leuchtend orangene Berge

Natureindrücke von archetypischer Wucht © C. Börger

In einer lockeren Folge von Beiträgen wollen wir versuchen, das Phänomen der Archetypen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Teils erklärend, zum anderen Teil aber auch um diese wichtigen Bausteine der Psyche erlebbar zu machen.

Die menschliche Psyche ist keine Rechenmaschine, in der einfach nur Daten logisch verarbeitet werden, sondern ein Kompositum aus rationalen Anteilen, die auf Argumente ansprechen, abwägen und sich überzeugen lassen. Gleichzeitig ist sie assoziativ, denkt analog, verarbeitet Bilder, Geräusche, Gerüche, Mimiken und verbindet sie zu Stimmungen.

Stimmungen, in die wir eintauchen können, die oft mehr zu sein scheinen als persönliche Vorlieben, sondern bei sehr vielen Menschen ähnlich aussehen und offenbar gewisse, die Menschheit begleitende, Urmuster darstellen.

Was sind Archetypen?

Bei Plato sind die Archetypen Urideen, wobei Idee nicht im Sinne von Überlegung zu verstehen ist, sondern eine Urform, eine Matrize, meint, die zu konkreten Formen, der sichtbaren Welt, gerinnt. Bei ihm kommen sie aus einer geistigen Sphäre, an denen konkrete Erscheinungen Anteil haben. Doch diese konkreten Formen sind immer nur ein schwaches Abbild der eigentlichen Ideen dahinter, wie die Schatten an der Wand des berühmten Höhlengleichnisses.

In der Psychologie verbinden wir den Begriff Archetypen mit dem Namen Carl Gustav Jung. Urstimmungen, den Instinkten nahe, aber mitunter auch dem Numinosen. Jung beobachtete, dass bestimmte Motive offensichtlich Zeiten und Kulturen verbinden und in den Mythen und Märchen der Völker genauso vorkamen, wie in spontanen Assoziationen von Menschen, die diese Mythen und Märchen gar nicht kannten.

So wollen auch wir uns zum Teil auf die Suche machen und schauen, ob und wo wir gegebenenfalls Archetypen heute noch finden und – dem Thema entsprechend – versuchen (in den folgenden Beiträgen) ein wenig auch in die Stimmungen einzutauchen und die Sprache der Seele eher zu erspüren, als sie, wie Vokabeln, zu erlernen.

Archetypen – Spuren der biologischen Evolution…

Aber was sind sie nun wirklich? Tradierte Muster eines biologischen Erbes und damit gewissermaßen eine Verirrung in der Zeit, wie es der Angst vor Spinnen manchmal nachgesagt wird? Gewiss, auch Jung sah, wie erwähnt, die Archetypen den biologischen Instinkten nahe. Wenn der Verstand nicht mehr weiter weiß, übernimmt eine andere Stimme das Regiment. Eine innere Stimme, die sehr viel verlässlicher zu sein scheint, als unser Alltagsprogramm, jedenfalls in Notsituationen.

Vielleicht ist es das schon. Ein ursprüngliches biologisches Programm, das dann aktiviert wird, wenn der Verstand nicht mehr befriedigend funktioniert, in Ausnahme-, Not- und überwältigenden Stresssituationen. Die Psychologie weiß heute, dass unsere Affekte ein unbewusstes Kommunikationssystem der höheren Säugetiere darstellen, das auch in uns noch seine Wirkung hat. Es gibt also tatsächlich diese alten Programme.

… oder Spuren der Transzendenz?

tibetisches Mandala

Das Mandala ist eines der archetypischsten Symbole schlechthin © Cea under cc

Doch vielen reicht das nicht, erscheint diese Deutung zu reduzierend. Für sie sind Archetypen etwas Höheres, dem Numinosen, dem Selbst, der Seele, dem Göttlichen zugewandt. Ihnen erscheint die Stimme der Intuition nicht nur ein altes biologisches Muster zu sein. C.G. Jung war ebenfalls offen für diese Deutungen.

Die Entscheidung zwischen biologischen Mustern und höheren Weisheiten allein ist aber noch immer unbefriedigend und so müssen wir auch ein kulturelles Erbe in Betracht ziehen. Ob lebenspraktisch tradiert, als Meme oder soziale Systeme, es spricht viel dafür, dass sich soziale Einheiten zu eigenständigen Systemen ausdifferenzieren und gewisse Arten von Eigenleben und Selbsterhalt zeigen.

Hüten muss man sich am Ende nur davor, diese Systeme zu verabsolutieren, so als spiele der Mensch, das Subjekt, am Ende keine Rolle mehr. Ein Fehler, der noch so ziemlich allen Deutungen dieser Art unterlaufen ist.

So ist es auch bei den Archetypen. In gewisser Weise besteht unsere Psyche aus ihnen, woraus sich eigene Regeln zu ergeben scheinen, doch Kraft unseres Verstandes können wir diese Muster reflektieren und uns ein Stück weit über sie erheben. Andererseits hat auch die Vernunft ihre Grenzen und wir finden uns doch wieder eingefädelt vor, in eventuell größere Muster, die wir vermutlich besser intuitiv verstehen als analytisch.