Eine narzisstische Beziehung ist von einem Ungleichgewicht geprägt. Die starke Anspruchshaltung von Menschen mit narzisstischen Charakterzügen in Zusammenhang mit der Überidealisierung des eigenen Selbst geht zu Lasten ihrer PartnerInnen, die in der Beziehung oft dazu geneigt sind, sich zurückzunehmen und die Abwertungen ihres Gegenübers zu ertragen. Doch wie sehen sich narzisstische Menschen eigentlich selbst in ihrer Rolle in einer Beziehung? Wie empfinden sie die Bedürfnisse ihrer PartnerInnen, die an sie herangetragen werden? Bemerken sie diese vielleicht gar nicht, weil sie derart auf sich konzentriert sind?
Zunächst zeigen wir erst einmal auf, wodurch eine narzisstische Beziehung gekennzeichnet sein kann.
Narzisstische Beziehung: Bewunderung und Rivalität
Laut einer Studie des Professors für Persönlichkeitspsychologie Prof. Dr. Mitja Back von der Universität Münster und seinen KollegInnen sind Bewunderung und Rivalität zwei Dimensionen von Narzissmus. Beide Dimensionen stehen in einem Bezug zu anderen Personen, da sowohl Bewunderung als auch Rivalität vorrangig durch eine vergleichende Spiegelung an anderen möglich ist.
Narzissmus: Bedürfnis nach Bewunderung
Zum einen geht es Menschen mit narzisstischen Charakterzügen um die Unterstützung des eigenen Selbst, beispielsweise durch selbstüberhöhende Fantasien, aber auch durch ein Streben nach Einzigartigkeit. Ihr erhöhtes Bedürfnis nach Bewunderung kann unter anderem mit mehr Selbstbewusstsein, einer gehobenen Stimmung, extravertiertem, also geselligem und aufgeschlossenem, Auftreten und einer höheren Beliebtheit beim Kennenlernen verbunden sein. Das allseits bekannte Love-Bombing dient also in gewisser Hinsicht ihrem Bedürfnis nach Bewunderung. In diesem Bedürfnis liegt gleichermaßen auch Potenzial für Sozialität, Anschlussfähigkeit und sozialen Erfolg.
Narzissmus: Rivalität zum Selbstschutz
Zum anderen geht es narzisstischen Personen ebenso auch um den Schutz des eigenen Selbst, damit verbunden um die Verteidigung des Selbst und die Vermeidung von sozialer Entwertung. Insbesondere bei fehlender Anerkennung oder Kritik können vergleichsweise schnell Motive der Rivalität zutage treten. Rivalität kann zu Vorherrschaftsansprüchen führen, ebenfalls zu Abwertungen des Gegenübers und leider auch zu aggressivem Verhalten. In der Rivalität liegt das Potenzial für soziale Konflikte.
Narzisstische Beziehung trägt beides in sich
Beide Dimensionen wirken sich auf Partnerschaften aus. Einerseits sind narzisstische Personen faszinierend, schillernd, anziehend und charmant. Andererseits sind ihnen im Grunde die Bedürfnisse anderer Personen nicht wichtig. Narzisstische Charaktere überschätzen ihren Anteil an gemeinsamen Leistungen und Projekten. Ihr Verhalten zeichnet sich durch eine hintergründige oder offenbarte Überheblichkeit aus und sie provozieren direkt oder indirekt Konflikte.
Eine narzisstische Beziehung ist also häufig von den Motiven der Bewunderung und Rivalität geprägt. Doch wie sehen Menschen mit narzisstischen Zügen sich selbst als PartnerInnen in einer solchen Beziehung?
In allem, was den Eigensüchtigen umgibt, sieht er nur einen großen Rahmen, dessen Bild er selbst zu sein glaubt.
Jean Antoine Petit-Senn, Schweizer Schriftsteller, 1792-1870
Wie erleben Narzissten sich in Beziehungen?
In ihrer Übersichtsarbeit zu narzisstischen Persönlichkeitsstörungen und Suizidalität bringen der Psychiater PD Dr. med. Gerhard Dammann und die Psychologin und Psychotherapeutin Prof. Dr. phil. Benigna Gerisch einen interessanten Sachverhalt mit ein. Sie zeigen auf, wie Menschen mit einer starken narzisstischen Charakterausprägung beziehungsweise mit einer Narzissmus-Ausprägung im klinisch relevanten Bereich ihre Beziehungen zu anderen Menschen erleben.
Beziehungspartner in Selbstständigkeit nicht wahrgenommen
In der Übersichtsarbeit wird deutlich, dass PartnerInnen, FreundInnen oder Familienangehörige von stark narzisstischen Menschen nicht in ihrer Selbstständigkeit wahrgenommen werden beziehungsweise deren Selbstständigkeit mitunter sogar als nicht verstehbar und lästig empfunden wird. Die andere Person dient im Grunde genommen der eigenen narzisstischen Selbstwertregulation.
Narzisstische Beziehung: Ich bin gut, der andere schlecht
In Beziehungen, so wird von Dammann und Gerisch resümiert, sind stark narzisstische Menschen leicht verletzlich. Sich selbst erleben die Betroffenen so, dass sie auf der Suche nach Liebe, Unterstützung und Anerkennung seien. Demgegenüber scheinen sie PartnerInnen oder andere Menschen, mit denen sie in einer sozialen Beziehung stehen, schnell als kritisierend, kontrollierend und einengend wahrzunehmen. Negative Erfahrungen werden oft ins Außen projiziert. Sie werden verleugnet oder gar abgespalten.
Inwieweit kann eine solche Einstellung entkräftet werden? Können PartnerInnen von narzisstischen Personen ihr Gegenüber vom Gegenteil überzeugen?
Narzissmus ist Ich-synton
PartnerInnen, die glauben, einen narzisstischen Menschen mit ihrer Liebe heilen zu können, sollten verinnerlichen, dass Narzissmus aus psychologischer Sicht als Ich-synton gilt. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass die betreffende Person ihre problematischen Gedanken-, Kommunikations- und Verhaltensmuster nicht als eine Störung oder Krankheit empfindet, wie es demgegenüber zum Beispiel bei einer Angsterkrankung der Fall wäre. Stattdessen empfindet eine narzisstische Person ihre Muster als Teil ihrer Persönlichkeit und sieht sie als selbstverständlich an. Selbst wenn die Betroffenen sehr häufig anecken oder ihr Leben gar aufgrund ihres Konfliktpotenzials von einem geringen sozialen Erfolg geprägt ist, bemerken sie nicht, dass es an ihnen liegen könnte. Vielmehr sehen sie die Fehler und Probleme eher bei den anderen. An den Menschen in ihrem Umfeld liegt es, aus ihrer Sicht, dass es ständig zu Konflikten kommt. Die anderen sind die, die „falsch“ sind. Narzisstische Personen selbst empfinden sich aber als richtig.
Jeder Mensch hat unterschiedliche Werkzeuge fürs Leben
Die individuelle Wahrnehmung und Bewertung von zum Beispiel Streitsituationen, die bei zwei Beteiligten in ein und derselben Situation sich stark voneinander unterscheiden kann, ist darauf zurückzuführen, dass jeder Mensch nur bestimmte Werkzeuge zum Umgang mit seelischen Herausforderungen in seinem Werkzeugkasten des Lebens mit sich führt. Mit diesen Werkzeugen, die er seit der Kindheit gelernt hat und die ihm zur Verfügung stehen, versucht er, Probleme und Gefühlslagen zu bewältigen. Seine Kompensationsmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien sind nur im Rahmen der vorhandenen Werkzeuge möglich. Entsprechend dieser Werkzeuge schätzt eine Person andere Menschen ein und geht entsprechend mit ihnen um. Solange die Werkzeuge für die betreffende Person funktionieren, wird sie keinen Bedarf zu einer Änderung sehen. Bei einer mangelnden Reflexionsfähigkeit in Bezug auf die eigene Person umso weniger.
Der Werkzeugkasten bei narzisstischen Personen
Ähnlich ist es eben auch bei narzisstischen Charakteren. Sie haben ihre spezielle Art der Wahrnehmung, bei der sie sich selbst zumeist im Zentrum sehen und sie vieles gleich einer Spiegelung auf sich zurückgeworfen betrachten.
So wie jede Beziehung durch zwei Personen und ihren zur Verfügung stehenden Werkzeugen gestaltet wird, wird auch eine narzisstische Beziehung durch die Werkzeugkästen beider Beteiligter geprägt. So schwer der Schritt der Befreiung aus einer dysfunktionalen Partnerschaft auch sein mag, er sollte vorgenommen werden.