Roboter auf der Bühne

Die vierte Industrielle Revolution: Inwieweit bestimmen Roboter bald unser Leben? © Simon Zirkunow under cc

Die Menschheit steht vor der vierten Industriellen Revolution. Meldungen in den Medien überschlagen sich: über die Zukunft der Arbeit, welchen Stellenwert Roboter in unser aller Leben einnehmen werden und die dadurch entstehenden Veränderungen für den einzelnen. Welche Bedeutung wird dem Menschen zukommen, fragt man sich. Und könnte die Hoheit über Künstliche Intelligenz den Menschen entgleiten? Die technologischen Neuerungen und die damit verbundenen Ziele wie die Reise zum Mars oder die Verlängerung des Lebens bis hin zu einer möglichen Unsterblichkeit können die menschliche Vorstellungskraft überfordern.

Im ersten Teil dieser Artikelreihe zu „Robotern und Psyche“ wird aus psychologischer Sicht auf mögliche Ängste eingegangen, die in Zusammenhang mit der vierten Industriellen Revolution stehen.

Überforderung durch die Moderne

Einer der Hauptgründe dieser gefühlten Überforderung in Bezug auf die vierte Industrielle Revolution liegt in dem rasanten Voranschreiten der technologischen Entwicklung, welche für den Menschen nicht greifbar ist. Die derzeitige soziokulturelle Revolution läuft deutlich schneller ab, als es aus evolutionsbiologischer Sicht kompensierbar wäre. Was lange Zeit als Science Fiction galt, wird plötzlich zur Realität – in vielerlei Hinsicht.

Dabei gab es auch in der Vergangenheit Veränderungen, die zunächst auf Unwillen stießen, die sich aber im Nachhinein sogar als soziale Normen etablierten. So schrieb Platon einst in seiner Abhandlung „Der Staat“, dass Spiele und Poesie jungen Menschen schaden könnten, außerdem meinte man, dass Schreiben den Geist verfaulen lassen könne, weil die Nutzung des Gedächtnisses vernachlässigt werden würde, dass das Lesen von Romanen vor allem bei Frauen zu moralischer Verkommenheit führen könne – wie Peter Gray, Psychologieprofessor am Boston College, frühere Befürchtungen zusammenfasst (Gray, 2012).
Doch wer glaubt, solche Warnungen seien lange überholt, ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt ebensolche Ängste gegenüber Neuem, das inzwischen unseren Alltag auf verständliche Weise bereichert: Fernsehen könne zu körperlichen und psychischen Schäden führen, hieß es einst, Videospiele seien ebenso schädlich, ja selbst Hörspiele wurden bei der Einführung kritisch beäugt. Aus Studien weiß man mittlerweile, dass viele dieser Ängste unbegründet waren, dass Videospiele zum Beispiel einen großen Nutzen in Bezug auf die Hirnentwicklung haben können (vgl. z.B. Gray, 2012) und Computerspiel-Simulationen sogar zuverlässige Prognosen bei der Personalauswahl von Managern etc. liefern. Nichtsdestotrotz hat eine gesunde Skepsis gegenüber Neuerungen großen Wert, damit ethische Aspekte nicht unberücksichtigt bleiben.

In Zusammenhang mit der Einführung von Robotern im Alltag stehen die Forscher vor einer weiteren, scheinbar profanen, dennoch nicht zu unterschätzenden Hürde bezüglich der Mensch-Computer-Interaktion.

Der „Uncanny Valley“-Effekt: Akzeptanz der Roboter

Roboter beim Ballspielen

Design mit „Kindchen-Schema“ gegen die Angst vor Robotern © Alphaundomega under cc

Studienergebnisse zeigen, dass die Akzeptanz von Robotern von deren Design abhängen kann. Deshalb werden psychologische Mechanismen wie zum Beispiel das „Kindchen-Schema“ bei der Gestaltung der Roboter berücksichtigt. Dies schafft bis zu einem gewissen Grad Vertrautheit beim Menschen, selbst wenn die Roboter abstrakt beziehungsweise künstlich aussehen.
Allerdings existieren Schwierigkeiten hinsichtlich der Akzeptanz von stark humanoiden (also menschenähnlichen) Robotern, der „Uncanny Valley“-Effekt (vgl. Lay, 2015; Mathur & Reichling, 2016; Pollick, o.A.). Sind Roboter in ihrer Menschenähnlichkeit nicht perfekt – seitens des Designs wird aber ein Anspruch auf große Menschenähnlichkeit erhoben – scheint dies beim Menschen ein gewisses Unbehagen beziehungsweise Misstrauen hervorzurufen. Möglicherweise kollidieren die unperfekten Gesichtszüge/Mimiken (etwa ein Lächeln, welches verkrampft wirkt) mit angeborenen/erlernten Automatismen im menschlichen Gehirn, die uns bei der Interpretation von Gefühlen beim Anderen helfen. Forscher betrachten diesen Effekt als ernst zunehmendes Problem bei der Gestaltung humanoider Roboter, welches bereits bestehende Missverständnisse im Zusammenspiel von Mensch und Technik (zum Beispiel beim Autopiloten im Flugzeug) durchaus verstärken könnte.

Versteht man die Einwände der Menschen gegenüber gesellschaftlichen Innovationen, lassen sich möglicherweise die eigenen Ängste in Bezug auf die vierte Industrielle Revolution relativieren, ohne die Sachlichkeit in der Debatte über Roboter und damit verbundene Risiken aus den Augen zu verlieren.

Ressourcenknappheit und Machtmissbrauch

Umweltprobleme, Kriege und Hungersnöte, Flüchtlingsströme – der Kampf um die Ressourcen dieser Erde ist so alt wie die Menschheit selbst. Die Privatisierung von Trinkwasser (z.B. durch Nestlé) sowie der Aufkauf von Agrarflächen weltweit und in Deutschland durch wirtschaftliche Investoren (z.B. Thünen-Institut, 2013) sorgen für Verunsicherung. Als Reaktion darauf gewinnen Antiglobalisierungskampagnen zunehmend an Aufmerksamkeit, ebenso Patriotismus, genauso wie die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen, damit der Einzelne nicht im Strudel der Moderne untergeht.

humanoide Roboter

Weibliche humanoide Roboter © Michael Coghlan under cc

Demgegenüber steht eine Bewusstmachung der menschlichen Fähigkeiten und Wichtigkeit.
Der Mensch und seine jahrtausendealte Prägung als soziales Wesen sollten bei der Bewertung solcher Szenarien nicht außer Acht gelassen werden. Oder überspitzt gefragt: Würden Sie sich ohne andere Menschen in einer Gruppe humanoider Roboter wohlfühlen? Zusammenhalt und Empathie spielen eine wichtige Rolle im menschlichen Dasein, auch wenn alltägliche Meldungen in den Medien so manches Mal anderes vermuten lassen. Umso wichtiger den Fokus auf die positiven Aspekte zu lenken: So gibt es zum Beispiel weltweite Bemühungen, den Klimawandel abzudämmen, außerdem existieren Organisationen, die sich humanistisch und im Sinne der Erhaltung von Demokratie engagieren. Visionen und Zielstrebigkeit der Menschen suchen in der Natur ihresgleichen, und sind Motor evolutionärer und soziokultureller Entwicklungen. Auch wenn großen Strukturen Trägheit anhaftet und die Umsetzung der Ziele nur zögerlich vonstatten geht, Demokratie und ihre Werte gilt es zu schützen und in diesem Sinne zu handeln – etwas, wozu jeder einzelne beitragen kann.

Die Herausforderungen unserer Zeit sind überaus komplexer Natur. Sie erfordern Kreativität, Innovation und Kooperationsbereitschaft, um zum Beispiel die Klimaerwärmung einzudämmen. Viele Ingenieure haben es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Problem anzugehen, indem sie zum Beispiel versuchen, Kohlenstoffdioxid im Erdboden zu binden oder mittels einer künstlich geschaffenen „Atmosphärenschicht“ die Erde „abzukühlen“ (vgl. Hecking et al., 2016).
Diversität, also der größtmögliche Unterschied zwischen Menschen, ist ein hohes Gut, das wissen viele global agierende Unternehmen bei der Mitarbeiterauswahl seit Jahrzehnten zu schätzen. Eine möglichst hohe Diversität schafft einen breiten Wissenspool und erhöht die Wahrscheinlichkeit für Innovationen und für manchmal auch unkonventionelle Lösungen derartiger Probleme. Führt man sich diese Komplexität vor Augen, wird klar, dass Künstliche Intelligenz in naher Zukunft zuvorderst nur unterstützend tätig werden kann.

Säulen des Kapitalismus und die vierte Industrielle Revolution

Ein weiterer Aspekt scheint bei der Betrachtung der Gefahr durch Roboter nicht unwesentlich zu sein: Das kapitalistische Gesellschaftsmodell fußt unter anderem auf Konsum und Wettbewerbsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund verlieren Weltuntergangsszenarien an Halt, in denen Roboter den Menschen verzichtbar machen, da Roboter nicht konsumieren. Wie bei der vorangegangenen Industriellen Revolution, die mit ähnlichen Ängsten verbunden war, wird sich die Weltgemeinschaft neu definieren.

Welche Stärken Künstliche Intelligenz hat und bei welchen Fähigkeiten diese bisher an ihre Grenzen stößt, wird im nächsten Teil unserer Serie zu „Roboter und Psyche“ nachgegangen.

Quellen: