommt.

Jenseits der Ideale sind es pragmatische Ziele, die eine Therapie leiten müssen. Vor allem darüber, was der Patient eigentlich will. Da wird dann unendlich viel über die Methode diskutiert, in der Praxis hat jemand, der sich überhaupt entschließt, sich helfen zu lassen – eine der größten Hürden – dann gar nicht so oft die Wahl und wird in der Überzahl der Fälle froh sein überhaupt einen Therapeuten oder eine Therapeutin zu finden, kritische Nachfragen bezüglich der Methode fallen oft weg.

Man wird fast durch die Bank mit der kognitiven Verhaltenstherapie behandelt werden, die einfach den Vorteil hat, schnell und billig zu sein. Vor einigen Jahrzehnten galt sie als superwissenschaftlich, im Gegensatz zu anderen Verfahren, die man kritischer sah und für wirkungslos befand, doch inzwischen hat der Wind gedreht, die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Methode unter weiteren und längst sind in die Elementen tiefenpsychologischer Verfahren eingeflossen. Psychoanalyse, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die Verhaltenstherapie und die systemische Therapie die offiziell zur Auswahl stehen und auch hier gehen die Verfahren in einander über, wenn etwa Psychoedukation, also die Aufklärung über die Funktionsweise der Psyche zur Therapie wird.

Wirksam sind allerdings auch andere Verfahren, mal haben die Belege eher anekdotischen Charakter (aber wenn ein Verfahren nicht getestet wurde, kann man ihm das nicht zum Vorwurf machen), mal scheint die Wirksamkeit belegt, wie für EMDR, bei Traumatisierungen. Doch es kristallisieren sich auch Zuordnungen heraus, von bestimmten Problemen zu bestimmten Verfahren. Depressionen reagieren gut auf alle möglichen Interventionen – was kein Nachteil ist – Zwänge und Psychosen sind da anders. Bei Angststörungen, die am häufigsten sind, ist das Bild variabel, spezifische Phobien reagieren anders, als Panikstörungen.[1]

Wichtig ist, wie der Patient sich fühlt, denn um ihn geht es ja schließlich. Dass der Wissenschaft das nicht immer genügt, kann dem Patienten aber egal sein. Es ist schwierig zu sagen, wo hier eine Grenze zu ziehen ist, denn nicht jeder, der sich besser fühlt, ist auch besser dran. Ein offenes Ohr und Verständnis sind einfache Methoden, durch die sich jemand erst mal angenommen fühlt, es ist fraglich, ob sie in allen Fällen ausreichen. Empathie ist die Basis jeder Therapie, ob sie allein jedoch ausreicht, steht auf einem anderen Blatt. Anstrengend wird in auf jeden Fall dann und dort, wo der Therapeut nicht mehr allein auf den guten Kumpel reduziert werden kann, der zustimmend nickt und für alles Verständnis hat.

Der Therapeut oder die Therapeutin

Denn der nächste Baustein, der über Sinn und Unsinn von Psychotherapien entscheidet, ist der Therapeut oder die Therapeutin. Schon die Geschlechterfrage kann ein wichtiger Punkt sein und man muss in sich hinein hören oder in Probesitzungen und Erstgesprächen schauen, mit wem man besser kann.

Die Beziehung zum Therapeuten ist ein wesentliches Element, denn man kommt heute immer mehr zu der Auffassung, dass sehr viele psychische Probleme im Kern Beziehungsstörungen sind. Das heißt nicht, dass sie aus gegenwärtigen Beziehungen und ihren Problemen resultieren, sondern, dass es die Qualität früherer Beziehungen zu wichtigen Menschen ist, die wiederum die Qualität heutiger Beziehungen dominant beeinflusst. Insofern ist man bei der Beziehung zum Therapeuten gleich am Ort des Geschehens, denn hier werden die Konflikte, die man mit anderen oder mit bestimmten Situationen des Lebens hat, wiederholt und damit sichtbar.

Das wird eine sehr enge Beziehung, der Therapeut oder die Therapeutin wird zu einem wichtigen Menschen im Leben, daher sollte man auf beiden Seiten schauen, wie man klar kommt. Als Patient hat man keine große Erfahrung, darum ist es gut, seinem Bauchgefühl zu vertrauen. Es ist weniger die Sympathie, die zählt, denn die Basis einer Therapie ist nicht Freundschaft, sondern Vertrauen. Was Therapeuten zu wirklich anderen Menschen macht, ist, dass sie sich nicht umdrehen und gehen, wenn man sich so zeigt, wie man ist. Das ist eine der großen heimlichen Ängste vieler Menschen, dass sie verstoßen würden, wenn sie offen zeigten, wer und wie sie sind.

Psychotherapeuten bleiben und deuten. Das so offen und authentisch, wie es geht, in dem Rahmen, wie sie er gelernt haben, aber sie halten den anderen Menschen aus. Therapeuten können viel richtig und viel falsch machen. Bei einer Studie fiel ein Therapeut auf, der es ’schaffte‘, dass tatsächliche alle seine Patienten sich nach der Therapie schlechter fühlten als vorher. Ein Baum im Wald hätte vermutlich bessere Resultate erzielt.[2]

Auf der anderen Seite gibt es, wie Ulrich Schnabel in seinem sehr lesenswerten Buch „Die Vermessung des Glaubens“ schreibt, einen geringen Prozentsatz sogenannter Superheiler, bei denen der Erfolg nahezu immer garantiert ist. Allen ist klar, dass es Menschen gibt, die ein sagenhaftes Talent und oft einen sehr intuitiven Zugang zur Therapie haben. Das Problem an intuitiven Zugängen ist, dass sie eben genau das sind, intuitiv. Man kann sie nicht lehren. Genau zu untersuchen und aufzeigen zu können, was es denn ist, was nun hilft, ist daher auch nicht immer ein Nachteil. Bei Therapeuten hat man es gemacht und oft sind die Ergebnisse anders als erwartet. Überlegen Sie mal selbst, was Sie von einem guten Arzt oder Psychotherapeuten erwarten würden.

Mit den Superheilern sind in der Regel Ärzte gemeint, aber eben auch solche, bei denen der Bonus ihre Art der Behandlung ist, auch wenn sie nur Pfefferminz Bonbons verteilen würden. Manchmal sind sie vielleicht einfühlsam und sanft, aber Schnabel schreibt in seinem Buch über den Placeboforscher Ted Kaptchuk zu Wort:

„Als er den Einfluss des Arztverhaltens auf die Wirkung von Scheinbehandlungen untersuchte, bestätigte er zunächst den bekannten Befund: Je ausführlicher sich die Ärzte mit dem Patienten befassten, indem sie etwa länger mit ihnen redeten, verständnisvoll nickten oder sie freundlich am Arm fassten, umso besser war die Placebowirkung. Allerdings gab es da auch die „Superheiler“. Diese Ärzte erzielten selbst dann, wenn sie ihre Patienten schnell und wortkarg abfertigten, mehr Wirkung als ihre Kollegen, die alle Register zogen. „Worin die Qualität dieser ‚Superheiler‘ liegt, wissen wir leider nicht“, räumt Kaptchuk ein. Nicht einmal Videoanalysen förderten deren Geheimnis zutage, und auch die Ärzte selbst vermochten nicht genau zu sagen, worauf ihre heilsame Wirkung zurückzuführen wäre.“[3]

Auch bei Wunderheilern aus dem nicht ärztlichen Spektrum ist es eher so, dass die meisten, die etwas können nicht genau wissen, warum. Es geht halt. Auch bei Psychotherapeuten ist es nicht unbedingt das lange geduldige Zuhören und die freundliche Zugewandtheit oder stechende Blick, sondern bei einer Analyse, was gute Therapeuten auszeichnet war das Hauptelement die Schnelligkeit (in dem Fall, im Rahmen einer deutenden Therapie). Vielleicht wird die Schnelligkeit einer Deutung ja mit Sicherheit assoziiert, aber so genau ist das alles nicht zu fassen.

Denn auch Schnelligkeit ist nicht alles. Edith Jacobson, eine bedeutende Psychoanalytikerin hat sogar erfolgreiche psychotische Patienten behandelt, sie muss allerdings mit einer fast übermenschlichen Geduld und Toleranz gegenüber therapeutischen Rückschritten ausgestattet gewesen sein, die man nicht als therapeutischen Normalfall voraussetzen darf.

Der bekannte Psychotherapeut und begabte Autor Irvin D. Yalom hat mit Der Panama-Hut oder Was einen guten Therapeuten ausmacht, ein ganzes Buch über das Thema verfasst, das ebenfalls zu empfehlen ist und weitere Facetten des Gesamtbildes anbietet.

Vielleicht ist es auch gar nicht so sehr der Therapeut selbst, sondern der Ruhm, der ihm voraus eilt. Wobei man sagen muss, dass man sich den Ruhm in der Regel auch erarbeitet hat. Dennoch, bekannt ist, dass es einen Unterschied macht, ob die Praktikantin einem Patienten ein Medikament gibt, oder ob es Herr Professor persönlich ist, der es verabreicht. In der Psychotherapie ist das auch zu erwarten.

Die Bereitschaft sich helfen zu lassen

Den Heiler als Autorität zu sehen und anzuerkennen, heißt ja auch ein Stück weit, sich auf ein erst mal asymmetrisches Spiel einzulassen. Eines, das von der Bereitschaft lebt, sich grundsätzlich helfen zu lassen, was sich gerade bei der Psychotherapie ja schon darin zeigt, überhaupt eine zu machen. Das ist noch immer mit Hürden verbunden, in bestimmten Kreisen umso mehr. Im Puff kann man sich als (männliche) Führungskraft erwischen lassen, aber nicht beim Psychotherapeuten, las ich neulich als Überschrift. 2020, in Deutschland.

Der Placebobonus des Arztes, Heilers oder Psychotherapeuten ist jedoch gut, zeigt er doch an, dass man bereit ist, sich helfen zu lassen. Damit ist eine Weiche gestellt, es folgen jedoch weitere. Denn nun werden ja die Fragen relevant, die wir oben schon angerissen haben: Welches Verfahren, Therapeut oder Therapeutin und wie kommen wir klar? Verständlich, nun werden solche Fragen relevant.

Vielleicht recherchiert man nun nach den besten Verfahren, je nach Charakter. Der endet ja nicht, wenn man sich entschließt, sich helfen zu lassen, doch Sinn und Unsinn von Psychotherapien setzen sich hier gerne fort. Da findet sich das ganze Spektrum der Einstellungen, von: ‚Die beste Therapie, das exquisiteste Verfahren ist gerade gut genug für mich. Irgend so eine 08/15 Methode kommt für mich nicht in Frage.‘, zum Gegenpol, etwa: ‚Ich habe es eigentlich gar nicht verdient, dass sich jemand so viel Mühe für mich macht. Außerdem gibt es bestimmt jemanden, der die Therapie dringender braucht, als ich und dem will den auf keinen Fall den Platz wegnehmen.‘

Die meisten Menschen werden sich aber irgendwo in der Mitte bewegen und einfach pragmatisch vorgehen, ohne groß zu wissen, worauf sie sich einlassen. Entscheidend sind da eher die Punkte: Wer ist in erreichbarer Nähe und wer hat überhaupt einen Termin frei? Denn das ist eine weitere Hürde: Hat man man sich dann mal entschlossen, gibt es in vielen Fällen quälend lange Wartezeiten. Die Frage was ein ‚psychologischer Psychotherapeut‘ eigentlich tut, wird da schon nicht mehr gestellt.

Fast immer wird man auf die eine oder andere Art von der Therapie profitieren, was schon daran liegt, dass man die innere Bereitschaft dazu mitbringt und therapeutische Supernieten sind ebenso selten wie Superheiler. Im Erstgespräch schaut man einfach von beiden Seiten, ob es passt und wenn man Zweifel hat, macht man lieber noch ein anderes Erstgespräch, wenn man an allem zweifelt, nimmt man den oder die, wo man die wenigsten Zweifel findet, sonst steht man sich selbst im Weg.

Die Bereitschaft sich helfen zu lassen ist für die Frage nach Sinn und Unsinn von Psychotherapien aber auch insofern entscheidend, als man an die Therapie glauben muss. Glauben heißt hier aber nicht, sich selbst etwas einzureden, was man eigentlich absurd findet, sondern Glauben heißt, zu dem zu stehen oder noch öfter, das zu finden, von dem man wirklich überzeugt ist. ‚Leichtgläubigkeit‘ ist hier vielleicht gar nicht schlecht, könnte man sie doch auch in einen ‚hohen Vertrauensvorschuss‘ übersetzen und solchen Menschen ist sicher bei Problemen besser zu helfen, als denn Vertretern der paranoiden Gruppe.

Letztlich ein Gleichgewichtssystem zu dem die bisher genannten Elemente gehören: Bin ich bereit mir helfen zu lassen? Kann ich mit dem Therapeuten oder der Therapeutin? Halte ich das Verfahren für vertrauenswürdig?