Arm mit Pistole und niedergeschossener Mann

Psychopathen sind zu eiskalten Hinrichtungen fähig © Bill Strain under cc

Wir alle kennen kurze psychische Extremzustände wie Stress, Angst oder überwältigendes Glück, doch für manche Menschen, Heilige und Psychopathen, ist der Ausnahmezustand die Normalität. Aber was sind das für Menschen, wie ticken sie, was bewegt sie? Es sind „bunte Hunde“, Exzentriker, Heilige und Psychopathen. Sie sind anders als wir, aber was macht sie so anders? Verbindet sie etwas? Kann es überhaupt sein, dass Heilige und Psychopathen etwas verbindet?

Philosophen sind solide Menschen, so meint man. Es wirkt vielleicht unverständlich, wie man den ganzen Tag herumsitzen und grübeln kann, man vermutet aber, dass sie abseits einer gewissen Schrulligkeit eher harmlos sind. Anders Diogenes, dem nachgesagt wird, nicht nur in aller Öffentlichkeit onaniert zu haben, er bettelte auch und bekam er nicht genug, so pisste er die Leute an. Das passt nicht so recht in unser Bild vom Philosophen, aber das ist es, was das Leben unvorhersehbar und den eigentlichen Reiz von Extremtypen ausmacht.

Heilige, Psychopathen und Konventionalität

Zur Konventionalität gehört, die Welt zu ordnen. Muster, Regeln, ein soziales Korsett zu haben und gleichzeitig auch eine Orientierung. Die Extremtypen, die wir betrachten wollen, schießen fast alle unsere Regeln radikal und lachend in den Wind. Konventionalität teilt die Welt in gut und böse ein und grenzt die, die anders sind, aus. Das hat die Funktion, die Gesellschaft zu schützen, doch oft reicht die konventionelle Sichtweise nicht aus. Für viele böse Buben mag es reichen, sie als dumm, verschlagen und zurückgeblieben anzusehen, damit hält man sie emotional auf Distanz und kann sie mit gutem Gewissen verurteilen.

Diese Herangehensweise ist jedoch unangemessen für Extremtypen, wie Heilige und Psychopathen. Das Bild von ihnen kippt irgendwann, denn sie sind nicht plump und dumm, sondern oft charmant, genial und doch aus konventioneller Sicht völlig neben der Spur. Eiskalt oder völlig verrückt, aber grandios und kreativ. Hochintelligent, aber völlig skrupellos. Sie verstehen die Normen, sie interessieren sich nur nicht für sie. Doch seltener als man meint, sind es primitive Rohlinge, die in Rage geraten. Das Gegenteil ist der Fall.

Die härtesten Psychopathen werden nicht wütend, sondern eiskalt und rational, wenn sie mit Stressoren konfrontiert werden. Ihre Spannung steigt zunächst in einem Maß, wie bei uns allen an, um dann, wenn normale Menschen immer weiter erregt werden, alle Anspannung zu verlieren und im Augenblick hoher Erregung in einen Zustand völliger Ruhe zu geraten, in dem Hautwiderstand, Herz- und Atemfrequenz unter den Ausgangswert fallen.

Zu den Psychopathen gehören die schlimmsten Verbrecher, die wir uns vorstellen können. Hemmungslose Serienmörder, ohne jede Spur von Gewissen, so scheint es. Menschen, die man nur verachten kann? Kevin Dutton ist anderer Ansicht. Der Buchautor (Psychopathen: Was man von Heiligen Anwälten und Serienmördern lernen kann) und Psychologe mit dem Spezialgebiet Psychopathie beschönigt keinesfalls die Gefahr, die von den schlimmsten Psychopathen ausgeht, doch er differenziert in einigen Punkten.

Psychopathie-Tests bestehen aus verschiedenen Segmenten, die Offenheit für neue Erfahrungen, Kaltherzigkeit, Aggressionsbereitsschaft, Empathiefähigkeit, oberflächlichen Charme, Angstfreiheit, Fokussiertheit, mentale Härte, Grausamkeit und dergleichen testen. Hohe Werte in allen Segmenten kennzeichnen den Vollbildpsychopathen. Was aber, wenn man nur in einigen Bereichen einen hohen Psychopathiewert aufweist? Dutton zufolge kann das ein Vorteil für viele Berufe und damit auch für die Gesellschaft sein. Vor allem Geschäftsführer, Anwälte, Medienpräsentatoren, aber auch Chirurgen, Bombenentschärfer und Elitesoldaten weisen statistisch in einigen Bereichen hohe Psychopathiewerte auf.

Verrückte Heilige

Mann mit Bart meditiert unter Wasser

Eine unkonventionelle Art der Meditation © Indi Samarajiva under cc

Und hier kommen auch die Heiligen ins Spiel. Nicht die, an die man gewöhnlich denkt – mild lächelnde Menschen mit einer Aura der Reinheit umgeben -, eher jene verrückten Weisen und heiligen Narren, die Georg Feuerstein beschreibt. So zitiert Feuerstein in seinem Buch dann auch, der Mystiker sei eine gefährliche, vielleicht die gefährlichste Gestalt (vgl. Heilige Narren, S. 412f), deshalb, weil ihr Spektrum so gewaltig ist. Sie lassen sich nicht einseitig aufs konventionelle Gutsein festlegen, im Gegenteil, ihr vornehmster Auftrag ist die konventionelle Welt zu erschüttern und andere Muster freizulegen.

Dabei nutzen sie zuweilen Mittel, die an ihrem eigenen Geisteszustand zweifeln lassen. Sind sie nun unendlich frei, erleuchtet oder schlicht verrückt? Wenn wir eingangs das verwirrende Verhalten von Diogenes als das Zusammenführen zweier Bereiche sahen, die scheinbar nicht zusammen passen, so wird dieser Widerspruch bei Heiligen und Psychopathen noch einmal potenziert.