Stufen von außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen

Erfahrungen in und mit der grobstofflichen Welt

bronzener lachender Buddha

Das sprichwörtliche Lachen des Buddha. © Jim Bowen under cc

Überhaupt scheinen Naturerfahrungen besonders prädestiniert dafür zu sein, dass man in oder an ihnen in außergewöhnliche Bewusstseinszustände kommt.[2] Die meisten Menschen sind innerlich berührt, wenn sie mit den Wundern der Natur konfrontiert werden, wie Gebirgszügen, Wüsten aus Eis oder Sand, den hügeligen Weiten endloser Grasflächen, Wasserfällen, dem Meer oder einem Sonnenuntergang. Auch blühende Felder in Kombination mit blauem Himmel und der rötlichen Abendsonne können derart verzücken, dass man diesen Moment teilen und für die Ewigkeit festhalten möchte.

All das ist wunderschön und erhebend, wer das Glück hat einen Sinn dafür zu haben, wird staunen und verzückt sein und das ist vermutlich nur einen Steinwurf von der Erfahrung entfernt, die einem diese Landschaften gewissermaßen unter die Haut gehen lässt. Normalerweise erleben wir uns als jemand, der sich durch die Natur, das große Außen, bewegt. In einer Gipfelerfahrung bewegt man sich zwar möglicherweise immer noch, aber die Umgebung ist nicht mehr da draußen, sondern in unterschiedlichen Graden der Intensität ein Teil von mir. Es ist das merkwürdige Gefühl, dass das alles zu mir gehört, wie man es wenn überhaupt hat, wenn man die Räume der eigenen Wohnung betritt.

Andere Erfahrungen dieser Art gehen mit dem Empfinden einher, dass diesem Moment nichts fehlt. Man lebt in einer durch und durch perfekten Welt, aber das ist kein Gedanke, sondern ein Empfinden. All diesen Erfahrungen ist es gemeinsam, dass man, wie Ken Wilber es ausdrückt, noch mit einem Bein in der grobstofflichen Welt steht und mit dem anderen Anteil an einer spirituellen Welt hat. Durch die Natur oder körperliche Aktivitäten wird dieser Zustand oft erreicht, er kann aber auch in einem Moment der Entspannung eintreten, wenn man nach der Arbeit das Büro oder Geschäft verlässt. Wir finden hier eine Erweiterung der Wahrnehmung der Welt, aber das Wechselspiel von Fokussierung und Erweiterung ist typisch und begleitet uns die ganze Zeit durch dieses Thema.

Durch Körperübungen oder Sport wird auch zuweilen eine Einheitserfahrung erreicht, auch hier ist man im besten Fall ganz fokussiert, auf das, was man in der Sportlerwelt tut, oft wird das als „Tunnel“ beschrieben, zu diesen Erfahrungen kann gehören, dass man mit seinem Sportgerät völlig eins wird, sei es, dass dies eine Tennisschläger oder Rennauto ist, oder man die Außenwelt kaum noch wahrnimmt. Häufig wird bei dieser Art der außergewöhnlichen Bewusstseinszustände etwas ins Ich aufgenommen, was wir gewöhnlich als davon getrennt betrachten würden.

Aber auch die Betrachtung von Kunstwerken oder beim Hören von Musik kann man von diesen Zuständen ergriffen werden, die einen erschauern lassen und bei denen man sich mit der Menschheit als ganzer eins fühlt und gar nicht so selten treten solche Erfahrungen auch spontan auf.

Das Abstreifen der grobstofflichen Welt

In der nächsten Stufe, streift man die grobstoffliche Welt vollständig ab, in dem Sinne, dass man keine Anreize der äußeren Welt braucht und sich die Erfahrungen auch nicht auf die äußere oder grobstoffliche Welt beziehen. Man wendet sich ganz nach innen und alles spielt sich dort ab. Natürlich kennt man die Erfahrungen, die man macht auch aus Begegnungen in und mit der grobstofflichen Welt: Freude, Liebe, Angst all das findet man auch dort nur hier eben in einer reinen Form, als Archetypus.

Es gibt etliche Stimmen, die behaupten, dass das was man auf dieser Ebene der Erfahrung erleben kann, reiner und damit auch ungleich intensiver ist, als wenn man es durch grobstoffliche Form vermittelt erlebt. Keine Ahnung, wie man das beurteilen soll. Dass man die Welt nicht braucht, ist schön und gut, aber sie ist nun mal da und Erfahrungen an und mit ihr sind praktisch und leicht zu handhaben. Dass die Erfahrungen, mit und in der grobstofflichen Welt nur ein Abklatsch sind, ist möglich, aber für viele ist die Welt dieser Erfahrungen bereits genug oder überfordernd, die suchen gar nicht nach mehr.

Andererseits, wer auf der Suche nach Extremen und intensiven Erfahrungen ist, weil ihm die Welt hinterm Schreibtisch nichts bringt und Freeclimbing irgendwie auch noch unterfordert, der kann diesen Weg gehen und es spricht einiges dafür, dass man hier Erfahrungen machen kann, die intensiv und ungewöhnlich sind allein dadurch, dass man sich der Innenwelt konsequent zuwendet. Darüber hinaus gibt es auch auf spirituellem Gebiet Talente und Menschen, für die das einfach ihr Lebensinhalt ist. Es gibt genug Mittel und Wege diese Erfahrungen zu forcieren und letztlich ist es die platonische Idee, dass die Dinge der grobstofflichen Welt nur jeweils einen Anteil an den Urideen haben und man diesen näher kommen kann, wenn man das, worum es geht, die reinen Archetypen pur erlebt.

Neben Mystikern und Magiern sind es Menschen, die Nahtoderfahrungen durchlebten, die von diesen sehr reinen und ungeheuer intensiven Ereignissen berichten, bei denen es nicht selten so ist, dass man gar nicht wieder zurück will und die ‚reale‘ Welt tatsächlich nur wie ein fader Abglanz erscheint, jene Welt, von der wir eigentlich nicht lassen wollen.

Das Verlöschen

Auch das eine Stufe, die nahezu durchgängig in der Literatur der großen spirituellen Experimentatoren beschrieben wurde, die diesen Weg gegangen sind. Streifte man in der Stufe davor die grobstoffliche Welt ab, so lässt man hier alles hinter sich. Anders gesagt, man versucht die Quelle all dessen zu finden, woher unsere Eindrücke kommen. Ist es die Quellen des Seins, des Bewusstseins, ist beides eins oder doch nicht? Wir wissen es nicht und zwar tatsächlich nicht.

Die Mystiker der Welt haben eine Antwort, zumindest eine, die die eine Art des Wissens umfasst, jene Art zu wissen, wie es ist, in diesem außergewöhnlichen Bewusstseinszustand zu sein. Und das Erleben ist, dass da nichts ist, wenn man zur Quelle gelangt. Das die Eindrücke wirklich verlöschen können. Und das bedeutet eine Abwesenheit von Welt, aber auch von jemandem der Welt oder diese Abwesenheit erlebt. Es ist einfach nichts da. Und doch, auch wenn man nicht mehr sagen kann, als dass da einfach nichts ist und oft genug betont wird, dass dieses Nichts auch nicht zu beschreiben ist und man ganz einfach auf dem Holzweg ist, wenn man es dennoch versucht, gleichzeitig gibt es die paradoxe Überzeugung, dass eine eine Kontinuität des Seins gibt. Nicht eines bestimmten Seins, einer bestimmten Form, auf die man deuten oder die man erläutern kann, sondern einfach reines Sein, über das man nichts weiter aussagen kann.

Egal, wie weit man zurück geht und ob es bis an die Quelle ist, das Sein vergeht nicht. Aber ist das nicht eine ziemlich banale Erkenntnis, dass das Sein ist? Vielleicht ist es der Grund für das sprichwörtliche große Gelächter der Zen Meister, wenn sie am Ende ihrer Reise angekommen sind. Denn, dass etwas ist und dass immer etwas ist, das weiß wirklich jeder. Immer ist irgend etwas, war irgend etwas, wird etwas sein. Das Sein ist nicht auszulöschen. Und nun?

Die Nondualität

Nun geht es wieder zurück oder auch weiter, in einen Bereich der Nondualität. Die ganze Anstrengung, war sie umsonst? Was bleibt im Erleben, was ist anders? In Buch „Meister Gurus Menschenfänger“ unterhalten sich drei spirituelle Praktiker über ihre Erfahrungen und können diese doch nur in unbefriedigende Begriffe fassen. Irgendwie hat sich nichts geändert und doch ist alles anders. Ob sie nonduale Erfahrungen machten, wissen wir nicht. Aber wie soll man sie auch beschreiben? Auch im Zen sagt man, dass nach der Erleuchtung Berge wieder Berge und Flüsse wieder Flüsse sind. Soll heißen, es geht nicht um Schnickschnack und eben gerade nicht um außergewöhnliche Bewusstseinszustände. Alles ist auf eine Art wieder sehr normal und alltäglich. Und doch ‚rettet‘ man mehrere Erfahrungen der außergewöhnlichen Erfahrungen (oder vielleicht Nicht-Erfahrungen), wenn es wieder down to earth geht. Zum einen, wie erwähnt, dass das Sein nicht vergeht. Zum anderen die, dass man sich mit dem Sein identifizieren kann und damit mit mehr identifiziert ist, als mit dem eigenen Ich. Es ist ein endloses, umstrittenes aber wichtiges Thema, ob man über Erleuchtung reden kann und ob man sein Ich hinter sich lassen muss oder dies überhaupt kann.