Mann joggt vor blauem Himmel

Bewegung tut der Gesundheit gut © whologwhy under cc

Gesundheit ist ein hohes Gut, viele sind der Ansicht, sie sei das höchste. Es stimmt zum einen, empirisch. Glück wird oft mit einer intakten Gesundheit verbunden, statistisch ist sie Faktor Nummer 1. Ist man schwer krank, ist oft alles anders und das Leben dreht sich nur noch um die Krankheit.

Deshalb ist die Prävention ein kluger Ansatz. Man sucht sich heraus was krank macht und versucht dieses Verhalten und diese Faktoren zu meiden oder zumindest einzuschränken. Zugleich isoliert man die gesundmachenden Faktoren und versucht diese zu vergrößern. So weit, so gut.

Gesundheitsterror

Doch wie immer im Leben kann der Schuss nach hinten losgehen. Was in bester Absicht begann, um das Leben friedlicher und ein wenig angstfreier zu machen, kann, wenn es schlecht läuft, zum Selbstzweck werden. Gesundheit ist ein Geschenk, das man pflegen kann und für ein angenehmes, besseres, glückliches Leben einsetzen sollte. Ist Gesundheit einmal Selbstzweck, der Sinn der Gesundheit ist dann immer mehr Gesundheit, ist es nur ein kleiner Schritt zum lebenseinengenden Korsett, zum Gesundheitsterror.

Gesundheitsapostel und -fanatiker sind genügend beschrieben und karikiert worden, wir wollen uns eher ihre Motive anschauen: Ihr Problem ist, dass man, auch wenn man gesund ist, irgendwann sterben wird. Diese Angst, die vielleicht am allertiefsten sitzt, will man nicht konfrontieren.

Irgendwo weiß man natürlich, dass man sterblich ist, aber dieses Bewusstsein wird immer weiter hinausgeschoben. Ob Nahrungsergänzung oder Vollwertkost, ob Sport oder regelmäßige Vorsorgeuntersuchung, ob Entspannungsübungen oder gewaltfreie Kommunikation oder die Hoffnung auf die High Tech Medizin – bei aller Vernunft, sind das immer auch Beruhigungspillen für die Psyche.

Das ist nicht falsch. Wenn es Rituale der Gesundheit gibt, die die Kraft haben uns zu beruhigen, uns Ängste zu nehmen, so ist das ein Vorteil. Doch wer keinen Urlaub mehr machen kann, weil zwei Wochen ohne Vollwertkost ein Desaster sind, der muss sich fragen lassen, ob die gute Idee noch im Dienste der Lebensfreude und eines gelungenen Lebens steht oder bereits zur Belastung geworden ist, die ihr Eigenleben führt und Mengen von ungesundem Stress erzeugt.

Gelassenheit

Im Grunde ist die Lösung einfach formuliert, fällt nur wie so oft in die tiefe Kluft zwischen Theorie und Praxis. Ein wenig mehr Gelassenheit täte gut. Nur verweist die beständige Sorge um die eigene Gesundheit oft auf Pathologien, bei denen die Aufmerksamkeit stets und zu stark auf das eigene Ich gerichtet ist. Aber immerhin, wenn man das erkannt hat, braucht man nicht auf die nächste Wunderpille zu warten, sondern kann gleich an der richtigen Stelle ansetzen, in dem Fall bei der Psyche.

Ein nächster Punkt um gelassener zu werden, wäre die bewusste Konfrontation mit dem, was man fürchtet. Die Isolierung von Krankheit, Behinderung, Alter und Tod ist in unserer Gesellschaft leider immer noch Standard, findet an den Rändern der Gesellschaft statt, in eigenen Heimen und Institutionen. So werden die meisten Menschen mit Leid und Tod erst sehr spät konfrontiert, die Werbung tut ihr Übriges, um zu suggerieren, dass man auch mit 70 noch jugendlich sein kann und sollte.

Was die Gesundheit erhält

lachende blonde Frau in blauem T-Shirt

Lachen, ein entspannter Weg zur Gesundheit © nvainio under cc

Neben den Klassikern Ernährung, Bewegung, Dach überm Kopf und Hygiene, kommt auch Beziehungen eine immer größere Bedeutung zu. Aber Beziehungen führen, weil sie mich gesund erhalten, wäre ein Missverständnis. Es geht darum, aus dem Käfig des eigenen Ichs zu entkommen, sich mit mehr zu beschäftigen, als dem narzisstischen Kreisen um sich selbst, der eigenen Befindlichkeit, der eigenen Gesundheit.

Insofern ist es eine etwas paradoxe Wahrheit, dass es gesünder ist, die Beschäftigung mit der eigenen Gesundheit auf ein Maß zu reduzieren, was einem reichen und erfüllten Leben in Gelassenheit zuträglich ist und bei dem man ein lebendiges Interesse an anderen Menschen und Aktivitäten entwickelt, bei denen es gelingt sich im besten Sinne ein Stück weit zu vergessen. Gesundheit steht dann im Dienste eines reichen Lebens und eines reifen Ichs und an einem Platz, der ihr gebührt.