Ein gewisses Ansehen zu haben ist eines der stärksten Motive und damit Antriebe des Menschen. Am schönsten ist es, wenn wir geliebt werden und beliebt sind. Ein ähnlich starkes Motiv stellt der Wunsch dar, respektiert zu werden. Geliebt werden wir, weil wir sind, wie wir sind, im idealen Fall der Mutterliebe. Schon für die Liebe unter nicht verwandten Menschen muss man etwas tun, jemand sein, der irgendwie anders ist und einem anderen Menschen auffällt. Ein gewisses Ansehen erhalten wir in der Regel auch, wenn wir irgendetwas in besonderem Maße können oder sind, was immer es auch sei, es gibt tausende Nischen.
Wer kein Ansehen hat, will wenigstens Respekt, die kleinere Form des Ansehens, manche erzwingen sich Respekt, indem sie zwar nicht beliebt, aber dafür gefürchtet sind. Man kann sie nicht folgenlos übergehen. Je nach Persönlichkeit reicht das manchen. Und wer nicht gefürchtet wird, will dann zumeist doch um fast jeden Preis auffallen. Und wer auf Ansehen in der breiten Masse pfeift, will doch zumeist im Kreise seiner Peergroup oder Wahlverwandten gut ankommen.
Sozialprestige und soziales Ansehen
Der soziale Status ist das, was man sich erwirbt, dadurch, dass man ein in irgendeiner Hinsicht nützlicher Mensch ist. Vielleicht ist man besonders zuvorkommend und hilfsbereit, womöglich kenntnisreich oder handwerklich besonders begabt, verantwortungsbewusst und zuverlässig, eventuell ist man ein guter Alleinunterhalter oder kann, im Gegenteil, sehr gut zuhören. Oft bekommt man vermutlich die größte Anerkennung durch das, was man gut kann, wenn es sich um eine, für die Gesellschaft oder meine Familie oder meinen Freundeskreis nützliche Eigenschaft handelt.
„Der Soziologe Heinz Kluth unterschied in Sozialprestige und sozialer Status bereits 1957, ob Ansehen auf tatsächlichen Leistungen oder auf anderen Faktoren beruht. Gestützt auf die Begriffe von Talcott Parsons, nannte er das auf empirisch zugänglicher Leistung beruhende Ansehen „soziales Ansehen“ und ein auf diffusen Zuschreibungen beruhendes Ansehen „Sozialprestige“.“[1]
Das Sozialprestige sind Zuschreibungen, die jemand bekommt, wenn er „aus gutem Haus“ ist, also ein Mitglied einer angesehenen Familie, aber auch große und attraktive Menschen haben ein größeres Renommee als durchschnittliche, in subkulturellen Kreisen kann es sein, dass man gut ankommt, wenn man gefährlich und besonders skrupellos ist, etwa wenn man einer extremistischen Vereinigung angehört. Allgemein ist mit Sozialprestige aber die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand oder einer sozialen Klasse gemeint, die vor allem in vergangenen Zeiten ein allgemein höheres Ansehen genossen, weil sich in ihnen mehrere Eigenschaften trafen, die für die Normalbevölkerung früher nicht üblich waren. So galten die Mitglieder bestimmter Stände als gebildet und daraus leiteten sich Verpflichtungen, andererseits aber auch Privilegien ab. Ärzte waren nach dem Krieg oft die ersten, die ein Auto besaßen.
Statussymbole und ihr Bedeutungswandel
Bildung und Wohlstand, Lebenstüchtigkeit und Fleiß, Auto, feine Kleidung und gutes Essen, das waren lange Zeit Zutaten, die in kollektiver Betrachtung organisch zusammen hingen. Wer klug und fleißig war, der hatte auch eine gute Arbeit, war vielleicht erfolgreicher Kaufmann, Anwalt oder Gelehrter, ihm, meistens war es ein Mann, gebührten von daher auch zurecht Wohlstand und ein höherer sozialer Status. Es war geradezu normal, dass Menschen mit vielen Kontakten, größeren Fähigkeiten und höherer Bildung um Rat gefragt und auch gebeten wurden Verantwortung zu übernehmen. So waren Ärzte, Pfarrer und Lehrer oft Personen mit hohem Sozialprestige, gesellschaftlichem Einfluss und ihrem Status gemäß auch mit entsprechenden Insignien ausgestattet, die wiederum durch die Tätigkeit der Personen symbolisch aufgeladen wurden.
Wo die Krone, der Stab und der Hermelin noch ganz bewusst die herausragende Position des Herrschers symbolisieren sollte, so wurden Talare und die weißen Kittel zu weltlichen Symbolen und das was man sich leisten konnte, gehörte dazu: Hochwertige Kleidung, Schmuck, feines Porzellan, repräsentative Möbel und später dann das Auto und die Uhren am Handgelenk, sind Beispiele für Statussymbole unserer Breitengrade, die sich immer mehr ausdifferenzierten. In dem Moment, wo sich immer mehr Menschen die Statussymbole leisten konnten und Autos besaßen, entstand der Wunsch sich erneut abzusetzen. Der Volkswagen war das eine, die Nobelkarosse das andere. Ähnlich ging die Schere in anderen Bereichen auseinander, etwa beim Essen, Es gab das derbe Essen der Bauern und der einfachen Leute und das feine, der Bessergestellten. Das feine weiße Mehl, die immer raffinierteren Speisen, doch wieder holte das Volk auf und konnte sich zunehmend die Delikatessen der Wohlhabenden leisten, die nun ihrerseits die Latte höher legen mussten, um sich weiter abzugrenzen.
Was heute wieder in ist, Dinge selbst zu machen, galt als antiquiert. Die Fertigsaucen und -gerichte und Plastikmöbel machten es möglich, dass man viel mehr Zeit, für die wirklich wichtigen Dinge im Leben hatte. Das Ringen ging weiter, immer war auch der Körper Teil davon. Nach dem Krieg war fast jeder in Deutschland schlank oder dünn, denn es gab kaum etwas zu Essen und der Hunger war eine reale Größe in vielen Familien, Bis schließlich das Wirtschaftswunder kam und die meisten Menschen sich wieder satt essen konnten und es genossen, ihren Wohlstand auch zu zeigen, auch mit der dazugehörigen Leibesfülle. Wer dick war, der hatte es zu etwas gebracht, die Wohlstandspocke musste man sich buchstäblich leisten können. Später dann die Urlaubsbräune, diszipliniert, dicht an die, wie die Ölsardinen gequetscht an der Adria erworben, um zu zeigen, dass man dort war, wo es schön ist und dass man dazu gehört. Die nötige Bräune bekommt man heute aus dem Solarium und Übergewicht zu haben ist inzwischen vor allem in der Unterschicht weit verbreitet.
Universelle Statussymbole verschwinden
Doch die Klassiker Auto, Haus und Boot verschwinden zunehmend. Auch Übergewicht, auffallender Schmuck und Bräune gelten nicht mehr als nötige Prestigesymbole, sondern eher als Zeichen mangelnder Disziplin, etwas aufdringlich und peinlich. Wer heute oben ist, ist (und isst) bewusst und diszipliniert, vor allem dezent. Schick und edel darf schon sein, aber inzwischen eher so, dass nicht mehr alle Welt erkennt, wer man ist, sondern nur noch die Insider. Man ist unter sich und möchte es auch gerne bleiben. Auch das gehört dazu, dass einen der Rest außerhalb der eigenen Blase nicht interessiert.
„Das Statussymbol gibt es genauso wenig wie den sozialen Status. Die Smartwatch bringt Anerkennung unter Fans innovativer technologischer Spielereien, lässt die Neo-Ökos jedoch kalt. Die exorbitant teure Kaffeemaschine wird überhaupt nur von anderen Liebhabern erkannt. Und nur wem „fair“ wichtig ist, der erkennt und schätzt faire Fashionmarken an anderen. Die neuen Statussymbole sind differenzierter, subtiler und kleinteiliger denn je. Von vergangen Statusobjekten unterscheidet sie vor allem eins: Sie sind nicht länger universell.“[2]
Höher, schneller, weiter und das Anhäufen von Besitz gilt vielen als eher vulgär. Nicht Berge von Fleisch und das „All you can eat“ Schnäppchen, sondern bio, vollwert, regio und fair, am besten alles zusammen. Überhaupt ist das Verwenden von Fertigangeboten, längst wieder auch dem Rückzug. Selbst ist der Mann und auch die Frau, es muss nicht immer der Prepper sein, aber was als antiquiert galt, ist heute wieder chic. Alles selber machen und reparieren können, das Essen anbauen und zubereiten, das Craft-Bier brauen, vorbei der Glanz der Fertigsaucen, jedenfalls, wenn man wer sein will. Das ehemals feine Essen gilt heute oft als ungesund und degenerierter Müll.