
Oft sind es Kleinigkeiten, mit denen wir uns glücklich träumen können © H. Koppdelaney under cc
In der Psychoanalyse Sigmund Freuds galten Tagträume und innere Bilder einst als Zeichen der Unreife und wurden als Hindernis auf dem Weg zur Realität angesehen. Doch die Zeiten haben sich geändert und heute beschreibt Heiko Ernst, langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift Psychologie Heute, in seinem neuen Buch Innenwelten, Tagträume als gesund und stabilisierend für die Psyche.
Zudem stellen sie keinen kindlichen Wunscherfüllungsersatz dar, der mit der Realität in Konflikt steht, sondern Ernsts These ist, dass sie im Gegenteil dabei helfen, die Wirklichkeit besser zu verarbeiten. Auf dem Weg der Imagination, beim kurzen Wegdriften im Alltag, schaffen wir uns einen inneren Raum voll Trost und Kreativität, der unsere psychische Leistungsfähigkeit steigert und unser Selbstbild positiv reguliert. Und das besonders dann, wenn wir uns dort ein wenig besser, glücklicher und heldenhafter phantasieren, als wir es momentan sind.
Gesund und selbstbewusst durch innere Bilder
Anders als Freund setzte sein Kronprinz Carl Gustav Jung schon früh auf die Kraft der aktiven Imagination, der Arbeit mit selbsterzeugten Bildern. So gab und gibt es immer wieder verschiedene Formen der Psychotherapie und der geführten Meditationen, die vorwiegend mit inneren Bildern arbeiten, bei denen die inneren Bilder sowohl aufdeckende Qualitäten haben, das heißt auf innere Konflikte hinweisen, aber auch eine positiv gestaltende Kraft, indem sie Visionen einer besseren und gesünderen Zukunft darstellen.
Doch nicht nur psychische Gesundheit, auch körperliche Symptome können durch die Kraft der inneren Bilder gebessert werden und das mitunter sehr eindrucksvoll. Ob Schmerzzustände, Herzerkrankungen oder Krebs, noch ist nicht in allen Fällen geklärt wie und warum innere Bilder wirken, doch dass sie es tun, kann heute schwerlich bestritten werden.
Das lächelnde Herz
David Servan-Schreiber hat noch weitgehend unbeachtete, wissenschaftlich aber gut untersuchte, Methoden vorgestellt, die bei verschiedenen körperlichen und psychischen Erkrankungen effektiv helfen. Ganz weit oben rangiert dabei das Kohärenztraining, einfach gesagt imaginiert man dabei eine Situation, in der man glücklich war und die ein inneres Lächeln hervorruft. Dieses Gefühl des inneren Lächelns schickt man nun, ebenfalls mit Hilfe innerer Bilder und der Phantasie, in die Herzregion und lässt es sich dort ausbreiten. Diese überaus einfache Technik hat sich als hocheffektiv bei Herzerkrankungen erwiesen, sie funktioniert in meditativer Ruhe, aber auch in Bewegung, eine Übung für alle Lebenslagen.
Das Immunsystem profitiert von heilenden inneren Bildern
Psychoonkologen oder Psychoneuroimmunologen, wie Carl Simonton, Wolf Büntig und andere, wissen ebenfalls um die heilende Kraft der inneren Bilder, die oftmals umso besser und wirksamer sind je „naiver“ und bildhafter man sie imaginieren kann. Je plastischer beispielsweise ein Tumor attackiert wird, je lebendiger die Quellen von Gesundheit, Kraft und Heilung imaginiert werden können, umso besser. Letztlich kannte schon Paracelsus den „inneren Arzt“ – den er als den besten Arzt ansah – und ergänzend zu all den Fortschritten in der Medizin, für die wir dankbar sein dürfen, kann gerade die Kraft der inneren Bilder zum Zünglein an der Waage werden.
Von der ersten Erkrankung bis zum nachvollziehbaren Wunsch nach einem etwas besseren Leben gibt es Gründe genug die Fähigkeit zum Tagträumen und zu inneren Bilderreisen zu fördern und das alte Gebot „Träum‘ nicht!“ zu verabschieden.
Quellenangaben
- Heiko Ernst, Innenwelten, 2011, Klett-Cotta
- David Servan-Schreiber, Die Neue Medizin der Emotionen, 2006, Goldmann Verlag
- C. Simonton/S.M. Simonton/J. Creighton, Wieder gesund werden, 1982, Rowohlt Verlag