Ein Einzelner terrorisiert mehrere

verunsicherte Frau mit Kette

Verdammt, was soll ich jetzt tun? – Das schleichende Gift der Verunsicherung © Leonid Mamchenkov under cc

Geht nicht? Doch. Nicht nur Vermieter können ihre Mieter quälen und schikanieren, es geht auch anders herum, beim Mietnomaden. In der Regel nette und im besten Sinne unauffällige Menschen, oft sogar noch charmant, nie käme man auf die Idee, dass man mit ihnen Probleme haben könnte. So ziehen sie ein und das Drama beginnt. Sofort stellt der Mietnomade einen Mangel in der Wohnung fest und kürzt erst mal die Miete, oft drastisch. Ob er das darf oder nicht, interessiert ihn nicht, manchmal werden zunächst auch vereinbarte Fristen eingehalten und dann wird reduziert und irgendwann, in einigen Fällen auch sofort, wird überhaupt nicht mehr bezahlt.

Ist jemand einmal in der Wohnung drin, bekommt man ihn so schnell auch nicht mehr raus, denn dass Mietrecht setzt hier hohe Hürden. Manche Wohnungsgroßunternehmen juckt das nicht, die haben ihre spezialisierten Anwälte und wissen, wie man selbst Terror verbreitet, wenn es sein muss. Betroffen ist in der Regel jemand, der nichts Böses im Sinn hat, vielleicht einfach ein paar Zimmer nicht leer stehen lassen will und dann beginnt der Alptraum, mit Gerichtsprozessen, Schreiben, Kosten und jeder Menge Stress und Frust, weil man den Aggressor zumeist in ständiger Nähe hat und einem, wider jedes Gerechtigkeitsempfinden, die Hände gebunden sind.

Was lässt den Psychoterror wirken?

Bei vielen Beispielen könnte man meinen: Na gut, das ist sicher nicht schön, vielleicht lästig, aber doch nicht wirklich schlimm. Bis man mal in der Situation ist, dann bemerkt man, wie so eine kleine Lästigkeit das Leben nachhaltig verändern kann, durch immer und immer wiederkehrende Nadelstiche, die Menschen in den Wahnsinn, Krankheit oder die Selbsttötung führen können. Andere begehen erweiterten Selbstmord oder laufen Amok, was die Probleme noch mal vergrößert.

Psychoterror wirkt ab einem bestimmten Grad bei jedem, aber zumeist ist es ein Spiel des Suchens und Findens. Mal hat man Pech, weil man sich vielleicht aus Zufall ungeschickt benimmt und eine Gruppendynamik lostritt, die eine Gruppe zum Mobbing motiviert. Einer testet vielleicht an und je nach Situation oder Reaktion sendet der Adressat aus, dass er verunsichert ist oder zeigt klar, dass er nicht dazu taugt zum Spielball gemacht zu werden. Dass kann durch klare, aber souveräne Grenzziehungen geschehen, durch Humor und Schlagfertigkeit, manchmal reicht ein spöttisches Lächeln oder eine kurze Klärung der Fronten und das Thema ist ein für alle mal, in dieser Gruppe erledigt.

Reagiert man aber verunsichert, schnippisch, überaggressiv oder hat einfach einen schlechten Tag, kann das der Anlass sein, dass man immer mehr und von immer mehr Leuten aus der Gruppe bedrängt wird, aber so ein Test muss keinesfalls immer zum Mobbing eskalieren. Manchmal gibt es einfach einen, der immer dumme Sprüche loslässt oder anzügliche Witzxchen macht und man erfährt Solidarität, wenn man mitbekommt, dass die anderen mit den Augen rollen, statt hämisch zu grinsen. Ist man aber einmal als Opfer auserwählt, ist es gut, wenn man einen schlechten Tag hatte, denn dann kann man seine Grenzen später noch setzen und selbst wenn man in einer Gruppe mal Pech hatte, die relative Gewissheit haben, dass es in der nächsten besser laufen wird, falls man in dieser nicht bleiben kann.

Was lässt den Psychoterror wirken? Eigentlich immer eine Form der Verunsicherung. Darum ist klar, dass unsichere Menschen schneller Opfer werden können, als andere, aber der Tipp selbstsicherer zu werden rangiert natürlich irgendwo zwischen Zynismus und Dummheit, denn wer ist schon gerne und freiwillig unsicher und würde es nicht selbst liebend gerne abstellen?

Aber dennoch, es ist die Verunsicherung, die ihre Spuren hinterlässt, zuerst subtil, dann immer mehr. Ob es beim Gaslighting die Verunsicherung einzelner Erinnerungen ist oder beim Bossing die, ob man wirklich so schlecht arbeitet. Wenn jemand einen Vortrag hält, bei dem nach und nach alle aufstehen und den Saal verlassen, wird das verunsichern, beim Mietnomaden wird man sich wieder und wieder fragen, ob man auch alles richtig gemacht hat und nachher, wie man nur so dumm sein konnte, immer wird vom Täter versucht eine Schwachstelle zu finden oder zu schaffen. Manche Menschen sind da sehr gut.

Der Grad der Verunsicherung hängt von vielen Faktoren ab: Von der Persönlichkeit des Opfers, aber auch von Zahl, Zeitdauer, Intensität und dem Charakter des oder der Täter. Auch an sich stabile Menschen können beginnen an sich zu zweifeln und unter den Bedingungen echter psychischer Folter bekommt man vermutlich jeden weichgekocht, aber im Kern der Terrors und seiner Lösung steht immer der Faktor der Verunsicherung. Verunsichern kann man jemanden umso besser, je mehr man seine schwachen Punkte kennt und ausnutzt, oft sind es jene, bei denen jemand gerne stark und souverän wirken würde. Wenn das infrage gestellt wird, was jemand als seine persönliche Sonnenseite betrachtet, ist er häufig psychisch zu treffen.

Welche Phänomene des Psychoterrors gibt es noch?

Jede Menge, alle können wir nicht aufführen, wohl aber einige Arten mit denen man Menschen verunsichern und also terrorisieren kann. Da sind zum einen sinnlose Fragen. In dem Film Der Marathon-Mann mit Dustin Hoffmann wird der Marathon-Mann zwar auch körperlich gefoltert, aber mürbe macht ihn die sinnlose Frage, die er gestellt bekommt und auf die er keine Antwort weiß. Wenn jemand glaubhaft vermitteln kann, er sei sicher man selbst wüsste etwas oder hätte etwas getan oder eine bestimmte Einstellung, die man nicht hat, noch weiß man, was der andere gerne wüsste, ist das ein ziemlicher Alptraum. Überlegen Sie nur, was wäre, wenn ihnen jemand eine für Sie sinnlose Fragen stellt, Sie nicht wissen, was er meint, nachfragen und als Antwort bekommen; „Sie verstehen schon sehr gut, was ich meine.“ Das löst mindestens Irritationen aus.

Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung gelten als unheilbar. In einem Experiment versuchte man sie zu therapieren, indem man ihnen jeden Tag andere Regeln gab, an die sich sich zu halten hatten, mit dem Erfolg, dass die Patienten irgendwann in eine paranoide Schizophrenie rutschten, von der aus man dachte, dass man sie besser therapieren kann, Die Versuche wurden irgendwann abgebrochen, ohne dass man die Frage klären konnte, aber man sieht daran, was ständig wechselnde, also willkürliche Regeln, für einen Effekt auf Menschen haben, man beraubt sie jeder Struktur und Sicherheit und dann fällt man in die Psychose.

Das ist auch das perfide an Falschinformationen, die man jemandem oder einer Gruppe zukommen lässt: Dein bester Freund hat Dich verraten. Dein Partner geht fremd. Die Organisation für die Du Dich einsetzt, ist zerschlagen und der Anführer verhaftet worden. Dein Land hat kapituliert. Wir wissen, wo Deine Liebsten wohnen. Das zieht einem den Boden unter den Füßen weg, gerade, wenn man nicht klären kann, was stimmt und was nicht.

Die emotionale Erpressung, die Schuldgefühle im anderen induziert ist ebenfalls eine Form der Psychoterrors, der wir bereits einen Beitrag widmeten, bei der die Ohnmacht darin besteht, dass man sich selbst schädigt um einen anderen, von dem man weiß, dass man ihm nicht egal ist und der einen vielleicht sogar liebt, entweder zu manipulieren oder zu quälen.

Psychoterror gegen Gruppen

Auch Gruppen können am besten durch Desinformationen terrorisiert werden, indem man ebenfalls suggeriert, es gäbe Verräter in den eigenen Reihen, indem man sie hinsichtlich der Erreichbarkeit ihrer Ziele frustriert oder diskreditiert. Als Spinner, Extremisten, Querulanten oder weltfremde Irre, wobei man den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe von Fall zu Fall prüfen muss und nicht immer eine Auflösung möglich ist.

Gegen Minderheiten wird oft gehetzt, was sich natürlich auch in deren Psyche niederschlägt, oft genug in Formen subtiler Selbstverdammung. Auf der anderen Seite können auch Minderheiten Psychoterror verbreiten, durch Einstellungen die der Gesellschaft diametral entgegen stehen oder dadurch, dass man den Mainstream einer Gesellschaft attackiert und seine Mitglieder als dekadent, verlogen oder schlecht darstellt.

In vielen Fällen sind die Vorhaltungen und Ansichten beider Seiten ein Stück weit nachzuvollziehen und es ist nicht immer zu sagen, wer letzten Endes recht hat, da sich auch da dynamischen mit den Kräfteverhältnissen und Einstellungen der Gesellschaft und dem Zeitgeist ändert.