Zwar können sich Menschen, die ein Leben als Messie führen, oftmals an persönliche Auslöser erinnern, die dazu führten, dass sie zu horten begannen, dennoch bleibt ihnen zumeist unklar, warum gerade sie zum Messie wurden, während andere mit womöglich ähnlichen Lebensläufen nicht dieses Verhalten zeigen – „Warum bin ich ein Messie?“, fragen sich demnach viele Betroffene.
Das klinische Erscheinungsbild des „Messie-Syndroms“ ist noch weitestgehend unerforscht, dennoch gibt es einige Studien, die zu ergründen versuchen, warum manche Menschen zum Messie werden und andere nicht.
Warum bin ich ein Messie? Erste Forschungsansätze
Aus neuropsychologischer Sicht kann gemäß Schön et al. (2013) bei Personen, die das „Messie-Syndrom“ aufweisen, eine veränderte Informationsverarbeitung vorliegen. Einige Ansätze diesbezüglich seien nachfolgend vorgestellt.
Bin ich ein Messie aus Angst?
Wie Schön et al. (2013) zusammenfassen, kann das „Messie-Syndrom“ mit einer starken emotionalen Bindung an Besitztümer (etwa weil die Bindung an Personen als unsicher angesehen wird) sowie sogenanntem Vermeidungsverhalten einhergehen. So werden zum Beispiel oftmals vom Messie bestimmte Verhaltensweisen oder Situationen vermieden, die aus persönlicher Sicht eine Bedrohung für Körper und Geist darstellen könnten. Andere Verhaltensweisen werden möglicherweise wiederum forciert, da sie Sicherheit und Halt geben können.
Warum bin ich ein Messie?, lässt sich also unter anderem durch die Nähe zum Spektrum der Angst- und Zwangsstörungen beantworten, da Bedürfnisse nach Kontrolle und Sicherheit eine nicht unwesentliche Rolle spielen könnten.
Zudem zeigen bildgebende Studienverfahren, dass bei Menschen mit dem „Messie-Syndrom“ veränderte neuronale Verarbeitungen vorliegen, unter anderem in Bezug auf Entscheidungs-, Aufmerksamkeits- und Organisationsprozesse sowie Emotionsregulation (Schön et al., 2013).
Bin ich ein Messie aufgrund mangelnder Selbstkontrolle?
In einer 2013 veröffentlichten Studie von Timpano und Schmidt zeigte sich, dass es durchaus Zusammenhänge zwischen dem Horten und der Selbstkontrolle von Personen zu geben scheint.
Selbstkontrolle vermittelt die Kontrolle über das eigene Verhalten und ist notwendig für das Erreichen individueller Ziele. So fällt es Personen mit verminderter Selbstkontrolle zum Beispiel schwer, mit alten Gewohnheiten zu brechen.
Timpano und Schmidt fanden nun, dass eine stärkere Neigung zum Horten mit einer verminderten Selbstkontrolle einhergehen kann – ein entscheidender Ansatz, wenn man sich fragt: Warum bin gerade ich ein Messie? Womöglich stehen bei einigen Betroffenen Schwierigkeiten bei der Organisation des Alltags sowie beim Umsetzen von Verhaltensweisen mit dem „Messie-Syndrom“ in Zusammenhang. So sind einige Messies arbeitslos oder krankgeschrieben und der Alltag scheint für sie nicht bewältigbar.
Auf der anderen Seite gibt es auch Betroffene, die durchaus ihren beruflichen Alltag zu bewältigen scheinen, die einer geregelten – oft auch sehr anspruchsvollen – Tätigkeit nachgehen. Wäre es demnach möglich, dass die Beanspruchung im Job und die Angst, dem nicht genügen zu können, ebenfalls mit dem „Messie-Syndrom“ in Zusammenhang stehen könnten, etwa weil der Druck daheim von einem abfällt?
Bin ich ein Messie aufgrund von Perfektionsstreben?
Timpano et al. veröffentlichten 2011 Studienergebnisse, die diesbezüglich von Bedeutung erscheinen. So standen unter anderem eine stärkere Neigung zum Horten mit Perfektionismus und Prokrastination, also dem Aufschieben von Aufgaben, in Zusammenhang. Womöglich haben einige Messies also Angst, den eigenen Ansprüchen beziehungsweise den Ansprüchen anderer nicht genügen zu können.
Die Vielschichtigkeit des „Messie-Syndroms“ wird deutlich. Forschung und Klassifikation stehen erst am Anfang, sodass die Komplexität des klinischen Erscheinungsbildes vermutlich noch nicht im vollen Umfang abgebildet ist. Die Frage „Warum bin ich ein Messie?“ ist offenbar zum derzeitigen Zeitpunkt nur in Ansätzen beantwortbar – doch klinische Diagnostik und therapeutische Intervention, im nächsten Teil unserer Serie vorgestellt, könnten weiteren Aufschluss geben.
Quellen:
- Schön, D., Wahl-Kordon, A. & Zurowski, B. (2013). Pathologisches Horten und Sammeln als Erkrankung des Zwangsspektrums. PSYCH up2date 2013, 7(01), 21-32. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.
- Timpano, K.R., Exner, C., Glaesmer, H., Rief, W., Keshaviah, A., Brähler, E. & Wilhelm, S. (2011). The Epidemiology of the Proposed DSM-5 Hoarding Disorder: Exploration of the Acquisition Specifier, Associated Features, and Distress [CME]. Journal of Clinical Psychiatry, 72(6), 780-786.
- Timpano, K.R. & Schmidt, N.B. (2013). The relationship between self-control deficits and hoarding: a multimethod investigation across three samples. Journal of Abnormal Psychology, 122(1), 13-25.