Obwohl alle Menschen Vorurteile haben, kaum einer gibt sie offen zu, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildung. In einer toleranten, aufgeschlossenen, multikulturellen Gesellschaft, in welcher ein Jeder seinen Lebensweg nach eigenem Gutdünken gestalten kann, sind Vorurteile schon fast verpönt. Dennoch, Studien bestätigen, dass alle Vorurteile haben, z.B. gegenüber dem anderen Geschlecht, anderen Ethnizitäten, sexuellen Orientierungen oder einem höheren bzw. niedrigeren sozialen Status.
Vorurteile haben Nutzen
Im Ursprung hat das „Schubladendenken“, also die Kategorisierung unserer Umwelt, eine durchaus nützliche Funktion. Die Vielzahl an Informationen, welche auf unser Gehirn einstürmen, werden geordnet, bewertet und führen letztendlich auch dazu, schnell darauf reagieren zu können. Evolutionspsychologisch betrachtet also durchaus sinnvoll: Was bedrohlich ist und was nicht, basiert auf Erfahrungswerten und lässt sich anhand einzelner Außenreize schnell bewerten, eine entsprechende Handlung wird aktiviert.
Diese Kategorisierung führt aber auch dazu, dass wir Vorurteile haben. Trifft ein bestimmter Außenreiz, sagen wir etwa die blondgefärbten Haare einer Frau, auf unsere Wahrnehmung, wird ein dazugehöriges Knotensystem (bestimmte, damit verbundene, Eigenschaften etc.) aktiviert. Eine entsprechende Bewertung erfolgt und führt zu einer darauf abgestimmten Reaktion.
Im Umkehrschluss würde dies aber auch bedeuten: Vorurteile haben einen bestimmten Wahrheitsgehalt, da sie auf Erfahrungen beruhen.
Sind Vorurteile also wahr?
Allgemein betrachtet begibt man sich hierbei wohl in eine Grauzone. So werden etwa bestimmte Eigenschaften einer bestimmten Personengruppe zugeordnet, weil entweder viele Vertreter dieser Gruppe diese Eigenschaften besitzen oder aber weil einzelne, besonders auffällige, Vertreter dieser Gruppe diese Eigenschaften besitzen. Hinzu kommt noch das bewusste Spielen mit Klischees und man ist an dem Punkt angelangt, an welchem Menschen Vorurteile haben, die sich überaus hartnäckig jahrzehntelang halten können.
Auf den Einzelnen betrachtet, lässt sich allerdings nur sagen, dass Vorurteile entweder wahr sein können oder eben nicht.
Dennoch, Vorurteile haben sich fest in unseren Köpfen verankert und bleiben bestehen, obwohl wir vielleicht einen oder mehrere Anhänger einer Personengruppe kennen, die diese nicht bestätigen – warum?
Selbstbestätigung hat Vorrang
Findet man die Zustimmung seiner Vorurteile, also trifft man z.B. auf eine blonde Frau mit weniger Faktenwissen oder logischem Denkvermögen, sieht man sich selbst und sein Wissen über die Welt bestätigt. Dass es genauso gut auch Dunkelhaarige mit eben genau dieser Ausstattung oder gar blonde Frauen mit einem höheren Intelligenzquotienten gibt, spielt dabei keine Rolle mehr.
Der Grund, warum Menschen Vorurteile haben und sich diese in den Köpfen halten, ist schlicht und ergreifend der, dass wir eher Informationen verarbeiten, die zu unserem bestehenden Wissen passen. Die Ursache dafür ist im Grunde ökonomischer Natur. Es ist mit mehr Aufwand verbunden, Informationen, die nicht passen, integrieren zu müssen. Denn dies würde schlimmstenfalls implizieren, dass das vorhandene Wissen verworfen und neue Informationen eingeholt werden müssten. Die Folge: Wir wüssten nicht mehr unser Gegenüber zu bewerten und hätten kein Handlungsschemata parat. Dagegen ist es leichter, dass wir weiterhin Vorurteile haben und das Nichtpassende als Ausnahme abtun.
Auch der Selbstwert ist dabei nicht zu unterschätzen: Wer hat nicht lieber Recht als Unrecht? Demzufolge merken wir uns eher Informationen, die mit unserem bestehenden Weltbild stimmig sind; notfalls werden leichte Abweichungen zu unseren Gunsten umgemünzt – so hat die Blonde vielleicht auch gerade zu diesem Thema einen Fernsehbeitrag auf einem privaten, zweitklassigen Sender gesehen und plappert nur munter nach, hat aber insgesamt auf jeden Fall weniger Grips als man selbst.
Die Lösung: damit umgehen lernen
Wichtig ist zu wissen, dass Menschen Vorurteile haben, diese also durchaus üblich sind. Die damit verbundenen Handlungsschemata können manchmal auch als erste Orientierung dienen. Wichtig ist aber auch der Umgang damit, d.h. diesen Vorurteilen nicht den Vorrang zu geben, sondern, der Situation angemessen, dem Einzelnen bewusst mit offenem Blick zu begegnen. Dies führt dann zu einer differenzierteren Betrachtung und kann helfen, Abstand zu den eigenen Vorurteilen zu gewinnen.