Beim Streiten braucht es Regeln, vor allem in der Partnerschaft, in der Familie – im Grunde bei allen Personen, mit denen man enger zusammen ist. Ohne eine gute Streitkultur besteht die Gefahr eines Grenzübertritts. Wenn Anstand und Respekt erst einmal verloren gegangen sind, ist es schwer, diese im Alltag wieder zurückzuholen. Schwer, aber nicht unmöglich. Wir geben einige Tipps, wie man entspannt streiten kann.

Zehn Tipps, um entspannt zu streiten

Zwei Frauen im Disput

Man kann wütend werden oder entspannt streiten. © Eugene Kim under cc

Steht die Situation kurz vor der Eskalation, steigt zum einen die innere Anspannung, zum anderen wirkt der Gegenüberstehende ebenfalls immer aufgebrachter. Wenn es erst einmal soweit ist, kann man sich nicht noch ein riesiges Brimborium von gebetsmühlenartigen Entspannungstechniken ins Gedächtnis rufen. Deshalb formulieren wir kurz und prägnant, worauf es beim entspannten Streiten ankommt.

Persönliche Grenzen akzeptieren

Du und dein Gegenüber seid eigenständige Menschen. Behalte stets im Kopf, wen du vor dir hast und was für ein Mensch du selbst sein möchtest. Bewahre dir deine persönlichen Grenzen und worauf es dir ankommt. Akzeptiere aber genauso die Grenzen des anderen.

Bejahe einen guten Streit

Ein guter Disput ist kein Weltuntergang, sondern richtig und wirksam. Die Betonung liegt hierbei auf gut, nicht auf Disput. Mit einem Streit ist also nicht gleich alles vorbei. Die Beziehung schlecht zu reden oder sich als Opfer zu sehen, ist fehl am Platze. Harmonie entsteht nicht durch Verdrängen und Totschweigen, sondern durch Ehrlichkeit und Reibung, ohne dabei verletzend zu sein.

Hinterfragen, statt Emotionen hingeben

Gar nicht so einfach, vor allem wenn man das Gefühl hat, Wut und Enttäuschung würden einen mitreißen. Sobald man negative Emotionen spürt, hilft es, diese zu hinterfragen, bevor man in eine emotionale Abwärtsspirale gerät. Wenn beide Partner sich ihren Emotionen hingeben, ist man schnell auf einer emotional geleiteten Metaebene zugange – und die Eskalation folgt. Besser: Die Emotion wahrnehmen, sich gegebenenfalls kurz rausnehmen und hinterfragen, warum man gerade so fühlt. Dann durchatmen und auf konstruktiver Ebene weitermachen.

Empathie

Gesicht einer älteren Frau und Hinterkopf einer anderen Person

Empathie: Zuhören und einfühlen. Wichtige Voraussetzung für entspanntes Streiten. © Anne Worner under cc

Versuchen zu verstehen, warum der Andere so handelt und fühlt. Auch dies geschieht vor allem auf kognitiver Ebene und unterstützt dabei, sachlich zu bleiben. Helfen kann zudem folgende, vielleicht etwas seltsam anmutende Verhaltensweise, welche man sowohl aus therapeutischen Interventionen als auch im Coaching kennt: Wiederhole, was der andere gesagt hat. Fasse mit deinen eigenen Worten zusammen, was du von deinem Gegenüber verstanden hast.

No more Drama, Baby! Der richtige Wortlaut

Vermeide Verallgemeinerungen wie: »Du machst das immer so.« Prangere nicht an: »Du bist so und so.« Lass die Vergangenheit da wo sie ist: In der Mottenkiste. Bleibe stattdessen beim Ich. Bleibe bei dir.

Wünsche, keine Forderungen

Formuliere lieber, was du dir wünscht, anstatt zu fordern.

Nicht dramatisieren, ist außerdem wichtig. Dicht am eigentlichen Thema bleiben, sonst gerät man schnell auf teuflische Metaebenen, von denen es schwer ist, runterzukommen. Wir werden wütend, wenn wir uns zu unrecht behandelt fühlen oder in die Ecke gedrängt werden. Behandelt man einander nicht so, ist für entspanntes Streiten schon eine Menge getan.

Ungewissheit aushalten

Richtig: Die Zeit außerhalb des Streits ist beinahe wichtiger als der Streit selbst. Lernt man, Ungewissheit auszuhalten, kann man bei einem Streit auch eine bestimmte Zeit abwarten und muss eine Lösung nicht sofort heraufbeschwören. Weiterer Vorteil: Die Gemüter sind mit Abstand auch etwas heruntergekühlt und die Probleme wirken so manches Mal aus der Distanz heraus gar nicht mehr so schlimm.

Nur in bestimmtem Zustand streiten

Nicht abends, wenn man sowieso müde ist. Auch nicht nach einer Party mit einem gewissen Alkoholpegel intus. Denn solche Einflüsse führen schnell mal zu Punkt 1: Grenzüberschreitung. Es spricht auch nichts gegen ein sauber ausgesprochenes Stop: »Es wäre besser, wenn wir in unserem Zustand/ jetzt besser nicht miteinander darüber reden. Laß es uns auf morgen vertagen.«

Wie wäre es mit einem Streittermin?

Kalenderblatt

Warum nicht zu einem vereinbarten Termin streiten? Man kann sich sachlich vorbereiten und der Kopf bleibt kühl. © Pfarrei St. Bonifatius Berlin under cc

Bei wiederkehrenden Themen, die ständig in den Alltag reinspielen, überlege, ob es nicht besser wäre, Streitzeitpunkte zu vereinbaren. Dann spricht man zum Beispiel nur einmal pro Woche über dieses Thema, für eine Stunde. Die übrige Zeit kann man sich Notizen machen für ebenjenen Termin. Auf die Art braucht man keine Angst zu haben, man könne etwas vergessen. Vorteil ist: Wenn die erste Wut verraucht ist, kann man schauen, ob einem die notierten Punkte überhaupt noch wichtig sind, ob man sie ansprechen muss oder sie einfach übergehen kann.

Es gibt mehr als eine Meinung: Kompromiss finden

Jeder hat seine eigenen Ansichten, keine ist wahrer als die andere. Es ist immer eine Frage der individuellen Interpretation. Demzufolge behalte stets im Kopf: Es gibt kein klares Recht oder Unrecht. Und: Es wird nicht zwingend eine für beide perfekte Lösung geben. Oft nur eine, mit der beide leben können. Unnötig zu erwähnen, dass es bei einem Streit auf Augenhöhe nicht um Gewinnen oder Machtspielchen geht.

Um entspanntes Streiten zu verinnerlichen, schließen wir mit einem passenden Zitat des großen Mark Twain: In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten davon sind nie eingetreten.