Vielleicht sollte man bessere Laune verordnen? © Blondinrikard Fröberg under cc

Einfache Regeln, die nicht für alle gelten, sondern Menschen aus unterschiedlichen Typen, Gruppen, Stufen ansprechen, können uns meiner Meinung nach in vielen Bereichen weiter bringen, in denen wir eine Stagnation bis zur Zerrissenheit erleben.

Das Thema Klimawandel ist dabei ein guter Aufhänger, weil es aktuell als brisant erlebt wird und die ganze Palette der verschiedenen Ansichten hervorbringt. Diese Muster existieren aber auch bei anderen Themen, wie Menschenrechte, Migration, Rente, Wohlstand und weiteren. Meine Überzeugung ist, dass wir von dem vorgestellten Modell als Gesellschaft profitieren können, selbst dann, wenn man die Relevanz des Klimawandels nicht als sehr bedeutend einschätzt.

Ich hoffe, dass beim lesen Schritt für Schritt sichtbarer wird, warum selbst die Ablehnung bestimmter Sichtweisen nicht automatisch bedeuten muss, dass man alle anderen in das eigene Lager zieht, weil man meint, alles wäre einfacher, wenn alle das gleiche denken, wollen und tun. Ich glaube sogar, dass das ein Fehler ist. Die Zutaten die hier verwendet werden, wurden im ersten Teil vorgestellt.

Harte Egoisten

Es gibt nicht nur einen Typ Egoisten, für unsere Beispiele wähle ich drei verschiedene aus. Egoismus ist dabei nichts, was generell zu verurteilen ist, sondern er richtet den Fokus darauf, ob man von etwas, was verlangt wird, auch selbst ausreichend Vorteile hat. Egoisten tun etwas, wenn sie sich selbst davon mehr Vorteile als Nachteile erhoffen.

Der harte Egoist ist im Grunde ideologiefrei. Er würde bei allem mitmachen, was sein Wohlbefinden vergrößert und sich allem verweigern, bei dem das nicht der Fall ist.´Wenn unser abstraktes Ziel, über das Thema Klima hinaus heißt, die Welt besser zu machen, dann können wir Egoisten sogar etwas anbieten, denn in einer besseren Welt, die eben auch spürbar besser ist, haben auch sie mehr Vor- als Nachteile. Egoisten können uns vielleicht nerven und moralisch herausfordern, aber eben auch ein Gradmesser dafür sein, ob unser Vorhaben auch einem guten Weg ist. Wird das Leben besser, machen Egoisten von selbst mit, wenigstens jene, die nicht ideologisch eingespannt sind. Wer fragt, was er davon hat, muss auch Antworten erhalten. Ein Stück weit interessiert das jeden und es ist auch kein Problem.

Aus Prinzip dagegen

Es gibt eine weitere Form des Egoismus und das sind Menschen, die bei jedem Vorschlag aus Prinzip dagegen sind. Sie wollen demonstrieren, dass sie anders sind, manchmal auch, dass sie von den anderen nichts halten. Vermutlich wird man diese Menschen nicht von irgend etwas überzeugen können und deshalb sollte man es auch nicht übermäßig versuchen. Ihr Lustgewinn besteht gerade in der Verweigerung, wohlmeinende Tricks zu sabotieren ist ein Feld auf dem sie viele Jahre Übung haben.

Viele von ihnen brauchen sehr viel Aufmerksamkeit, im Widerspruch, der Empörung und den Versuchen sie einzubinden bekommen sie diese. Entzieht man ihnen die Aufmerksamkeit, bricht das Spiel zusammen, allerdings gibt es immer Menschen, die es doch immer wieder versuchen. Letztlich lohnt sich die Mühe nicht und es sind zahlenmäßig nicht so viele Menschen, so dass man sie ignorieren kann, ohne sich groß über sie zu ärgern. Wenn man das nicht schafft, weiß man immerhin, woran man selbst arbeiten kann.

Opportunismus als versteckter Egoismus

Opportunismus ist in vielen Fällen eine Form des Egoismus, der aber die entgegengesetzte Strategie fährt, wie der harte Egoist. Der harte Egoist fragt offen, welche Vorteile er hat, der Opportunist passt sich allem stromlinienförmig an. Ideologisch ist er ebenfalls ungebunden, er spielt zwar den (über)eifrigen Ideologen, falls das gerade gesellschaftlich gewünscht ist. Weht der Wind jedoch morgen aus einer ganz anderen Richtung würde der Opportunist sich dieser ebenso problemlos anpassen, auch wenn er dazu exakt das Gegenteil von gestern denken, fühlen und leben müsste. Hauptsache er kann mitspielen, ohne größere Probleme zu haben.

Man spürt einen leisen Ekel, gegenüber solchen Menschen, aber auch das wohnt vermutlich ein Stück weit in uns allen. Für unser Thema sind sie aber gewissermaßen der Gegenpol der Fraktion, die aus Prinzip dagegen ist, sie machen auf jeden Fall mit, wenn der Zug mal Fahrt aufgenommen hat und rollt, aber eben auch nur so lange, wie er gut fährt.

Es gibt nur eine richtige Idee: Meine!

Auch hier finden wir Egoisten, die durchaus gewillt sind, mit anderen zu kooperieren, aber nur, wenn die anderen sich exakt ihren Bedingungen fügen. Sie meinen, die für alle richtige Antwort gefunden zu haben, sehen sich als Letztautoritäten und sonnen sich darin. In der Regel geben sie ebenso geduldig wie bereitwillig Auskunft, das nährt ihre Überzeugung ausgesprochen wichtig zu sein.

Sie vergeben auch gerne Schulnoten, indem sie anderen generös mitteilen, etwas wirklich schon recht gut verstanden zu haben und in jedem Fall auf einem guten Weg zu sein. Sie haben im Grunde nichts dagegen, einen Kreis von idealisierenden Bewunderern um sich zu scharen. Wenn sie charismatisch genug sind und die Ideen nicht völliger Murks, können sie durchaus Teilaspekte einer Lösung bearbeiten. Wir sehen hier immer noch eine egozentrische Grundhaltung, diese Menschen ziehen ihre Aufmerksamkeit jedoch nicht aus der Ablehnung aller Vorschläge, sondern aus der Behauptung sie allein wüssten, was am besten funktioniert. Das ist immerhin kooperativer. Dieser Ansatz entspricht der Tendenz der Narzissten, dass die anderen Menschen im idealen Fall so werden sollten, wie man selbst bereits ist.

Es gibt nur eine richtige Idee: Unsere!

Es ist ein mythisches, ethnozentrisches oder soziozentrisches Bewusstsein, das die Geschichte einer bestimmten auserwählten Gruppe oder Lebensweise erzählt. So funktioniert auch der Fundamentalismus. Fundamentalisten legen Regeln sehr eng und buchstäblich aus, es geht bei dem Aufruf die Regeln zu befolgen, darum, dass niemand ausschert und abweicht. Damit das auch belohnt wird, sehen sich fundamentalistische Gruppen aus ihrer Innenschau gerne als die Eliten an. Sich auserwählt zu fühlen, ist sehr vitalisierend.

Wenn man den Fundamentalismus etwas herunter kocht, muss man immer noch zugestehen: Es macht Spaß etwas zu bewegen. Das kann auch dann noch geschehen, wenn man eher das Ziel, was man erreichen möchte im Blick hat, als sklavisch auf die Regelbefolgung zu pochen, was auch sehr schnell zu einem paranoiden Zwangssystem führen kann. Dennoch kann die mythische Gemeinschaft auch zur anderen Seite entgleisen, wenn die Regeln, die eine Gemeinschaft angeblich verbindet, nur noch auf dem Papier bestehen. Das Ziel hat man nicht mehr im Blick, man beteuert, noch immer die gleichen Werte zu teilen, im Grunde macht aber jeder was er will, nichts verbindet mehr wirklich.

Von den vertikalen Stufen zu den horizontalen Milieus

Der Sprung vom Egoismus zum Soziozentrismus ist ein vertikaler. Doch auf diese Ebene, auf der sich jene einfinden, die eine gemeinsame Idee teilen, existieren mehrere Milieus, die bestimmte Einstellungen zur Welt teilen. Auf der Seite von Sinus können Sie mehr erfahren.

Hier sind Gruppen von Individuen zusammengefasst, die nicht ausschließlich eine bestimmte Einstellung mit einander verbindet, sondern eine Art und Weise mit Welt umzugehen. Bezogen auf unser Beispielthema Klima, kann man sich leicht vorstellen, dass ‚Performer‘ ganz anders mit dem Thema umgehen, als ‚Hedonisten‘ oder ‚Sozial-Ökologische‘. Sie alle sind vereint in einem bestimmten Wir-Gefühl, damit auch in der Vorstellung, dass ihre Art zu leben die bessere sei (mit Ausnahme der ‚Prekären‘ und ‚Traditionellen‘ die aber auch einen eigenen Stolz besitzen).

‚Performer‘ sind diejenigen, die bei unserem Klimathema der Meinung sind, technische Neuerungen würden die Wende bringen, wenn nicht jetzt, dann doch sehr bald, die Ideen von Einsparungen kommen ihnen nicht in den Sinn. Wir finden hier starke Anteile des wissenschaftlich-technischen Weltbildes, in dem ein positives Fortschrittsdenken (durch Wissenschaft & Technik) enthalten ist.

Den ‚Hedonisten‘ ist es großenteils egal, was in der Zukunft passiert, das Leben findet jetzt statt und will auch jetzt gelebt werden. Doch auch der Hedonismus hat mehrere Seiten, die Sinus-Interpretation ist nur eine der Möglichkeiten der Deutung. Ebenso die ‚Sozial-Ökologischen‘, die mehr auf Verantwortung und Einschränkung achten und darauf, dass die Lasten möglichst gerecht verteilt werden.

Auch die weiteren Milieus haben ihre spezifische Einstellung zum Thema Klimawandel, mal überlappend mit anderen Milieus, mal sehr getrennt, es ist recht interessant hier selbst ein bisschen zu spielen und zu versuchen sich und andere zu erkennen. In der Darstellung von Sinus macht die ‚Bürgerliche Mitte‘ gerade mal 13% aus, sie entspricht dem, was man früher Mainstream nannte und den es als Mainstream im Grunde gar nicht mehr gibt.