trauriges Baby

Auch für Kleinkinder scheint nicht immer die Sonne. © Donnie Ray Jones under cc

Mir geht es schlecht! Was soll ich tun? An diesem Punkt im Leben stehen wir alle mal, das fängt schon als Säugling an. Die schreien dann kräftig, damit die Mutter kommt und ihre Welt wieder in Ordnung bringt. Völlig okay, für Babys. Wenn man mit 32 immer noch dasteht, schreit und wartet, dass jemand kommt und die eigenen Probleme löst, ist was schief gelaufen.

Der Mensch gilt als ein zu früh Geborener, weit weniger als andere Tiere ist er von Beginn an alleine lebensfähig, er braucht Jahre des intensiven Schutzes einer familiären und/oder sozialen Gemeinschaft. In dieser Zeit lernen wir unsere Bedürfnisse immer besser kennen und auch Wege, sie zu befriedigen. Doch dieser Prozess ist voller Probleme: Andere haben die schöneren Förmchen im Sandkasten, später dann eher ein Smartphone, als man selbst. Die erste Liebe gibt einem in Teilen sicher das Gefühl, wie schön das Leben sein kann, aber wie wir alle wissen, kann sie einen auch in tiefe Täler stürzen. Himmel und Hölle liegen dicht bei einander.

Da man aber weiter leben muss, auch wenn man nicht stets alles bekommt, was man will, lernt man seine Affekte und Bedürfnisse zu regulieren, etwas, was man im Leben bestens gebrauchen kann.

Immer ist das aktuelle Problem ist wichtig

Eines kann man aber übergreifend lernen. Wenn man jemandem, der intensiv unter Liebeskummer leidet sagt, man habe ein tolle Überraschung für ihn, er bekommt nun endlich das Spielzeug, dass er sich als Kind immer schon gewünscht hat, würde sich dieser Mensch zurecht verulkt verkommen. Daran erkennt man, dass das, was uns heute verzweifeln lässt – denn unsere Sorgen und Nöte sind ja in jeder Phase des Lebens echt – uns morgen schon unbedeutend vorkommen mag. Das Spielzeug in der Kindheit, die Sorgen, um die erste Liebe, aber auch schamhafte Momente, von damals, bei denen wir sogar länger nachdenken müssen um sie wieder zu erinnern, heute sind sie bedeutunsglos. Immerhin kann man sagen, dass man sie überlebt hat.

Und, nein, es geht nun nicht darum, zu sagen, man solle seine Sorgen nicht so wichtig nehmen, in 10 Jahren würde man ganz anders drüber denken. Das ist zwar oft richtig, aber man lebt eben jetzt und nicht zehn Jahre in der Zukunft, insofern bringen solche Relativierungen in Einzelfällen manchmal etwas, aber nicht bei allen und immer.

Etwas irgendwie überlebt zu haben, ist die Minimalbotschaft, die natürlich immer stimmt, aber in Zeiten, wo der Kampf um das pure Überleben so gut wir gar nicht mehr unseren Alltag bestimmt, geht es längst auch um Fragen wie die, wie man etwas überlebt hat. Weitgehend beschadet oder unbeschadet? Auch in dem Zusammenhang gibt es jedoch zwei Extreme, nämlich einmal, die früheren Probleme zu suchen und irgendwelche Konstellationen so oft zu bereden, zu problematisieren, dass man vergisst, sie auch irgendwann mal hinter sich und loszulassen. Das andere Extrem ist alles was früher war, zu banalisieren und dann völlig unverarbeitet im Wiederholungszwang zu leben. Was uns vorliegt, ist immer eine Frage des Einzelfalls, aber man kann dennoch zu verallgemeinernde Tendenzen erkennen.

Der richtige Einstieg ist wichtig, die Botschaft ist immer die gleiche

Das aktuelle Problem zeigt immer die Situation an, wo es im Leben hakt. Schon pragmatisch empfiehlt es sich mit dem kleinen Werkzeug anzufangen, wenn man nicht weiter weiß. Gespräche mit Freunden bringen viel, ein wenig Abstand oder Reflexion ist immer gut, einfach mal den Kopf frei bekommen. Sind die Probleme hartnäckiger, kann man sich hier und da beraten lassen, treten bestimmte Probleme immer wieder auf, kann eine Psychotherapie helfen.

Bei der ist dann auch wieder pragmatisch, statt ideologisch vorzugehen. Das heißt, man sollte schauen, welche Methode einem Menschen schnell zu einer Besserung verhilft und inwieweit es hier ratsam erscheint, oder eben nicht, ein größeres Fass aufzumachen. Heutige Probleme können ein Echo vergangener ungelöster Probleme sein, das sollte die Männer und Frauen vom Fach erkennen und entsprechende Spezialisten empfehlen.

Lösungsansätze gibt es wie Sand am Meer, doch bei all dem sollte man nicht vergessen, dass das Leben weiter geht und man sich darin irgendwann mal wieder zurechtfinden und am besten noch wohl fühlen muss, aus dem einfachen Grund, dass es das eigene Leben ist und einem keine andere Perspektive zur Verfügung steht. Darum ist auch hier die wichtige Frage eine andere:

Hat Ihr Leben schon angefangen?

Klar, man ist biologisch auf der Welt, keine Frage. Die Kindheit und Jugend werden oft als Probelauf gesehen, als Zeit der Ausbildung und Vorbereitung auf das, was das Leben, das so gerne zitierte, wahre, echte und richtige Leben, einem so präsentiert. Als wäre irgendwann Schluss mit lustig und ein Startschuss würde ertönen. In dem nun alles nicht mehr so lustig ist? Und was war das denn dann all die Jahre davor, hat man da nicht gelebt? Waren die Sorgen, Nöte und Ängste nichts, was man ernst nehmen sollte oder müsste? Psychotherapeuten erzählen uns etwas anderes, nämlich, dass die marginalisierte und nachträglich oft verkitschte Kindheit und Jugend eine ungeheuer wichtige Zeit war, prall voll mit Leben. Wann ist oder war man denn zuletzt so richtig lebendig oder ausgesöhnt mit dem, was man tut und lässt, denkt und fühlt? Viele ältere Menschen müssen da ein wenig zurück denken und sehnen sich dabei oft eine gute, alte Zeit herbei. die heil erschien (oft hat man allerdings nur die Konflikte und Sorgen verdrängt, was heute niedlich erscheint, war zu der Zeit durchaus bedeutsam) oder von der sie meinten, dort hätten sie die Weichen für ihr Leben noch stellen können, heute allerdings, sei alles anders. Das inmitten der Zeit, in der man angeblich am Leben so richtig teilnimmt.

Denn das ist das Problem, so richtig angefangen hat das Leben bei vielen Menschen noch gar nicht, vielmehr sehen sie sich eingebunden in allerlei Notwendigkeiten. Man muss oder möchte die Karriere vorantreiben, eventuelle heiraten. Wenn Kinder, dann bald, die Uhr tickt, dann muss aber auch der oder die Richtige her und so weiter. Freilich, das alles geht auch mit neuen Freiheiten und Möglichkeiten einher, was man als Kind noch erbetteln musste, jetzt kann man selbst darüber bestimmen, kann essen und trinken, tun und lassen was man will, Sex haben, wann und mit wem man will, kreativ sein, seinen Hobbys nachgehen und das Leben genießen, eigentlich. Die Realität vieler Menschen sieht anders aus. Vielleicht blitzte da mal was auf, aber Partnerschaft und Familie bedeutet immer auch Kompromisse und Rücksichtnahmen und ohne Kränkungen, Streits und Schrammen geht das so gut wie nie.

Das ist dann also das Leben, so eingebremst und fremdbestimmt? Oft kommt die Erkenntnis, dass man so ist, wie man nie werden wollte und es ist die Frage, wie man das empfindet. So, dass man akzeptieren kann, dass Bedürfnisse sich eben ändern? Aber was ist das? Redet man sich etwas schön, was man schon längst nicht mehr so empfindet? Betäubt man sich mit Essen, Alkohol, beruflichem Erfolg, sexuellen Affären und versucht man über diesen Weg etwas von dem rauszukitzeln, was man sich eigentlich erhofft hatte, als man mal vom Start ins echte, wahre Leben hörte?