Ob eine glückliche Beziehung mit einem Narzissten möglich ist, scheint von verschiedenen Punkten abhängig zu sein. Es wäre zu einfach zu sagen, man könne keinen Menschen lieben, der im Grunde nur um sich selbst kreist. Eine glückliche Beziehung ist eine Beziehung, in der beide Partner zufrieden sind und sich aneinander weiterentwickeln können. Versteht man Narzissmus in einer eher toxisch-malignen Form, ist eine solche Beziehung sicherlich zum Scheitern verurteilt. Denn die Übervorteilung des einen Partners und das Machtgefälle in einer toxischen Beziehung gehen oft zu Lasten des anderen. Schauen wir uns zunächst in einer Kurzfassung an, wie sich Narzissmus in einer Beziehung darstellt. Der Einfachheit halber bleiben wir bei der Bezeichnung Narzisst/Partner, unabhängig davon, welches biologische/soziale Geschlecht bzw. welche Geschlechtsidentität beide Partner haben.
Narzissmus in der Partnerschaft
Narzissmus in einer Partnerschaft ist geprägt durch zwei hauptsächliche Motive: Bewunderung und Rivalität. Diese zwei Motive kristallisierten sich in der Studie der Forschergruppe von Prof. Mitja Back von der Universität Münster. Ein narzisstisch geprägter Partner wünscht sich Aufmerksamkeit, Bewunderung und besitzt eine starke Selbstorientierung. Die Belange anderer Menschen und deren Wunsch nach Aufmerksamkeit beziehungsweise deren Selbstpositionierung werden von einem Narzissten oft als lästig empfunden, wie die Übersichtsarbeit von dem Psychiater Gerhard Dammann und der Psychologin Benigna Gerisch zeigt.
Narzisstische Menschen glauben, dass ihnen mehr zusteht, sie sind sehr verletzlich und reagieren emotional stark auf jede von ihnen sehr oft vermutete Ablehnung oder Zurückweisung. Unabhängig davon, ob jene unterstellte mangelnde Loyalität ihnen gegenüber tatsächlich stattgefunden hat oder nicht. Narzissten erleben den Partner oft als kritisierend und einengend, wohingegen sie selbst nach ihrer eigenen Einschätzung lediglich auf der Suche nach Liebe sind. Ist mit einem Narzissten, dessen Charakterstruktur sich derart verhält, eine glückliche Beziehung möglich?
Inwiefern ist eine glückliche Beziehung mit einem Narzissten möglich?
Benennen wir nachfolgend einige Punkte, die ausschlaggebend dafür sein können, ob eine glückliche Beziehung mit einem Narzissten möglich ist.
Ausprägungsstärke der narzisstischen Charaktereigenschaften
Betrachtet man Narzissmus als eine Charaktereigenschaft, so sind die narzisstischen Ausprägungen auf einem Kontinuum angesiedelt. Ähnlich wie bei der Schüchternheit, die von einer leichten Vortragsangst bis hin zum Rotwerden in jeder nur erdenklichen Situation ausgeprägt sein kann, gibt es auch mehr oder weniger narzisstische Menschen. Maligne Narzissten, die unter Umständen vor körperlichen Übergriffen nicht zurückschrecken, sind dabei sehr wahrscheinlich im klinischen Bereich anzusiedeln. Eine von Angst bestimmte Beziehung mit einem Menschen, der jederzeit verbal und körperlich eskalieren kann, ist gewiss keine glückliche Beziehung.
Dagegen kann eine leichte Selbstzentrierung bei einem leichteren Narzissmus-Ausprägungsgrad überaus vorteilhaft sein. Ein „moderat“ narzisstischer Mensch kann sich durch seine Selbstzentrierung beruflich voranbringen. Er lässt sich nicht von privaten Problemen ablenken. Manche narzisstisch motivierte Menschen sind beruflich sehr erfolgreich – was sich positiv auf die Beziehung auswirken kann –, andere dagegen erfolglos. Es hängt immer von dem individuellen Ausprägungsgrad narzisstischer Verhaltensweisen ab und inwiefern man mit den negativen narzisstischen Kompensationsstrategien umgehen kann. Beruflich und privat.
Selbstaufwertung versus Fremdabwertung
Das eine ist es, bis zu einem gewissen Grad selbstzentriert zu sein. Etwas anderes ist es, einen anderen Menschen schlecht zu machen und ihm die Verantwortung für die eigenen Tageslaunen zu übertragen und ferner diese an ihm auszulassen. Das Ausmaß der Fähigkeit zur Selbstreflexion bestimmt, ob und inwieweit ein narzisstisch orientierter Mensch seine eigenen Gedanken und Verhaltensweisen hinterfragen kann. Die Fähigkeit zu einer – wenn auch begrenzten – Einsicht der eigenen Fehlerhaftigkeit kann den Narzissmus stellenweise aufbrechen.
Fragen, die du dir stellen musst, wenn du überlegst, ob eine glückliche Beziehung mit (d)einem Narzissten möglich ist:
- Inwiefern ist mein narzisstischer Partner zu einer Einsicht fähig?
- Kann er sich in einzelnen Punkten eingestehen, einen Fehler begangen zu haben, ohne gleich darauf wieder seine Schuld „wegzuerklären“?
- Kurzum: Wie viele toxische und wie viele gesunde Anteile trägt er in sich?
Leidensfähigkeit und Selbstabgrenzung des Partners in einer narzisstischen Beziehung
Die Leidensfähigkeit des Gegenparts in einer von Narzissmus geprägten Beziehung ist ein weiterer Aspekt, der eine Rolle dahingehend spielt, ob man eine Chance auf Glück mit einem narzisstischen Partner hat. Inwieweit hast du als Partner eines Narzissten die „Fähigkeit“, dich von seinen Manipulationen emotional und psychisch abzugrenzen? Eine Partnerschaft, die einen oft zum Weinen bringt, ist keine glückliche Partnerschaft – und sie wird auch nicht irgendwann besser. Um einem narzisstischen Menschen regelmäßig begegnen zu können, benötigt man ein „dickes Fell“.
Und ich meine, ein wirklich dickes Fell. Sobald dich diverse narzisstische Manipulationstaktiken und die Fremdabwertungsversuche tief in deinem Inneren treffen, wirst du von deinem Partner destabilisiert. Dann fängst du gegebenenfalls an, dein Verhalten zu ändern, um nicht mehr verletzt zu werden. Du beginnst eventuell, deiner Wahrnehmung nicht mehr zu trauen. Im Laufe der Partnerschaft wirst du immer ausgezehrter und abgespannter. Vielleicht wirst du kontrollierender und härter. Vielleicht beginnst du abends mit einem Glas Wein, dich „wegzumachen“. Die Leere in dir wird immer größer und du weißt eigentlich gar nicht mehr, wer du bist.
Narzissmus in der Partnerschaft gleicht einer Hängepartie
An dieser Stelle schlagen wir die Brücke zum ersten Punkt. Ob eine glückliche Beziehung mit einem Narzissten möglich ist, hängt erstens davon ab, wie stark dich dein Partner psychisch und emotional zu seinen Gunsten destabilisiert (ergo: wie stark er sich fremdabwertend zeigt) und zweitens – ich formuliere es salopp –, wie sehr du ihn in seinen Allüren „für voll nimmst“. Fraglich ist dabei natürlich, ob diese Basis eine gesunde für eine Partnerschaft sein kann. Das sind die Fragen, die du dir stellen und ehrlich beantworten solltest, denn das bist du dir schuldig:
- Schaffst du es, dich von den toxischen Verhaltensweisen deines Partners nicht einnehmen zu lassen?
- Bist du bereit, nahezu andauernd unterschwellig einen inneren Kampf zu führen, um etwaige Verletzungen deines Selbstwertes „wegzuatmen“?
- Kannst du authentisch sein (bzw. gesunden), ohne dich ihm unterzuordnen?
- Schaffst du es, dein Leben normal weiterzuführen, wenn er dich ignoriert, mit Trennung droht oder dich aufzieht, nicht gut genug zu sein?
- Kannst du emotional „abstumpfen“, ohne das Respekt und Liebe verlorengehen?
Im ersten Teil der Artikelreihe haben wir seine und deine Seite als Bestandteile eurer Beziehung aufgemacht. Im nächsten Teil gehen wir darauf ein, welche klassischen Beziehungscharakteristika du ausblenden müsstest, wenn du dich fragst, ob eine glückliche Beziehung mit einem Narzissten möglich ist: Kann man mit einem Narzissten glücklich sein? – Narzissmus in Beziehungen (2).