Der Placeboeffekt

Der Placeboeffekt (dem wir schon eine eigene Reihe widmeten: 1, 2, 3) ist im Rahmen der theoretischen Details der Weltbild-Methode und im Rahmen zunehmender Erkenntnisse der Forschung nicht unser Feind, ein Fehler, Schmuddelkind oder etwas, was dringend vermieden werden sollte, sondern ein enger Verbündeter.

Er beruht zu einem guten Teil auf den Überzeugungen eines Patienten, weshalb ein vom Professor verabreichtes Mittel oft besser wirkt, als wenn das identische Mittel von der Hilfsschwester gegeben wird. Das einzige Problem ist bislang, dass der Placeboeffekt oft nicht lange anhält. Da der Effekt jedoch von Anfang an vom Patienten selbst gemacht ist, spricht nichts gegen den Versuch, ihn zeitlich auszudehnen und immer wieder aufzufrischen. Da die Wirkungen bewiesen sind, ist hier einfach ein offensiverer und systematischer Umgang gefordert, und dass daran bereits intensiv geforscht wird, macht Mut.

Die Ansätze der neurobiologischen Forschung

Die Neurobiologie hat uns viele schöne Einblicke auch in die Schmerzverarbeitung, gewährt. Man kann jedoch manchmal den Eindruck gewinnen, als sei die sogenannte Hirnforschung die neue Genetik. Früher galt eine genetische Ursache als eine Art Schicksalsspruch, unabänderlich. Heute wissen wir, dass die Lage wesentlich komplexer ist und selbst bei einer genetischen Disposition die Epigenetik eine oft entscheidende Rolle spielt.

Heute hört man oft ähnliches, wenn man etwas im fMRT nachweisen kann. Auch Schmerzen und ihre Verarbeitung, die neuronale Aktivität kann man heute im Bild darstellen. So konnte man erkennen, das psychische Schmerzen tatsächlich sehr ähnlich wie körperliche verarbeitet werden. Beleidigungen und Bemerkungen können tatsächlich weh tun und tun es zuweilen auch. Nachweisbare Schmerzspuren im Gehirn bedeuten, dass da irgendwas als Schmerz oder schmerzhaft verarbeitet und wird, aber sie bedeuten nicht, dass nun, wo man ein neurologisches Korrelat gefunden hat, der Schmerz zum Fatum wird. Grob gesagt, was im Hirn ist, kann dort auch wieder verschwinden und gerade von Schmerzen wissen wir, dass sie nicht rein biologischer, sondern biopsychosozialer Natur sind.

Strategien für eine Zeit mit weniger Schmerz

Man muss sich vor Augen halten, dass chronische Schmerzen wirklich chronisch sind, das heißt in einigen Fällen bereits Jahre oder Jahrzehnte andauern können. Egal mit welcher inneren Haltung, sind sie längst zum festen Bestandteil des Lebens eines Menschen mit chronischen Schmerzen geworden. Das bedeutet aber auch, dass sich vieles im Leben um diese Schmerzen dreht und nach ihnen organisiert wurde, von der Inneneinrichtung, über Urlaubsreisen bis zu Beziehungen.

Gesetz die Schmerzen ließen sich reduzieren, ist der Betroffene eigentlich darauf vorbereitet? Was würde passieren, was würde geändert werden können, aber auch geändert werden müssen, was bedeutet es für die Beziehungen, wenn sich an einer wesentlichen, wenn auch ungeliebten Konstante im Leben etwas ändert? Ist der Betroffene auf den „Ernstfall“ vorbereitet und wie? Je nach persönlicher Einstellung wäre zu überlegen ob man diese Zeit mit kleinen persönlichen Ritualen begleitet und wie diese gegebenenfalls gestaltet werden können, was die Verbindlichkeit der Situation noch einmal vergrößert und einen Schnitt im Leben unterstreicht.

Muss das Weltbild eines Menschen in allen Fällen akzeptiert werden?

Die Weltbild-Methode lebt wesentlich davon, die Einstellungen eines Menschen mit chronischen Schmerzen zu akzeptieren und zum Ausgangs- und Anknüpfungspunkt der gemeinsamen Arbeit oder des Weges zu machen. Diese Einstellung kennt zwei Ausnahmen. Zum einen jene, die darin bestehen, wenn man den begründeten Verdacht hat, dass das Weltbild eines Menschen ursächlich zu einem großen Teil dafür verantwortlich zu sein scheint, dass er Schmerzen hat oder zumindest, bisher nichts Ausreichendes gegen diese Schmerzen tun konnte. Im Fall der Überschneidung mit Depressionen ist das offensichtlich, aber auch in anderen Fällen ist es nachgewiesen, dass es Korrelationen zwischen Weltbildern und Psychopathologien gibt.

Der andere Fall ist jener, wenn ein Mensch selber in der Situation ist, dass er an seinem Weltbild, aus welchen Gründen auch immer, zweifelt. Hier gilt es, den Reflexionsprozess zu unterstützen, ohne diesen in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Welche Einstellung muss ein Behandelnder haben?

Das ist manchmal schwer, weil man selbst zumeist einer Richtung ideologisch anhängt und sei es nur ein Stück weit. Es ist gut, das eigene Weltbild zu kennen, ansonsten aber weltanschaulich neutral zu sein. Kommt es zu Differenzen, die es dem Behandelnden unmöglich erscheinen lassen, den Menschen mit chronischen Schmerzen anzunehmen und mitfühlend zu behandeln, sollte man ihn an einen Kollegen überweisen, bei genügend personellen Kapazitäten wäre ohnehin zu überlegen, ob man den grundlegenden Einstellungen entsprechend die Menschen mit chronischen Schmerzen und die sie Behandelnden zuordnet, beispielsweise im Rahmen vieler Therapeuten und Ärzte einer Klinik oder eines Netzwerkes.

Über die Schmerzen hinaus?

Es ist denkbar, dass die Weltbild-Methode über den Bereich chronischer Schmerzen hinaus eingesetzt werden kann. Hier kommen vor allem andere chronische Erkrankungen in Betracht. Darüber hinaus Erkrankungen mit schlechter Prognose, da zumindest einige von ihnen ähnliche Muster zu haben scheinen wie die, denen die chronischen Schmerzen folgen. Auch hier spielen innere Überzeugungen und das Weltbild des Kranken oft eine entscheidende Rolle, wie wir hier näher ausführten.

Weitere Details der Weltbild-Methode würden hier den Rahmen sprengen und sind eventuell anderen Publikationen vorbehalten.

Quellen:

  • [1] https://www.jstor.org/stable/23871486?seq=1#page_scan_tab_contents
  • [2] https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0035-1554692.pdf